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Die AvP-Insolvenz kann nach den ersten Schätzungen auf Jahressicht zu ebenso vielen Apothekenschließungen führen wie alle anderen Probleme der Apotheke zusammen. Kurzfristige Liquiditätshilfen werden als Gegenmaßnahme nicht ausreichen. Doch welche Folgen lassen sich aus den bisherigen Erkenntnissen ableiten? DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn trägt die wesentlichen Informationen zusammen und beschreibt die naheliegenden Konsequenzen in einem Kommentar.
Noch vor einer Woche waren die Neuigkeiten um das Apothekenrechenzentrum AvP kaum einzuordnen. Inzwischen ist klar, dass die Lage für die betroffenen Apotheken schrecklich ist. Offenbar fehlen vielen Apotheken die GKV-Einnahmen eines ganzen Monats und manchen droht damit selbst die Insolvenz. Die allererste Reaktion auf die ausbleibenden Zahlungen war die Suche nach kurzfristiger Liquidität. Apothekereigene Unternehmen haben dabei eindrucksvoll ihre Solidarität unter Beweis gestellt.
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Doch leider wird das Problem damit nicht zu lösen sein. Dies haben die Erklärungen des vorläufigen Insolvenzverwalters in der vorigen Woche gezeigt. Demnach hat er zwar einen dreistelligen Millionenbetrag bei AvP vorgefunden, aber die meisten Betroffenen würden lange auf Zahlungen warten müssen und das Geld reiche nicht für alle Forderungen der Apotheker. Nur sehr wenige Apotheken könnten auf kurzfristige Zahlungen hoffen. Die Frage nach Aussonderungsansprüchen sei kompliziert und werde die Gerichte möglicherweise über mehrere Instanzen beschäftigen, also über Jahre.
Verdoppeltes Apothekensterben befürchtet
Als Konsequenz aus diesen Erkenntnissen droht ein Wettlauf um die Aussonderungsansprüche. Die Verlierer werden sich das verbleibende Geld mit weiteren Gläubigern teilen müssen. Bisher ist jedoch nicht bekannt, wie viele weitere Ansprüche gegen AvP bestehen. Besonders drängt sich die Frage nach Forderungen von Banken auf. Außerdem ist immer noch offen, wie viele Apotheken auf wie viel Geld warten. Allerdings gab der Apothekerverband Nordrhein dazu am Freitag eine erschreckende Einschätzung bekannt. Demnach seien in Nordrhein-Westfalen etwa 5 Prozent der Apotheken so stark betroffen, dass eine kurzfristige Schließung drohe. Bundesweit gelte das für drei Prozent der Apotheken. In Verbindung mit den ohnehin erwarteten Apothekenschließungen ergebe dies einen Rückgang der Apothekenzahl um etwa 700 in diesem Jahr.
Fehler im System
Die Probleme für die Apotheken häufen sich damit derzeit in einer wohl noch nie dagewesenen Weise. Ein einzelnes neues Thema könnte die Apotheken nun ebenso schwer treffen, wie die zahlreichen schon lange bestehenden Herausforderungen zusammen. Für viele Betroffene könnten das zu viele Belastungen auf einmal sein. Es erscheint entsetzlich, dass Apotheker wegen eines auch jetzt noch unklaren Problems in einem System, das sie selbst nicht überprüfen können, ihre wirtschaftliche Existenz verlieren könnten. Auch für diejenigen, die nicht um ihre Existenz bangen müssen, ist es unzumutbar, mit persönlichen finanziellen Reserven für einen Schaden einstehen zu müssen, den sie nicht verursacht haben.
