Insolvenzverfahren

AvP-Verträge: Die Tücke im Detail

Stuttgart - 17.09.2020, 17:00 Uhr

Die Verträge zwischen AvP und Apotheken unterschieden sich im Detail. (x / Foto: DAZ.online)

Die Verträge zwischen AvP und Apotheken unterschieden sich im Detail. (x / Foto: DAZ.online)


Wie steht es um die Konten beim insolventen Apothekenrechenzentrum AvP? Bevor es darauf eine konkrete Antwort geben kann, muss der seit gestern eingesetzte Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos erst einmal die aktuelle Lage sondieren. Hoos wird sich im folgenden Verfahren damit auseinandersetzen, ob sich die Abrechnungsgelder eindeutig den betroffenen Apotheken zuordnen lassen oder nicht. Ein Blick in die jeweiligen Verträge zeigt allerdings schon jetzt: AvP hat mit den Apotheken ganz unterschiedliche Vereinbarungen getroffen.    

Die Insolvenz des privaten Rechenzentrums AvP trifft Tausende Apotheken, doch auch Krankenhausambulanzen, sonstige Leistungserbringer und Ärzte zählen zum Kundenkreis. Der Finanzskandal könnte also noch weitaus größere Dimensionen annehmen, als aktuell überschaubar. Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos von der Kanzlei White & Case wurde vom Amtsgericht Düsseldorf am gestrigen Mittwoch zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Gemeinsam mit dem von der Bankenaufsicht BaFin eingesetzten Geschäftsleiter Ralf Bauer prüft er aktuell, ob eine Fortführung des Unternehmens im Ganzen oder in Teilen möglich ist.

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Nach wie vor herrscht Unruhe in der Branche: Das vorläufige Aus eines Rechenzentrums war für die meisten Apotheker wohl bis vor kurzem unvorstellbar. Deutlich wird, wie groß die Abhängigkeit vom jeweiligen Anbieter ist. Durch die eingefrorenen Geldströme bei AvP ergeben sich empfindliche Liquiditätsengpässe in den einzelnen Betrieben. Nicht wenige Apothekeninhaber fürchten um ihre Existenz. Vor allem aber drehen sich momentan sowohl Spekulationen als auch Expertenmeinungen um die Frage: Wie steht es um die Konten beim insolventen Apothekenrechenzentrum AvP? Handelt es sich um klassische, eindeutig zuordenbare Treuhandkonten – wie sie auch bei Mietkautionen üblich sind – oder drohen die Gelder in die Insolvenzmasse von AvP zu fallen?

Treuhandkonto auf Grundlage welcher Vereinbarung?

Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der zahlreiche Apotheker in dieser Krise vertritt, machte gestern Hoffnung: „Die Gelder liegen bei AvP auf sogenannten Treuhandkonten und sollten daher nicht in die Insolvenzmasse fallen“, schrieb er. Wenig später – in einer weiteren Mitteilung – ließ er durchblicken, dass diese Frage kurzfristig nicht eindeutig zu beantworten ist: „Es wird darüber spekuliert, ob das Geld auf einem sicheren Treuhandkonto liegt oder nicht.“

Dr. jur. Rainer Eckert 
(Foto: ECKERT 
Rechtsanwälte)

Dass man das Abrechnungsvolumen von den eigenen Betriebsmitteln des jeweiligen Rechenzentrums separiert und im Insolvenzverfahren als eigenständiges Vermögen behandeln muss, scheint für die meisten in der Branche eine Selbstverständlichkeit zu sein. Doch gerade im Fall von AvP zeigt sich, dass die Vereinbarungen mit den Apotheken offenbar sehr unterschiedlich getroffen wurden. Dr. Rainer Eckert, Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Hannover, hat in den vergangenen Tagen die unterschiedlichen Verträge analysiert, die AvP mit Apotheken, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern geschlossen hat. Sein erstes Fazit: „Bemerkenswert ist: AvP hat verschiedene Vereinbarungen mit den Kunden geschlossen. Das macht die Aufarbeitung für die Betroffenen nur umso schwerer. Denn: Dies zieht in jedem Fall eine individuelle Prüfung der Frage nach sich, welche Qualität die Separierung von Kundengeldern hat.“

Unterschiedliche AGB

Nach Informationen von DAZ.online gibt es offenbar eklatante Unterschiede in den AvP-Verträgen. Dabei gibt es im § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingung je nach Vertrag ganz unterschiedliche Formulierungen, an denen sich entscheiden könnte, wie die Rezeptumsätze der jeweiligen Apotheke gehandhabt wurden.

So heißt es in einem Vertrag:


Die AvP unterhält bei Geldinstituten zum Ausgleich der Forderungen der Apotheke ein eindeutig durch das Institutionskennzeichen der Apotheke bestimmtes, für die Kunden des jeweiligen Abrechnungskreises (IK) einheitliches Konto.“

§ 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen


In einem anderen Vertrag, der DAZ.online vorliegt, ist die Formulierung folgendermaßen:


Die AvP unterhält zum Ausgleich der Apotheken-Forderungen bei einem Geldinstitut ein für alle Kunden einheitliches Fremdgeldkonto.“

§ 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Anm. d. Red.: Mit Fremdgeldkonto ist ein Treuhandkonto für alle AvP-Kunden gemeint.


AvP hat mit den Apotheken offenbar Verträge auf der Basis von ganz unterschiedlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen. Unklar bleibt, wie AvP die Gelder dann in der Realität tatsächlich verwaltet hat. Lässt sich für den Insolvenzverwalter eine klare Linie zwischen Abrechungsvolumina der Leistungserbringer untereinander und im Hinblick auf die Betriebsmittel von AvP ziehen? Der renommierte Insolvenzrechtler Eckert dazu: „Für den Fall, dass fremdes Vermögen ausgesondert werden muss, kann es sinnvoll sein, dass sich Kunden in einem Kundenpool zusammentun. So können die Kunden dem großen Problem begegnen, dass sich einzelne Beträge nicht zuordnen lassen.“ Heißt konkret: Eckert rät den AvP-Kunden gemeinsam für die Herausgabe ihres Geldes zu streiten – zumindest bei den Kunden, für die AvP kein einzelnes Treuhandkonto eingerichtet hat (siehe § 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen).



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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