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Die ABDA freut sich, dass es bald mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz weitergehen soll. Aber vielleicht sollte sie doch noch mal auf zwei erfahrene Juristen hören, die massive Schwächen im Gesetz entdeckt haben, Schwächen, die einigen juristischen Schlamassel ahnen lassen. Das muss den Politikern nahegebracht werden. Und auch das Makelverbot ist nicht so sicher wie geglaubt: Die Rechtsexperten haben festgestellt, dass der Token, also der eigentliche Zugriffscode aufs Rezept, vom Makelverbot gar nicht erfasst wird! Ebenfalls rechtlich unsicher: Es gibt zwar einen Corona-Antikörpertest, der über Apotheken verkauft werden soll, aber die Apotheken dürfen dies nicht. Sagt die ABDA. Und das BMG sieht’s anders. Was nun? Das einzige, was bei der ABDA klar ist: Ihre neue Spitze in spe steht fest.
31. August 2020
Es gab zwar schon länger Gerüchte, letzte Woche war’s noch nicht publik, aber jetzt: Auch der Dritte an der ABDA-Spitze, Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, wird sich nicht mehr zur Wahl stellen. Und somit wird sich dann im Spätherbst eine neue ABDA-Spitze wählen lassen, deren Kandidatinnen und Kandidaten bereits so gut wie feststehen — Alternativen gibt es bisher nicht: Gabriele Regina Overwiening als ABDA-Präsidentin und Thomas Benkert als Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK). Für den Posten auf den Vize-Sessel der BAK hat sich nun die hessische Kammerpräsidentin Ursula Funke gemeldet und ihr „Ich-kandidiere“ verlauten lassen. Und – ganz neu – Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbands, möchte Chef des Deutschen Apothekerverbands werden. Dittrich gehört bisher bereits zum geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Apothekerverbands und kennt somit das Geschäft in diesem Verein. Zeitweise wurde auch mal Hans-Peter Hubmann, Vize-Chef des Deutschen Apothekerverbands, als Becker-Nachfolger gehandelt, aber er möchte doch lieber wieder für das Amt des Stellvertreters antreten. Mein liebes Tagebuch, also, alles ganz kuschelig, alles gemütlich, harmonisch und überschaubar. Alle haben sich lieb und können miteinander. Und wir werden mit den neuen Kandidatinnen und Kandidaten leben können. Undemokratisch ist das alles nicht, immerhin wird noch „gewählt“, d.h. die Wahlberechtigten werden ihr Votum dazu abgeben. Aber mal ehrlich, eine spannende Wahl sieht anders aus. Warum wagen sich keine anderen Kandidatinnen und Kandidaten aus der Deckung? Warum tritt keine weitere Apothekerin, kein weiterer Apotheker zur Wahl an, um unsere Berufspolitik in spannenden Zeiten mitzugestalten? Es sollte doch noch ein paar aktive Köpfe mehr in unseren Reihen geben, die sich zutrauen, mit guten und frischen Ideen Berufspolitik zu machen! Fällt uns da nicht noch der eine oder die andere ein?
Die Plattformeritis greift um sich. Die Initiative Pro AvO und der Pharmagroßhändler Phoenix wollen mit ihrem Joint Venture der Plattformen noch eins drauf setzen und gemeinsam sogar eine Mega-Plattform schaffen. Und „Mega“ soll wirklich „Mega“ bedeuten: Man will es mit der Konkurrenz aufnehmen. Und das ist nicht unbedingt die kleine Konkurrenz der anderen Plattformanbieter in Deutschland, sondern die Konkurrenz aus Übersee, sprich Amazon oder Alibaba und andere. Mit der Mega-Plattform schwebt dem Sanacorp-Geschäftsührer Frank Hennings und dem Phoenix-Deutschland-Chef Marcus Freitag eine Branchenlösung vor, die für alle Unternehmen und Institutionen im Apothekenmarkt offen stehen soll. Mein liebes Tagebuch, und damit meinen die beiden, dass dies nicht nur die Arzneimittelversorgung ist. Ihnen schwebt eine ganzheitliche Lösung für den Endverbraucher vor, d.h. auch Zugang zu anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Mega eben. Und da fragt man sich, welche Rolle spielt dann die kleine Apotheke vor Ort auf dieser Plattform? Wir werden sehen. Immerhin sagen beide: Man sei davon überzeugt, „dass sich Märkte verändern und wir gemeinsam versuchen müssen, die Arzneimittelversorgung nach wie vor durch die Apotheken zu garantieren“. Was sie auch im DAZ-Interview sagen – und das hört und liest man doch immer gerne: „Wir sind davon überzeugt, dass die aktuelle Versorgung durch die Apotheke vor Ort qualitativ kaum zu toppen ist. Die Schnelligkeit und die persönliche Bindung sind nicht zu schlagen.“ Und die E-Rezepte in Deutschland wollen sie bei der Apotheke vor Ort halten. Mein liebes Tagebuch, da sind sicher überlegenswerte Ansätze dabei, allerdings wird sich zeigen, wie man die Apotheken vor Ort da einbindet. Manager Marcus Freitag sagt: „Ich bin davon überzeugt, dass unser Vorgehen alternativlos ist.“ Mein liebes Tagebuch, sind nicht auch andere Plattform-Anbieter davon überzeugt, das ihr Vorgehen alternativlos ist?