Es geht hierbei nicht um ein „normales“ unternehmerisches Risiko, sondern um eine Notwendigkeit, die sich aus den Abrechnungsmodalitäten ergibt, die Politik und Krankenkassen vorgeben. Allgemein gilt: Wer die Musik bestellt, der bezahlt sie. Doch daran halten sich Politik und Krankenkassen hier nicht. Sie fordern, dass die Abrechnungsdaten in Form und Inhalt so aufbereitet werden, dass dies nur mit aufwendiger Technik möglich ist. Apotheken können daher die Bezahlung, die ihnen für ihre Leistungen zusteht, faktisch nur mithilfe spezialisierter Abrechner erhalten. Sie müssen für technische Finessen zahlen, die dem staatlich geregelten System an anderer Stelle Einsparungen ermöglichen. Es erscheint schon lange ungerechtfertigt, dass die Apotheken Maßnahmen bezahlen müssen, von denen sie selbst keinen Nutzen haben. Doch nun sollen sie sogar für einen Fehler in diesem System haften – nicht etwa nur mit der Abrechnungsgebühr, sondern mit dem kompletten Gegenwert für die ordnungsgemäß gelieferten Arzneimittel und die dabei erbrachten Leistungen. Dass diese Ungerechtigkeit nicht schon längst aufgefallen ist, liegt wohl daran, dass das System so lange funktioniert hat. Dies alles sind keine rückwärts gerichteten Erklärungsversuche, sondern zentrale Argumente für die künftig nötigen Maßnahmen. Wenn die Politik den Beteiligten des streng geregelten Gesundheitssystems eine bestimmte Vorgehensweise aufzwingt, sollte sie für die Schäden bei den unverschuldet Betroffenen geradestehen, wenn dieses System versagt. Das betrifft sowohl die Apotheker als auch die Patienten, die weiterhin ein flächendeckendes Apothekennetz benötigen.
Langfristige Finanzierung und dauerhafte Entschädigung nötig
Damit zeichnet sich ab, was nun zu tun sein wird. Zunächst braucht jeder einzelne Betroffene eine solide, langfristige Finanzierung für die ausstehenden Beträge. Dies setzt eine entsprechende Bonität voraus. Zusätzlich ist politische Überzeugungsarbeit für staatliche Hilfen nötig. Dabei geht es zuerst um eine langfristige Finanzierung und anschließend wohl auch um eine dauerhafte Entschädigung zur Stabilisierung des politisch gewünschten Versorgungssystems. Die überzeugende Rechtfertigung dafür liegt in der beschriebenen Konstruktion des Systems und der daraus folgenden Verantwortung des Staates. Dazu müssen die Apotheken allerdings möglichst genau beziffern können, welche Zahlungen ausstehen. Dies gilt es nun zu ermitteln. Längerfristig sind dann wohl auch Maßnahmen erforderlich, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann. Vielleicht bietet die Einführung des E-Rezeptes einen guten Anlass für Neuregelungen.
13 Kommentare
@ Dr. Th. Müller-Bohn
von Uwe Hüsgen am 29.09.2020 um 18:51 Uhr
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@ Uwe Hüsgen
von Dr. Thomas Müller-Bohn am 29.09.2020 um 15:49 Uhr
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Durchgeblickt oder wie wir Baden geschickt wurden und merkten dass da kein Champagner drin war
von Bernd Jas am 29.09.2020 um 11:59 Uhr
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An sich eine gute Idee, aber ...
von Uwe Hüsgen am 29.09.2020 um 11:11 Uhr
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AW: An sich eine gute Idee, aber
von Werner Heuking am 29.09.2020 um 11:34 Uhr
Wer die Musik bestellt...
von Thomas Eper am 29.09.2020 um 9:14 Uhr
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Wenn das Licht ausgeht ... und aus bleibt.
von Christian Timme am 28.09.2020 um 22:11 Uhr
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Guter Kommentar, leider nur in der Fachpresse
von I.Greif am 28.09.2020 um 22:04 Uhr
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AW: Nur ein Monatsgewinn...
von Thomas Eper am 29.09.2020 um 12:21 Uhr
Vielen Dank für den Kommentar
von Nikolaus Guttenberger am 28.09.2020 um 18:53 Uhr
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Neu verhandeln
von ratatosk am 28.09.2020 um 18:33 Uhr
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.
von Anita Peter am 28.09.2020 um 18:06 Uhr
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AW: na ja...
von Dr. Stephan Hahn am 29.09.2020 um 10:10 Uhr
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