CHMP der EMA

Remdesivir auch in der EU zur Zulassung empfohlen

Stuttgart - 25.06.2020, 17:00 Uhr

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA empfiehlt die bedingte Zulassung von Remdesivir, dem ersten COVID-19-Arzneimittel, für die EU. (Foto: picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY | Yonhap)

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA empfiehlt die bedingte Zulassung von Remdesivir, dem ersten COVID-19-Arzneimittel, für die EU. (Foto: picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY | Yonhap)


Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) empfiehlt, Remdesivir in „Veklury“ eine bedingte Zulassung für die Behandlung von COVID-19 zu erteilen. Nach Rat der EMA soll das erste Corona-Arzneimittel bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren eingesetzt werden, wenn diese an einer SARS-CoV-2-bedingten Lungenentzündung mit zusätzlichem Sauerstoffbedarf leiden. Die Europäische Kommission will sich mit der Remdesivir-Zulassung beeilen und diese bereits in der nächsten Woche erteilen.

Weg frei für Remdesivir: In den Vereinigten Staaten und Japan darf das erste Arzneimittel gegen COVID-19 bereits seit Mai eingesetzt werden. Nun rät auch der Humanarzneimittelausschuss der EMA, das CHMP, Remdesivir in „Veklury“ eine bedingte Zulassung zu erteilen.

Mehr zum Thema

Gilead beantragt EMA-Zulassung

Remdesivir bald in Europa?

Erst am 5. Juni hatte Gilead den Zulassungsantrag zu Remdesivir eingereicht, dass es nun so schnell ging, liegt an der Vorarbeit des CHMP. Der Humanarzneimittelausschuss hatte bereits am 30. April ein Rolling Review gestartet. Das Rolling-Review-Verfahren ist ein Regulierungsinstrument, das die EMA nutzen kann, um Daten zu einem vielversprechenden Arzneimittel bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise einer Pandemie, zu bewerten, sobald sie verfügbar sind. Somit beschäftigte sich der CHMP mit der Bewertung von Daten zu Qualität und Herstellung, nicht-klinischen Daten, vorläufigen klinischen Daten und unterstützenden Sicherheitsdaten aus „Compassionate Use“-Programmen.

Bedingte Zulassung

Remdesivir wird „nur“ für eine bedingte Zulassung empfohlen. Diese Art der Zulassung ermöglicht es der EMA, ein Arzneimittel trotz weniger Daten als üblicherweise für eine Zulassung erforderlich, verfügbar zu machen. Bedingung ist, dass der Nutzen einer sofortigen Verfügbarkeit des Arzneimittels das Risiko überwiegt, dass noch nicht alle Daten verfügbar sind. Man will mit diesem Regulierungsinstrument rasch auf einen ungedeckten medizinischen Bedarf, auch in Notfallsituationen, zum Beispiel Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit wie die aktuelle Pandemie, reagieren.

Schwer an COVID-19 Erkrankte mit zusätzlichem Sauerstoff

Basis für die bedingte Zulassungsempfehlung bilden Daten aus der vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) gesponserten Studie NIAID-ACTT-1 (Adaptive COVID-19 Treatment Trial, ACTT-1). Vorläufige Ergebnisse der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie bei über 1.000 hospitalisierten COVID-19 Patienten wurden unter „Remdesivir for the Treatment of Covid-19  Preliminary Report“ am 22. Mai im NEJM veröffentlicht. Patienten, die Remdesivir erhielten, hatten eine um 31 Prozent schnellere Genesungszeit als Patienten, die Placebo erhielten. Unter Remdesivir waren die Erkrankten im Median nach elf Tagen genesen, mit Placebo dauerte die Genesung 15 Tage. Dieser Effekt wurde bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung nicht beobachtet: Die Zeit bis zur Genesung betrug sowohl in der Remdsivir- als auch in der Placebogruppe fünf Tage. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung, die etwa 90 Prozent der Studienpopulation ausmachten, betrug die Zeit bis zur Genesung zwölf Tage in der Remdesivir-Gruppe und 18 Tage in der Placebo-Gruppe.

Mehr zum Thema

Arzneimittel bei COVID-19

Wo stehen wir bei Remdesivir?

Als genesen galt, wer innerhalb von 28 Tagen nach Studieneinschluss nicht mehr im Krankenhaus war und keine Einschränkung der Aktivität zeigte oder nicht mehr hospitalisiert war, aber eine Einschränkung der Aktivität und/oder Sauerstoffbedarf hatte oder zwar noch hospitalisiert war, jedoch ohne Sauerstoffbedarf.

Nicht jeder Coronapatient profitiert

Am meisten scheint der Studie zufolge Remdesivir Patienten zu nutzen, die Sauerstoff benötigten, während mechanisch beatmete Patienten oder solche mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) weniger profitierten. Das sieht auch die EMA so: Bei Patienten, die mit Remdesivir begannen, als sie bereits eine mechanische Beatmung oder ECMO erhielten, wurde kein Unterschied in der Zeit bis zur Genesung festgestellt. Daten über den Anteil der Patienten, die bis zu 28 Tage nach Behandlungsbeginn verstarben, werden laut CHMP derzeit für die abschließende Analyse gesammelt.

Insgesamt kommt das CHMP zu dem Schluss, dass sich die Bilanz von Nutzen und Risiken bei Patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen, also Patienten mit schwerer Erkrankung, als positiv erwiesen hat.

Gilead muss weitere Daten zu Remdesivir liefern

Remdesivir wird als intravenöse Infusion appliziert. Loading-Dose sind 200 mg, gefolgt von 100 mg für weitere vier bis maximal neun Tage. Die Anwendung ist auf Gesundheitseinrichtungen beschränkt, in denen die Patienten genau überwacht werden. Die EMA rät, Leber- und Nierenfunktion vor und während der Behandlung gegebenenfalls  zu überwachen. Das empfiehlt auch das Robert Koch-Institut (RKI) in der „Aktuellen Datenlage zu Remdesivir“ vom 18. Juni 2020.

Allerdings ist die EMA mit den vorläufigen Daten zu Remdesivir nicht abschließend zufrieden: Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Remdesivir besser beurteilen zu können, muss Gilead der Europäischen Arzneimittel-Agentur bis August 2020 weitere Daten zur Qualität des Arzneimittels sowie die endgültigen Daten zur Mortalität und bis Dezember 2020 die Abschlussberichte der Remdesivir-Studien vorlegen. Wie bei allen Arzneimitteln soll ein Risikomanagementplan (RMP) die strenge Sicherheitsüberwachung von Remdesivir nach der EU-weiten Zulassung gewährleisten. Weitere Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten werden durch laufende Studien und Berichte nach dem Inverkehrbringen gesammelt und regelmäßig vom CHMP und dem Sicherheitsausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) überprüft. Seit April 2020 überprüft das PRAC auch die Sicherheitsdaten von Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, die als monatliche Sicherheitsberichte vorgelegt werden; diese werden auch nach dem Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin vorgelegt und bewertet.

Auch in den USA wird Remdesivir nur im Rahmen einer Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization - EUA) bei schwer an COVID-19-Erkrankten eingesetzt. Die EUA ist befristet und kann widerrufen werden. Sie ersetzt nicht das formelle Verfahren zur Einreichung, Prüfung und Zulassung neuer Arzneimittel.

EU-Kommission will nächste Woche entscheiden

Über die endgültige Zulassung entscheidet die Europäische Kommission, die will sich jedoch auch beeilen und strebt einen beschleunigten Entscheidungsprozess an. Bereits in der kommenden Woche soll Remdesivir sodann die bedingte Zulassung erhalten.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.