1. September 2020
Wow, es gibt einen neuen Antikörpertest für Zuhause. Mit dem Test „AProof“ der Firma Adversis Pharma aus Sachsen soll der Laie einfach schnell und zuverlässig die Möglichkeit bekommen, festzustellen, ob bei ihm Corona-Antikörper nachweisbar sind, ob er also bereits mit SARS-CoV-2 infiziert ist. Und so geht’s: Ein paar Tropfen Blut auf einen Teststreifen geben und an ein Labor einschicken. Fertig. Das Ergebnis kann dann in Kürze online per individuellem Zugangscode abgerufen werden. Hat was, mein liebes Tagebuch. Und wie kommt der Laie an diesen Test? Er geht in die Apotheke, legt 49 Euro auf den Tisch und schon hat er ihn. Wirklich? Wir sind doch in Deutschland – und da gibt’s doch für alles Bedenken und Hürden. So auch hier. Also, die Frage: Dürfen Apotheken dieses Set überhaupt verkaufen, ohne juristisch belangt zu werden? In-vitro-Diagnostika sind nämlich nicht für den Verkauf in Apotheken zugelassen. Die ABDA äußert sich schon mal skeptisch dazu: Wenn dieser Test unter die Definition In-Vitro-Diagnostikum i.S.d. § 3 Nr. 4 MPG fällt, darf er nicht in Apotheken verkauft werden. Ja, und? Verstößt er dagegen? Die Apothekerkammer Sachsen will es bereits ganz sicher wissen und verkündet: Apotheken dürfen auch weiterhin keine Covid-Antikörpertests abgeben. Aber das Bundesgesundheitsministerium meint dagegen, dass hier dem Laien nur ein Probeentnahme-Set zur Verfügung gestellt werde… und hier stünde die Medizinprodukteabgabeverordnung dem nicht entgegen. Tja, mein liebes Tagebuch, was nun? Was darf die Apotheke nun wirklich und was nicht? Die ABDA legt nach: „Apotheker dürfen an Endverbraucher keine Corona-Schnelltests abgeben“. Ordnungswidrigkeit! Geldbuße! Es ist zum Haare raufen, mein liebes Tagebuch. Man könnte mit solchen Tests doch wirklich einen guten Beitrag zu mehr Transparenz, Gewissheit und Vorsicht leisten. Jeder Laie stellt sich die Frage: Was ist da so schlimm daran, wenn die Apotheke ein Testset verkauft. Ein paar Tropfen Blut auf einen Teststreifen geben und einsenden – die Auswertung liegt in den Händen der Fachleute – wo ist das Problem? Die ABDA verweist zwar darauf, dass sich die Rechtslage durchaus ändern ließe – das Robert Koch-Institut müsste lediglich eine kleine Änderung der Medizinprodukteabgabeverordnung vornehmen. Und wir fragen uns: Warum setzt sich die ABDA nicht deutlich dafür ein?
2. September 2020
Na, tut sich da etwa doch noch was in Sachen Botendienst-Honorar? Die jüngste Meldung, wonach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigt habe, eine Verlängerung der derzeitigen Botendienst-Vergütung, wie sie jetzt in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung geregelt ist, über den 30. September hinaus prüfen zu wollen, macht ein klein, klein wenig Hoffnung. Also, lieber Herr Spahn, bitte prüfen Sie, wohlwollend und bitte rasch. Wir Apothekers wollen doch auch weiterhin in Corona-Zeiten zuverlässig und sicher unsere Patienten versorgen und ihnen die Arzneien, wenn gewünscht, nach Hause bringen. Das 5-Euro-Honorar für den Botendienst lindert ein klein wenig unsere gestiegenen Betriebskosten! Eine Verlängerung würde auch ein kleines Zeitfenster bringen, nochmal darüber nachzudenken, wo und wie denn unser zukünftiges Botendienst-Honorar verankert werden soll. Ob das wirklich im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sein muss?
