Superfood – Beratungswissen Teil 1

Acai-Beeren – das Amazonas-Wunder

Stuttgart - 04.09.2020, 17:50 Uhr

Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett. (Foto New Africa / stock.adobe.com)

Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett. (Foto New Africa / stock.adobe.com)


Lieber Blaubeeren essen … 

Heidel- beziehungsweise Blaubeeren, Rotkohl, Schwarze Johannisbeeren, Holunderbeeren – diese heimischen Produkte stehen der Acai-Beere hinsichtlich ihres Gehalts an gesunden, sekundären Pflanzenstoffen in nichts nach. Sie enthalten reichlich Anthocyane, die im menschlichen Körper antioxidativ wirksam sind und freie Radikale binden können. In ökologischer Hinsicht sind regional produzierte Lebensmittel exotischen Importen unbedingt überlegen. Auch wenn die Herkunft von Acai-Produkten teilweise romantisierend beschrieben wird wie „aus Kleinbauern-Kooperationen stammend“, „hochwertige, kontrollierte Bioqualität“ oder „im Rainforest wild geerntet“, so täuscht doch nichts darüber hinweg, dass sie lange Transportwege hinter sich haben, bis sie in Europa landen.

Aus ernährungsphysiologischer Perspektive ist die Einnahme konzentrierter Nahrungsbestandteile in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ohnehin sehr umstritten. Wer sich gesund ernähren möchte, hat mehr Gewinn davon, wenn er seinen täglichen Verzehr an Makronährstoffen (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Alkohol) weitgehend optimiert. Dann stimmen die meisten Mikronährstoffe automatisch. Das ist zwar mühsamer, auf Dauer aber erfolgreicher.

Gesetz, Werbung und Beratung 

Die  Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit verbietet in ihrer Health-Claims-Verordnung die Werbung mit „Superfood“ oder ähnlichen Begriffen, die den Verzehr von Produkten mit gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung bringen. Gesundheitsbezogene Angaben müssen in der EU zugelassen werden – nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchstmöglichem Niveau. 

Geschäftstüchtige Vertreiber finden trotz allem jede Menge Möglichkeiten, auch umstrittenen Produkte mit kommunikativen Tricks einen gesunden und damit unverzichtbaren Anstrich zu geben. In Online-Shops, Meinungsportalen, Direkt-Mailings, zweifelhaften Anzeigen usw. werden Heilsversprechen gegeben, die keiner Überprüfung standhalten würden. Oft werden persönliche Erfahrungen als Beleg für die Wirksamkeit angeführt, was bei vielen Verbrauchern leider die Glaubwürdigkeit erhöht. Verbraucherschützer beklagen diese Missstände schon lange. Offenbar ist es aber schwierig oder unmöglich, den trickreichen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Das Bedürfnis der Menschen nach Wundermitteln ist auch im 21. Jahrhundert kaum stillbar. Als PTA oder Apotheker steht man bei der Beratung oft zwischen zwei Stühlen: dem eindringlichen, aber irrationalen Kundenwunsch – und dem eigenen naturwissenschaftlichen Anspruch. Es verlangt Selbstbewusstsein und kommunikative Kompetenz hier einen Weg zu gehen, der dem Image der Apotheke ebenso gerecht wird wie der Entscheidungsfreiheit des Kunden.

Auf einen Blick

  • Die aus dem Amazonasgebiet stammenden Acai-Beeren sind in reifem Zustand ein wenig mit Oliven vergleichbar. Das Fruchtfleisch enthält fast 50 Prozent Fett.
  • Acai-Beeren enthalten Anthocyane, die fettlöslichen Vitamine D und E sowie Mineralstoffe, vor allem Calcium. Ihre wissenschaftlich nicht bewiesenen, angeblichen Wirkungen werden ihrem antioxidativen Potenzial zugeschrieben.
  • Durch den Verzehr von Acai-Beeren kann der von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde festgelegte Mangan-Grenzwert pro Tag überschritten werden.


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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