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Eine Fettleber kommt weit häufiger durch falsche Ernährung als durch Alkohol. Hauptübeltäter sind die Kohlenhydrate, auch Fructose. Sollte man besser auf Obst verzichten? Was ist beim Kaffeetrinken zu beachten und welche Rolle spielt das Mikrobiom? DAZ.online hat mit Professor Martin Smollich über seinen Interpharm Online-Vortag „Angriff auf die Leber – Wie Ernährung die Leber schädigt und was Lebensstilwandel bewirken kann“ gesprochen. Ist es überhaupt notwendig, gegen eine Krankheit, die durch geeignete Ernährung kausal verhindert werden kann, Arzneimittel zu entwickeln?
DAZ.online: Bei der Diagnose „Fettleber“ mag man sofort schlicht einen zu hohen Alkoholkonsum unterstellen. Doch in der Tat ist eine nicht-alkoholische Fettleberkrankheit (NAFLD) sogar öfter zu beobachten, sie ist sogar die häufigste Lebererkrankung der westlichen Welt. Was sind da die Ursachen – kommt das Fett der Leber vom Fett aus der Nahrung? Oder sind wir „machtlos“, können uns zurücklehnen, weil einfach die Gene schuld sind?
Smollich: Hauptursache der NAFLD ist zunächst einmal die hyperkalorische Ernährung – also eine Ernährungsform, bei der mehr Energie zugeführt wird als benötigt. Allerdings sind vor diesem Hintergrund die metabolischen Effekte der einzelnen Lebensmittelgruppen unterschiedlich. Tatsächlich tragen nämlich vor allem Zucker und daraus resultierend die Insulinresistenz zur Entstehung der NAFLD bei.
DAZ.online: Welche Rolle spielt Fructose?
Smollich: Eine hohe Fructosezufuhr bewirkt, dass diese nicht vollständig im Dünndarm resorbiert werden kann. Sie „schwappt“ dann in den Dickdarm („Fructose-Spillover“ genannt), wo sie die Zusammensetzung des Darmmikrobioms ungünstig beeinflusst. Es kommt zu einer proinflammatorischen Dysbiose, was sich über die sogenannte Darm-Leber-Achse direkt auf den Leberstoffwechsel auswirkt. Daneben besitzt Fructose in der Leber noch einen ganz spezifischen Effekt: Sie aktiviert über epigenetische Mechanismen die Lipogenese, was direkt zur Leberverfettung beiträgt.
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DAZ.online: Darf man sodann kein Obst mehr essen?
Smollich: Die Warnung vor „zu viel Fructose“ sollte nicht dazu führen, dass zuerst der Obstkonsum eingeschränkt wird. Ein großer Teil der Fructose wird nämlich gar nicht über frisches Obst, sondern über Säfte oder Fruchtjoghurts aufgenommen. Wenn man Obst konsumiert, kann man Sorten bevorzugen, die vergleichsweise wenig Fructose enthalten: Beispielsweise enthalten Äpfel ungefähr doppelt so viel Fructose wie Bananen. Auch das rasche Anfluten von Fructose aus Säften oder Smoothies ist eher ungünstig, weil dadurch die Resorptionskapazität im Dünndarm rascher überschritten wird. Rohkost ist dagegen ballaststoffreicher und deshalb günstiger. Nebenbei: Die DGE-Empfehlung „five a day“ wird von vielen als „fünf Portionen Obst oder Gemüse pro Tag“ aufgefasst. Dabei sollte es so sein, dass maximal zwei dieser fünf Portionen Obst sind – unter anderem wegen der Fructose.
DAZ.online: Woran merkt der Patient, dass seine Leber verfettet?
Smollich: Das Heimtückische an der NAFLD ist, dass der Betroffene über die ersten Jahre bis Jahrzehnte nichts davon merkt. Die Leber leidet still. Dies erklärt auch, warum die Prävalenz der NAFLD in Deutschland so außerordentlich hoch ist (ca. 30 Prozent), die meisten Menschen aber noch nie etwas davon gehört haben. Meist handelt es sich um Zufallsdiagnosen oder um die Ultraschallbestätigung eines klinischen Verdachts: Gerade bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, Adipositas oder metabolischem Syndrom ist eine NAFLD eher die Regel als die Ausnahme. Treten dagegen irgendwann doch leberspezifische Symptome wie erhöhte Leberwerte, Müdigkeit oder gar Schmerzen auf, ist der Prozess der NALFD schon weit fortgeschritten. Am Ende der Progression können Leberzirrhose und hepatozelluläre Karzinome stehen.
Heimtückische Attacken erfolgreich abgewehrt
Prof. Dr. Martin Smollich
Freitag, 25. September 2020; 10:05 Uhr Wissenschaftlicher eKongress
DAZ.online: Auch wenn das Nahrungsfett nicht (allein) schuld an der Entwicklung einer NAFLD ist, so ist Adipositas dennoch ein Risikofaktor – ist ein schlanker Mensch gefeit vor einer nicht-alkoholischen Fettleber?
