EDQM-Untersuchungen zu 4-Chloranilin

Karzinogene Verunreinigung in Paracetamol gefunden

Stuttgart - 23.07.2020, 17:45 Uhr

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)


Anqiu Lu’an Pharmaceutical: Der weltweit größte Paracetamol-Wirkstoff-Hersteller

Die Zeitung NRC scheint auch zu wissen, welche Firma hinter dem verunreinigten Wirkstoff steht: Die chinesische Firma Anqiu Lu’an Pharmaceutical. Dabei handle es sich um den weltweit größten Wirkstoffhersteller von Paracetamol. Und zumindest in den Niederlanden finde sich das Paracetamol von Anqiu Lu’an Pharmaceutical auch oft im Handel wieder, heißt es.

Entdeckt wurde die Verunreinigung offenbar auf Initiative der Zeitung NRC selbst. Gemeinsam mit einem Fernsehsender habe sie Proben der drei Chargen an ein deutsches Labor zur Untersuchung geschickt. Insgesamt sollen die Chargen 36 Millionen Tabletten umfassen und im Frühling 2019 hergestellt worden sein. Das Ergebnis des Labors lautete NRC zufolge, dass alle drei Chargen mit 4-Chloranilin verunreinigt sind. 

Keine gesetzlichen Grenzwerte: Wie gefährlich ist 4-Chloranilin?

Es gibt eine Leitlinie der EMA, in der es um Empfehlungen für die Bewertung und Kontrolle mutagener Verunreinigungen geht, die sich in der endgültigen Arzneimittelsubstanz oder im Endprodukt befinden können: „ICH M7 Assessment and control of DNA reactive (mutagenic) impurities in pharmaceuticals to limit potential carcinogenic risk”. Dieser Leitlinie zufolge (Stand 2018) ist 4-Chloranilin bzw. p-Chloranilin in vitro mutagen – mit limitierter Evidenz für eine In-vivo-Genotoxizität. Laut IARC (International Agency for Research on Cancer der WHO) wird p-Chloranilin außerdem der Gruppe 2B zugeordnet. Zum Vergleich: N-Nitrosodimethylamin (NDMA) in Valsartan fällt in die Kategorie 2A. Während das Nitrosamin NDMA also als „wahrscheinlich“ krebserzeugend eingestuft wird, gilt 4-Chloranilin demnach „nur“ als „möglicherweise“ karzinogen für Menschen.

Gesetzliche Grenzwerte für den Gehalt an 4-Chloranilin oder seinem Hydrochloridsalz in Arzneimitteln gibt es der Leitlinie zufolge nicht. Als akzeptabler Schätzwert für eine lebenslange Aufnahme wurden aber 34 µg 4-Chloranilin pro Tag berechnet. Dass 4-Chloranilin für den Menschen gefährlich werden könnte, scheint also nicht in Frage zu stehen. Nur: Ab welcher Menge es gefährlich wird, darüber scheiden sich offenbar die Geister.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Analytik

von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr

Mit immer besser werdender Analytik werden wir immer mehr Verunreinigungen finden. Was früher schlicht nicht detektierbar war, wird heute eben gefunden. Wie wollen wir damit umgehen? Müssen wir jede Arzneimittel-Charge zurückrufen und vernichten, in der auch nur geringste Spuren einer vielleicht irgendwie bedenklichen Substanz enthalten sind? Diese Frage ist aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt eher philosophischer als wissenschaftlicher Natur, wir wissen ja schlicht nicht, was passiert, wenn man ab und an µg-Mengen einer CMR-verdächtigen Substanz aufnimmt. Im Kontrast dazu eine scheinbar immer ungesündere Lebensweise: Ein Nahrungsmittel-Skandal jagt den nächsten, es wird geraucht, gesoffen, sich in Sonnenstudios gesonnt; und eben diesen mündigen Konsumenten schreckt man auf, indem man ihm in der Zeitung von krebserregenden Substanzen in für ihn kaum vorstellbaren Mengen erzählt?
Zumindest in Relation setzen sollten wir diese Dinge – und daher lautet die Frage für mich nicht, ob alles gut ist, sondern wie gut die Dinge sein müssen, um innerhalb unseres allgemein akzeptieren Lebensrisikos noch tolerabel zu sein.

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Billig ist riesig !

von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr

Eigentlich keine Artikel mehr wert, da bekanntes Muster.
Billig, noch nicht illegal, dann her für den deutschen Michel. Was soll man an Kontrolle durch das tolle Bfarm auch erwarten, die bei tausenden Leutchen noch nicht mal Masken bestelllen können, sondern dafür der Beratermaffia 10 ! Millionen in den Rachen schmeißen.
Personalprobleme ? für 10 Mill kann man viele, auch gute Leute beschäftigen, wenn das Einkaufen die Ministerialen schon überfordert.
Aber das ist eben dieser Beratersumpf der auch für sich selbst diese Zertifiziererparadiese wie Securpharm und das e-rezept etc. gebastelt hat. Hauptsache teuer und eine dann ewige Einkommsquellt.

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