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Biozid-Verordnung
Wettbewerbszentrale geht gegen Desinfektionsmittel-Hersteller vor
Umweltfreundlich, natürlich oder gar für Babys und Kleinkinder geeignet – wie Hersteller von Desinfektionsmitteln während der Coronavirus-Pandemie für ihre Produkte werben, ist zum Teil abenteuerlich. Einige von ihnen schießen dabei über das Ziel hinaus, meint die Wettbewerbszentrale. In elf Fällen ist sie gegen die Produzenten vorgegangen.
Mit leeren Schubladen sind Apotheker vertraut – zu Beginn der Coronavirus-Pandemie wurden jedoch vor allem Desinfektionsmittel knapp, die Preise im Internet explodierten. Einige Hersteller nutzten diesen Umstand, um ihre Produkte besonders offensiv zu bewerben. Das rief die Wettbewerbszentrale auf den Plan.
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In elf Fällen beanstandete die Wettbewerbszentrale die Werbeaussagen im Internet oder die Etiketten, informiert sie in einer Pressemitteilung vom gestrigen Mittwoch. In sechs Fällen führte das Einschreiten demnach zur Umstellung der Werbung, in zwei Fällen wurde eine Unterlassungsklage eingereicht und in drei weiteren Fällen läuft noch der Austausch mit den Unternehmen.
Für die Produktgruppe der Desinfektionsmittel gilt die Biozidverordnung, die sowohl für die Etiketten als auch die Werbung vorschreibt, mit welchen Aussagen nicht geworben werden darf. „So heißt es etwa in Artikel 69 der Verordnung, dass das Etikett hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier nicht irreführend sein dürfe“, schreibt die Wettbewerbszentrale. Angaben wie „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise sind gemäß Verordnung tabu. Vergleichbares gilt für die Werbung für solche Erzeugnisse. „Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass es sich bei Bioziden um Produkte handelt, die Schädlinge abtöten, damit aber auch negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können. Die Produkte sollen deshalb in der Werbung nicht verharmlost werden“, betont die Wettbewerbszentrale.
Aussagen mit Umweltbezug
Aussagen wie „bio“, „ökologisches Universal-Breitbanddesinfektionsmittel“, „es wirkt ganz natürlich“ und ähnliche umweltbezogene Hinweise wollten die Wettbewerbshüter nicht gelten lassen. Aber auch Aussagen wie „hautfreundlich“ seien irreführend bei Produkten, die Schädlinge abtöten sollen. „In einem Fall wurde sogar geworben mit der Angabe auf dem Produkt ‚für Babys und Kleinkinder geeignet‘ mit der Abbildung eines Schnullers“, moniert die Institution. „In einigen Fällen argumentierten die Unternehmen, dass Aussagen wie ‚augen-, haut- und schleimhautfreundlich‘ weder zu den ausdrücklich verbotenen Aussagen gehörten noch zu den genannten ‚ähnlichen‘ Hinweisen. Die Frage wird die Wettbewerbszentrale gerichtlich klären lassen, um Rechtssicherheit für die Branche herbeizuführen.“
Waren auch in Apotheken hergestellte Produkte betroffen?
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Desinfektionsmitteln nicht um harmlose Produkte handelt, ist ähnlich wie bei der Arzneimittelwerbung ein Warnhinweis vorgeschrieben: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen.“ Dieser Warnhinweis fehlte nach Angaben der Wettbewerbszentrale in der Werbung oft oder war an Stellen angebracht, an denen er nicht deutlich genug war, etwa am Ende der FAQs.
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Wie Rechtsanwältin Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, im Gespräch mit DAZ.online unterstrich, seien keine Produkte beanstandet worden, die in Apotheken hergestellt worden waren. Dies könne daran liegen, dass die Apotheken nicht so intensiv wie industrielle Produzenten für ihre Erzeugnisse geworben haben, vermutet sie. Es sei zudem davon auszugehen, dass sich die Pharmazeuten diesbezüglich regeltreu verhalten hätten.
Darauf sollten Apotheken achten
Wer allerdings in Flyern oder auf seiner Website für selbst hergestellte Desinfektionsmittel werben wolle, der müsse sich natürlich wie alle anderen Marktteilnehmer an die Regeln halten, betonte sie. In den vorliegenden Fällen habe es sich jedoch zumeist um kleine Firmen gehandelt, die im Zuge der Pandemie die Marktsituation für sich genutzt hätten. Große und etablierte Unternehmen, die schon lange auf diesem Gebiet tätig sind, kennen nach Köbers Einschätzung die Biozid-Verordnung gut genug, um sich in einer solchen Situation nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
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