Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

BMG wertet 52 Stellungnahmen zur Suizidhilfe aus

Berlin - 11.08.2020, 14:19 Uhr

Von den 52 Stellungnahmen zur Sterbehilfe, die beim BMG eingegangen sind, seien 30 auf eigene Initiative geschickt worden. Nähere Angaben zu den Absendern machte das Ministerium mit Hinweis auf den Datenschutz nicht. (x / Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)

Von den 52 Stellungnahmen zur Sterbehilfe, die beim BMG eingegangen sind, seien 30 auf eigene Initiative geschickt worden. Nähere Angaben zu den Absendern machte das Ministerium mit Hinweis auf den Datenschutz nicht. (x / Foto: imago images / Müller-Stauffenberg)


Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht den Straftatbestand der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sucht nun eine Neuregelung, die auf möglichst breite gesellschaftliche Zustimmung stößt. Derzeit wertet sein Haus 52 Stellungnahmen zum Thema aus. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. 

Im April hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) 30 verschiedene Verbände und Institutionen sowie Wissenschaftler angeschrieben und um eine Stellungnahme zum Thema Sterbehilfe gebeten. Denn seit Ende Februar dieses Jahres ist klar: Der 2015 eingeführte Straftatbestand der geschäftsmäßigen Sterbehilfe ist Geschichte. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn für verfassungswidrig erklärt. Dennoch: Einen freien Markt für Sterbehelfer will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht. Und er will auch nicht, dass der Staat – in Gestalt des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – beim Suizid hilft.

Doch wie kann eine künftige Regelung aussehen? Und wie läuft der Meinungsbildungprozess bislang? Das interessiert die FDP-Bundestagsfraktion – und hier insbesondere die Rechts- und Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr. Ihr ist es schon seit langem ein Dorn im Auge, dass das BMG das 2017 gefällte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe nicht beachten will, sondern das BfArM sogar trotz dieses Urteils angewiesen hat, Anträge von Suizidwilligen, die Natrium-Pentobarbital erwerben wollen, abschlägig zu bescheiden. Führt nun das Urteil der Bundesverfassungsrichter doch noch zu einer Wende? Helling-Plahr und ihre Fraktion hakten auch hierzu mit einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nach.

Nun liegt die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Sabine Weiss (CDU), vor. Sie verweist in der Vorbemerkung zunächst darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 
26. Februar einen Rahmen aufgezeigt hat, innerhalb dessen sich eine gesetzliche Regelung bewegen kann. Dem Gesetzgeber steht demnach „in Bezug auf das Phänomen organisierter Suizidhilfe ein breites Spektrum an Möglichkeiten offen. Sie reichen von der positiven Regulierung prozeduraler Sicherungsmechanismen, etwa gesetzlich festgeschriebener Aufklärungs-  und Wartepflichten, über Erlaubnisvorbehalte, die die Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten sichern, bis zu Verboten besonders gefahrträchtiger Erscheinungsformen der Suizidhilfe entsprechend dem Regelungsgedanken des § 217 StGB. Sie können mit Blick auf die Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter auch im Strafrecht verankert oder jedenfalls durch strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen abgesichert werden 
(...)“.

Sichtung der Stellungnahmen dauert noch an

Weiss erklärt, dass die Entwicklung eines solchen legislativen Schutzkonzepts einer sorgfältigen Prüfung aller vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Anforderungen erfordere. Hierfür seien vertiefte Diskussionen im Parlament und auch innerhalb der Bundesregierung notwendig. Um einen breiten Austausch über eine eventuelle Neuregelung der Suizidhilfe zu befördern, habe das BMG frühzeitig praktische und wissenschaftliche Expertise und Erfahrungen von verschiedenen führenden Fachgesellschaften, Verbänden, Kirchen und Sachverständigen aus den Bereichen Palliativmedizin, Ethik, Suizidprävention und Rechtswissenschaften, die bereits im Austausch mit dem BMG standen, eingeholt. „Die Sichtung der Vielzahl der eingegangenen Stellungnahmen im BMG dauert noch an.“

Helling-Plahr: BMG setzt Ausreden- und Hinhaltetaktik fort

Konkret sind es 52 Stellungnahmen, die im BMG eingegangen sind. Davon seien 30 auf eigene Initiative geschickt worden. Nähere Angaben zu den Absendern machte das Ministerium mit Hinweis auf den Datenschutz nicht. Eine davon war jedoch von der Bundesapothekerkammer (BAK). Hier ist man beim heiklen Thema Sterbehilfe sehr zurückhaltend. Deutlich machte die BAK aber, dass man Apotheken nicht zur Abgabe einer Chemikalie wie Natrium-Pentobarbital zum Zwecke der Selbsttötung verpflichten dürfe. Genauso wenig dürfe der Apotheker als Berater im Vorfeld der Entscheidung eines Suizidwilligen eingebunden werden. Die BAK findet vielmehr, der Staat sollte sich vorrangig darum kümmern, die Begleitung der Patienten in der Palliativversorgung zu verbessern.

Helling-Plahr: Neue Ausreden für Spahns Untätigkeit

Helling-Plahr (FDP) ist mit den Antworten aus dem Ministerium, die häufig auf die Vorbemerkung verweisen und wenig konkret sind, unzufrieden: „Die Bundesregierung setzt ihre Ausreden- und Hinhaltetaktik fort und verweigert klare Aussagen. Die Frage, wie lange die Auswertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts noch andauern wird, lässt das BMG lieber unbeantwortet. Zugleich wird bereits eine neue Ausrede für Minister Spahns Untätigkeit konstruiert – diesmal: Diskussionsbedarf innerhalb der Bundesregierung. Spahns Missachtung höchstrichterlicher Rechtsprechung scheint dort nicht nur Achselzucken hervorzurufen.“

Die Liberale bemängelt bereits die Auswahl der von Spahn um Stellungnahme gebetenen Akteure. Von einem „breiten Austausch“ kann nicht die Rede sein. „Es ist offensichtlich, dass vor allem Vertreter, die sich bereits öffentlich gegen eine Liberalisierung der Sterbehilfe positioniert haben, angehört werden oder wurden“, so Helling-Plahr. Für sie bleibt das Fazit: „Es ist offensichtlich, dass Minister Spahn sich die Dinge hinbiegt, wie es grade passt, nur um seine starrköpfige Haltung zu untermauern.“ Dabei seien gerade jetzt Transparenz und eine offene Debatte das Gebot der Stunde. „Beides wird leider weiterhin von der Bundesregierung mit allen Mitteln behindert und verschleppt.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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