Smollich: Nicht unbedingt. Circa 5 bis 10 Prozent der NALFD-Patienten sind nicht übergewichtig. Trotz normalem BMI und normalem Bauchumfang haben sie hohe Anteile an viszeralem Fett. Diese Konstellation wird häufig als TOFI bezeichnet – thin outside, fat inside. Die Pathophysiologie dahinter ist noch nicht ganz geklärt.
DAZ.online: Ein Arzneimittel gegen NAFLD ist bislang nicht zugelassen, Obeticholsäure und der duale PPARα/δ-Agonist Elafibranor gelten als vielversprechend. Was halten Sie davon?
Smollich: Es gibt zahlreiche laufende Studien auf der Suche nach einer pharmakologischen Therapie der NAFLD. Bislang ist allerdings offen, ob es einer der Kandidaten in die klinische Praxis schaffen wird. Denn: Die Pathogenese der NAFLD ist sehr komplex und es ist eher unwahrscheinlich, dass die Monotherapie mit einem spezifischen Arzneistoff hier wirksam sein kann. Viel wichtiger ist eigentlich sich (bzw. den Betroffenen) klar zu machen, dass die NAFLD in aller Regel eine ernährungsbedingte Krankheit ist, die durch geeignete Ernährung kausal verhindert und in Frühstadium auch komplett geheilt werden kann.
DAZ.online: Was kann der NAFLD-Patient selbst tun? Gibt es Nahrungsmittel, die man meiden sollte?
Smollich: Entscheidend für die NAFLD-Pathogenese – und damit auch für die Prävention und Therapie – ist der Lebensstil. Das bedeutet:
a) Körperliche Aktivität, um die muskuläre Insulinsensitivität zu verbessern – dabei reichen bereits sehr moderate Aktivitäten mit vier bis sieben Stunden pro Woche aus.
b) Körpergewichtsreduktion bei Übergewicht/Adipositas, was auf jeden Fall professionell durch spezialisierte Ernährungsfachkräfte begleitet werden sollte. Eine Low-Carb-Ernährung ist dabei vermutlich wirksamer als eine Low-Fat-Ernährung. Und bei adipösen NAFLD-Patient*innen zeigen sich positive Effekte bereits bei Gewichtsverlusten von 7 bis 10 Prozent.
c) Ernährungsoptimierung: Freie (= zugesetzte) Zucker minimieren, wo immer es geht, das gilt vor allem für Fructose. Der Anteil an Ballaststoffen, Proteinen und hochwertigen Ölen sollte erhöht werden, der Anteil der Kohlenhydrate sollte reduziert werden. Zur Erinnerung: Hauptursache der Fettleber sind Kohlenhydrate, die in der Leber zu Fett umgewandelt werden, nicht das mit der Nahrung aufgenommene Fett. Kohlenhydrate können verzehrt werden, sollten aber vorher durch körperliche Aktivität „verdient“ werden. Auf Softdrinks sollte möglichst komplett verzichtet werden, ebenso auf das „Snacking“, also das Essen zwischendurch. Günstig sind im Gegenteil Pausen von mindestens fünf Stunden zwischen den Mahlzeiten. Auch das sogenannte Intervallfasten kann sich günstig auf Entzündungsparameter und Insulinsensitivität auswirken.
DAZ.online: Zwei Tassen Kaffee pro Tag sollen sich positiv auswirken – warum?
Smollich: Tatsächlich kann man mindestens zwei Tassen Kaffee (eher mehr) aus Sicht der Leber empfehlen. Es gibt sehr viele Studien die zeigen, dass Kaffee sich günstig auf den Leberstoffwechsel, hepatische Entzündungsparameter und sogar auf die Prävalenz von Leberkrebs auswirkt. Dieser positive Kaffee-Effekt sollte allerdings nicht dadurch konterkariert werden, dass in jeder Tasse Kaffee noch löffelweise Zucker landet.
DAZ.online: Eine Frage darf bei Ihnen nicht fehlen – welche Rolle spielt das Mikrobiom?
Smollich: Die Interaktion von Darm-Mikrobiom und Leberstoffwechsel ist sehr komplex – und zwar so sehr, dass wir heute erst am Anfang der Forschung dazu stehen. Was wir heute wissen ist: Es gibt eine wechselseitige Kommunikation zwischen Darm und Leber, an der auch von Darmbakterien gebildete Metaboliten zentral beteiligt sind. Viele Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Ernährung, Dysbiose im Darm, systemischer Inflammation und NAFLD-Progression. Ob sich hieraus therapeutische Ansätze ableiten lassen, weiß aktuell noch niemand.
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