EDQM-Untersuchungen zu 4-Chloranilin

Karzinogene Verunreinigung in Paracetamol gefunden

Stuttgart - 23.07.2020, 17:45 Uhr

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)


Aromatische Amine und p-Chloranilin – zum Hintergrund 

Allgemein gelten aromatische Amine akut als mittelgradig bis sehr toxisch, die Mehrzahl ist mutagen und kanzerogen. Die akute Toxizität der monozyklischen aromatischen Amine beruht laut dem Buch „Toxikologie“ (Marquardt, Schäfer, Barth; 4. Auflage) vor allem auf der Fähigkeit zur Methämoglobinbildung. Chloraniline gefolgt von Nitroanilinen sollen dabei die stärkste zyanotische Wirkung besitzen (Folge ist eine Sauerstoffunterversorgung). Chronische Vergiftungen mit hohen Anilindosen erzeugen beim Menschen Anämie, vegetative Störungen und allgemeine Schwäche – sie sollen unter den heute üblichen Arbeitsbedingungen aber praktisch nicht mehr auftreten. Auch aus der EMA-Leitlinie geht hervor, dass vor allem eine (industrielle) Exposition am Arbeitsplatz gegenüber 4-Chloranilin gefährlich werden kann (Farbstoff-, Textil-, Gummiindustrie und andere). 

Ob ein Stoff mutagen oder kanzerogen ist, lässt sich nicht immer leicht bewerten. Anilin soll lange Zeit als nicht kanzerogen gegolten haben – bis in Versuchen Milztumoren an männlichen Ratten beobachtet wurden, das war in den 1980er Jahren. Diese treten auch bei p-Chloanilin auf. Allerdings scheint die Entstehung von Milztumoren nicht auf der genotoxischen Wirkung zu beruhen, sondern auf die oben geschilderte toxische Wirkung auf die Erythrozyten und die Folgen darauf zurückzuführen zu sein. Die beschriebene Bindung an Hämoglobin kann bei niedrigen Dosen (von kanzerogenen aromatischen Aminen) dabei sogar als eine Art Entgiftung angesehen werden.

Allerdings können andere Stoffwechselreaktionen über Umwege auch zu einer DNA-Bindung führen und somit mutagen wirken. Es bestehen also noch viele Unsicherheiten – die niederländische Zeitung NRC thematisierte in ihrer Berichterstattung auch einen möglichen Zusammenhang zu Lebertumoren

Für Pharmazeuten dürfte außerdem interessant sein, dass laut dem Buch „Toxikologie“ früher gelegentlich nach Phenacetin-Abusus uroeptiheliale Tumore auftraten. Das Schmerzmittel wurde nach Bekanntwerden seines nephrotoxischen Potenzials aus dem Handel genommen. Bemerkenswert ist das vor allem, weil erst nach dem zweiten Weltkrieg entdeckt wurde, dass der eigentliche Wirkstoff des Phenacetins das Paracetamol (Acetaminophen) ist. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Analytik

von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr

Mit immer besser werdender Analytik werden wir immer mehr Verunreinigungen finden. Was früher schlicht nicht detektierbar war, wird heute eben gefunden. Wie wollen wir damit umgehen? Müssen wir jede Arzneimittel-Charge zurückrufen und vernichten, in der auch nur geringste Spuren einer vielleicht irgendwie bedenklichen Substanz enthalten sind? Diese Frage ist aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt eher philosophischer als wissenschaftlicher Natur, wir wissen ja schlicht nicht, was passiert, wenn man ab und an µg-Mengen einer CMR-verdächtigen Substanz aufnimmt. Im Kontrast dazu eine scheinbar immer ungesündere Lebensweise: Ein Nahrungsmittel-Skandal jagt den nächsten, es wird geraucht, gesoffen, sich in Sonnenstudios gesonnt; und eben diesen mündigen Konsumenten schreckt man auf, indem man ihm in der Zeitung von krebserregenden Substanzen in für ihn kaum vorstellbaren Mengen erzählt?
Zumindest in Relation setzen sollten wir diese Dinge – und daher lautet die Frage für mich nicht, ob alles gut ist, sondern wie gut die Dinge sein müssen, um innerhalb unseres allgemein akzeptieren Lebensrisikos noch tolerabel zu sein.

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Billig ist riesig !

von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr

Eigentlich keine Artikel mehr wert, da bekanntes Muster.
Billig, noch nicht illegal, dann her für den deutschen Michel. Was soll man an Kontrolle durch das tolle Bfarm auch erwarten, die bei tausenden Leutchen noch nicht mal Masken bestelllen können, sondern dafür der Beratermaffia 10 ! Millionen in den Rachen schmeißen.
Personalprobleme ? für 10 Mill kann man viele, auch gute Leute beschäftigen, wenn das Einkaufen die Ministerialen schon überfordert.
Aber das ist eben dieser Beratersumpf der auch für sich selbst diese Zertifiziererparadiese wie Securpharm und das e-rezept etc. gebastelt hat. Hauptsache teuer und eine dann ewige Einkommsquellt.

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