3. September 2020
Apropos Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG): Auch wenn die ABDA alle ihre Hoffnungen auf eine baldige Verabschiedung des VOASG setzt (am 11. September soll das Gesetz im Bundestag beraten werden) – ganz so freudig sehen wir das nicht, mein liebes Tagebuch, denn der Gesetzentwurf hat massive Schwächen. Darauf weisen die Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand und Prof. Dr. Hilko Meyer in einer kritischen Analyse in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel & Recht“ hin. Der Hauptkritikpunkt ist die Streichung § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG), mit dem die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel auf ausländische Anbieter übertragen wird. Mit der Streichung ergibt sich viel Interpretationsspielraum! Die beiden Juristen erwarten nach Inkrafttreten des VOASG weitere langwierige Auseinandersetzungen und auf absehbare Zeit kein Ende der Inländerdiskriminierung zulasten der deutschen Apotheken. Mein liebes Tagebuch, das kann noch richtig heiter werden – das Schlamassel beginnt dann erst.
4. September 2020
Übrigens, die beiden Rechtsexperten Mand und Meyer haben sich auch das Patientendatenschutzgesetz (PDSG) genauer angesehen und eine bedrohliche Lücke beim Zuweisungs- und Makelverbot für E-Rezepte entdeckt, das im PDSG verankert ist. Dieses Verbot könnte leicht ausgehebelt werden, so die Juristen, denn die Trennung zwischen E-Rezept und dessen Zugriffscode, dem E-Rezept-Token, ist nicht zu Ende gedacht. Sie haben festgestellt: Die gesetzlichen Sicherheitsregeln für die Speicherung und den Transport würden sich nur auf das E-Rezept beziehen, das sich innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) befindet. Sie würden aber nicht für den Token gelten, den der Patient außerhalb der TI nach Belieben weiterleiten könne. Mein liebes Tagebuch, das würde bedeuten, dass man mit dem Token, der praktisch der Schlüssel zum E-Rezept ist, makeln und ungeschützt handeln könnte. Die Gematik selbst erklärt dazu: "E-Rezept-Token, die außerhalb der TI transportiert werden, können durch die TI nicht geschützt werden.“ Na, mein liebes Tagebuch, und schon könnte sich das Makelverbot in Luft auflösen. Wer den Token hat, hat das E-Rezept. Das lassen sich DocMorris und Co. nicht zweimal sagen. Also, ganz dringend: Zuweisungs- und Makelverbote müssen den Token mit einbeziehen. Da muss unbedingt nachgebessert werden.
5. September 2020
Zwei Apotheker haben uns in dieser Woche verlassen, die sich in den Organisationen, in denen sie tätig waren, mit großem Engagement für uns, für den Apothekerberuf und die Pharmazie eingesetzt haben. Nach schwerer Krankheit ist Dr. Andreas Kiefer (59), Präsident der Bundesapothekerkammer und der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz, gestorben. Und vollkommen unerwartet ist Dr. Michael Stein (57), Geschäftsführer der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, verstorben. Beide viel zu jung. Beide waren Apotheker, die sich mit Leidenschaft, mit Herzblut und mit Humor für unseren Beruf eingesetzt haben. Danke für alles!
12 Kommentare
Weil halt - Wählt halt
von Dr. Christian Redmann am 08.09.2020 um 15:24 Uhr
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Liquidierung
von Wolfgang Müller am 06.09.2020 um 19:52 Uhr
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AW: Liquidierung
von Heiko Barz am 07.09.2020 um 20:11 Uhr
Trauer um den frühen Tod zweier Kollegen
von Elisabeth Thesing-Bleck am 06.09.2020 um 8:52 Uhr
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Alternativlos !
von Ulrich Ströh am 06.09.2020 um 8:29 Uhr
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AW: Alternative - fertig: Los...!!
von Gunnar Müller, Detmold am 06.09.2020 um 18:26 Uhr
AW: Alternativlos
von Gerd Hartmann am 06.09.2020 um 20:14 Uhr
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von Anita Peter am 06.09.2020 um 8:21 Uhr
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Masche
von Karl Friedrich Müller am 06.09.2020 um 8:13 Uhr
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AW: Masche
von Heiko Barz am 06.09.2020 um 13:24 Uhr
AW: Masche
von Karl Friedrich Müller am 06.09.2020 um 15:08 Uhr
AW: Kabarett
von Holger am 07.09.2020 um 11:26 Uhr
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