Superfood – Beratungswissen Teil 1

Acai-Beeren – das Amazonas-Wunder

Stuttgart - 04.09.2020, 17:50 Uhr

Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett. (Foto New Africa / stock.adobe.com)

Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett. (Foto New Africa / stock.adobe.com)


Die Fakten

Acai-Beeren sind die Früchte der Kohlpalme (Euterpe oleracea), die auch Jucara-, Assai-Palme oder Açaí genannt wird und vor allem am unteren Amazonas wächst. Im Ursprungsland Brasilien werden neben den Früchten auch die Palmherzen verzehrt. Sie spielen für die einheimische Bevölkerung einen wichtige Rolle in der Ernährung. Die 1 bis 1,4 cm großen, kugelförmigen und glänzenden Beeren haben im richtigen Erntestadium eine feine purpurrote – bei Vollreife fast schwarze – Haut, die von einer dünnen Wachsschicht überzogen ist. Der große, kugelförmige Kern der Beere wird nach der Ernte entfernt. Gegessen wird das übrig bleibende Fruchtfleisch beziehungsweise die Haut der Beere. Reife Acai-Beeren sind ein wenig mit Oliven vergleichbar, denn sie bestehen zu fast 50 Prozent aus Fett, unter anderem Ölsäure und Linolsäure. Der Zuckeranteil ist relativ gering. Die „Wunderwirkung“ wird dem hohen Anthocyan-Gehalt der reifen Beeren zugeschrieben. Als vorteilhaft gelten auch die in Acai-Beeren enthaltenen fettlöslichen Vitamine (D und E) sowie der Mineralstoff-, vor allem Calciumgehalt. Eher problematisch ist dagegen eine nachweislich hohe Menge an Mangan, die sich im Fruchtmark, auch Pulpe genannt, nachweisen lässt.

Der Geschmack der Beeren und des Saftes wird als fettig, erdig und adstringierend beschrieben. In Südamerika geerntete Beeren überstehen nicht den Transport nach Europa. Deswegen werden sie für den Export zunächst hitzebehandelt, um Keime zu vernichten. In den Handel kommen gefriergetrocknetes Pulver, das auch zu Kapseln weiterverarbeitet wird, sowie Püree oder Saft aus verdünntem Fruchtmark. Roh verzehrte Acai-Beeren gelten in Südamerika als häufige Ursache von Infektionen mit Trypanosoma cruzi, dem Erreger einer Parasitose, die mit Gesichtsödemen und Lymphknotenschwellungen einhergeht.

Ernüchternde Bewertung 

Die Einschätzung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zerstört viele Illusionen: Mit handelsüblichen Acai-Produkten wird – unter Berücksichtigung der empfohlenen Tagesverzehrsmenge – in den meisten Fällen keine ernährungsphysiologisch relevante Menge an Anthocyanen aufgenommen. Dagegen warnen die Verbraucherschützer vor möglichen Vergiftungserscheinungen durch eine zu hohe Mangan-Zufuhr, vor allem durch Acai-Säfte. Durch deren Verzehr kann der von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde festgelegte Mangan-Grenzwert pro Tag (11 mg für Erwachsene) überschritten werden. Auch Wechselwirkungen mit Arzneimitteln oder allergische Reaktionen sind gerade bei exotischen Lebensmitteln nie auszuschließen. Auch können Acai-Produkte mit Schadstoffen belastet sein, die in den dieselbetriebenen Trocknungsanlagen im Erntegebiet übertragen wurden.

Keine einzige der im Internet beschriebenen Wirkungen der Acai-Produkte auf Gewichtsabnahme, sexuelle Stimulation, Verjüngung, Heilung von Krankheiten etc. ist wissenschaftlich belegt. 

Acai-Zubereitungen in Pulver-, Püree- und Kapselform haben ihren Preis: Man kann die vielen verschiedenen Handelspräparate schwer vergleichen, man findet 100 g Pulver ab 12 Euro, dann wieder 500 g Pulver für 9 Euro oder auch für 30 Euro. Bei Püree variieren Produkte, Preise und Versprechungen ebenso. Es fällt schwer, sich zu orientieren, und man fragt sich, wie die Preise zustande kommen. Acai-Kapseln enthalten als Zusatz Zahlen, die möglicherweise auf eine (hohe?) Dosierung hindeuten sollen, auch hier sind wirkliche Inhaltsstoffe, Qualität und Preisbildung schwer zu durchschauen. Wie lassen sich zum Beispiel Hinweise wie „Mit hochwertigem Acai-Extrakt, kein EINFACHES Acai-Pulver“ oder „hochdosierter Original-Beeren-Extrakt“ interpretieren?



Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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