EDQM-Untersuchungen zu 4-Chloranilin

Karzinogene Verunreinigung in Paracetamol gefunden

Stuttgart - 23.07.2020, 17:45 Uhr

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)


Alles halb so schlimm?

Wieviel PCA (p-Chloranilin) nun tatsächlich in den betroffenen drei Chargen gefunden wurde, wird in dem Artikel der NRC nicht verraten. Allerdings wird geschildert, dass zwischen der Arzneimittelbehörde EMA und der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA eine gewisse Uneinigkeit zu der Frage besteht, wieviel PCA für eine tägliche Aufnahme denn akzeptabel wäre. Das wird auch mit einem entsprechenden Dokument untermauert (Datum des Dokuments ist nicht bekannt). Demnach könne man sechs der verunreinigten niederländischen Paracetamol-Tabletten aus China einnehmen, ohne den Grenzwert der EMA (34 µg pro Tag) zu überschreiten. (Die maximale Tagesdosis von Paracetamol beträgt ab 43 kg Körpergewicht 8 Tabletten, entsprechend 4000 mg Paracetamol.) Lege man hingegen den Grenzwert der EFSA an, so wäre bereits nach Einnahme einer der verunreinigten Tabletten die akzeptable Menge überschritten. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass Schmerzmittel wie Paracetamol selten in der gleichen Frequenz und Dauer wie ein Lebensmittel zugeführt werden. 

Während sich beispielsweise ein niederländischer Toxikologe, Professor Jan Tytgat (KU Leuven), gegenüber NRC schließlich für einen Rückruf der entsprechenden Präparate ausspricht, scheinen die niederländischen Behörden laut NRC keinen Grund zu sehen, aktiv zu werden. Das niederländische „Medicines Evaluation Board“ habe lediglich auf den eingehaltenen EMA-Grenzwert verwiesen. In einer entsprechenden Pressemitteilung der niederländischen Behörde heißt es außerdem: „Die Sicherheit von Paracetamol ist nicht gefährdet.“ Dort wird zudem nochmal der Unterschied zwischen einem Lebensmittelgrenzwert und Grenzwerten für die Arzneimittelindustrie erklärt. 

Dass sich auch das EDQM (Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln) am 10. Juli der Sache angenommen hat, zeigt aber, dass der Fall ernst genommen wird (Das EDQM hat im Sommer 2018 vor allem durch das Valsartan-CEP Bekanntheit erlangt). Immerhin wird Paracetamol auch in der Selbstmedikation breit eingesetzt. Seit dem 10. Juli scheint man aber noch keinen Anlass gesehen zu haben, Anqiu Lu'an Pharmaceutical Co. das CEP zu entziehen – das Zertifkat belegt, dass eine Monographie des Europäischen Arzneibuchs geeignet ist, die Qualität eines Wirkstoffs zu prüfen. 

Aber ist es so einfach? Der Grenzwert ist nicht überschritten und alles ist gut?



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Analytik

von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr

Mit immer besser werdender Analytik werden wir immer mehr Verunreinigungen finden. Was früher schlicht nicht detektierbar war, wird heute eben gefunden. Wie wollen wir damit umgehen? Müssen wir jede Arzneimittel-Charge zurückrufen und vernichten, in der auch nur geringste Spuren einer vielleicht irgendwie bedenklichen Substanz enthalten sind? Diese Frage ist aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt eher philosophischer als wissenschaftlicher Natur, wir wissen ja schlicht nicht, was passiert, wenn man ab und an µg-Mengen einer CMR-verdächtigen Substanz aufnimmt. Im Kontrast dazu eine scheinbar immer ungesündere Lebensweise: Ein Nahrungsmittel-Skandal jagt den nächsten, es wird geraucht, gesoffen, sich in Sonnenstudios gesonnt; und eben diesen mündigen Konsumenten schreckt man auf, indem man ihm in der Zeitung von krebserregenden Substanzen in für ihn kaum vorstellbaren Mengen erzählt?
Zumindest in Relation setzen sollten wir diese Dinge – und daher lautet die Frage für mich nicht, ob alles gut ist, sondern wie gut die Dinge sein müssen, um innerhalb unseres allgemein akzeptieren Lebensrisikos noch tolerabel zu sein.

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Billig ist riesig !

von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr

Eigentlich keine Artikel mehr wert, da bekanntes Muster.
Billig, noch nicht illegal, dann her für den deutschen Michel. Was soll man an Kontrolle durch das tolle Bfarm auch erwarten, die bei tausenden Leutchen noch nicht mal Masken bestelllen können, sondern dafür der Beratermaffia 10 ! Millionen in den Rachen schmeißen.
Personalprobleme ? für 10 Mill kann man viele, auch gute Leute beschäftigen, wenn das Einkaufen die Ministerialen schon überfordert.
Aber das ist eben dieser Beratersumpf der auch für sich selbst diese Zertifiziererparadiese wie Securpharm und das e-rezept etc. gebastelt hat. Hauptsache teuer und eine dann ewige Einkommsquellt.

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