Herausforderung Impfstoffentwicklung

Epstein-Barr-Viren und die Gefährlichkeit der Kusskrankheit

Stuttgart - 05.10.2020, 09:15 Uhr

Was macht es so schwierig, einen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln? Prof. Dr. Dr. Henri-Jaques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gab Einblicke über EBV-assoziierte Tumore bei der Interpharm online 2020. (Foto: Schelbert)

Was macht es so schwierig, einen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln? Prof. Dr. Dr. Henri-Jaques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gab Einblicke über EBV-assoziierte Tumore bei der Interpharm online 2020. (Foto: Schelbert)


Riesiges Genom codiert für mehr als 100 Proteine

Bei EBV handelt es sich um ein doppelsträngiges DNA-Virus mit extrachromosomaler Vermehrung. Das sehr große EBV-Genom codiert für mehr als 100 Proteine und ist mit 170 kb ca. 20-mal größer als das humaner Papillomaviren (HPV). Bei einer Infektion unterscheidet man eine lytische Phase, in der die Vermehrung des Virus vonstattengeht, und die für Herpesviren charakteristische latente Phase, in der kein Virus produziert wird. Die lytische Phase ist durch wellenartige Proteinexpression („Immediate early-“, „Early-“ und „Late-“ Gene) gekennzeichnet. Dadurch muss sich der Körper nach und nach immer wieder mit neuen Proteinen auseinandersetzen. Während der latenten Phase dagegen kommt es zur B-Zelltransformation. Neben sogenannten latenten Proteinen wie EBNA und LMP führen auch microRNAs und andere nicht-codierende RNAs durch Überaktivierung physiologischer Signalwege (z. B. CD40) zu einer B-Zell-Proliferation. Dabei kommt es bei einem erheblichen Teil der infizierten Zellen zu chromosomalen Abnormalitäten, veränderter Mitose und genetischer Instabilität. Wird die B-Zellproliferation nicht von den T-Zellen des Immunsystems gestoppt, kann es zur Tumorbildung kommen. In den meisten Fällen werden infizierte B-Zellen abgetötet. Da das Immunsystem sie aber nicht komplett eliminieren kann, verbleiben sie im Körper und bilden einen Gedächtniszellpool. Aus diesem kann sich das Virus später wieder aktivieren und vermehren.

Noch kein Impfstoff in Sicht

Die sehr hohe Seroprävalenz von ca. 95 Prozent wird in Entwicklungsländern schon im Alter von fünf Jahren erreicht, in Industrieländern erst mit 50 Jahren. Als Ursache dafür führt Delecluse Unterschiede in der Lebensweise an. So unterstützen die enge Mutter-Kind-Beziehung sowie bestimmte Traditionen wie das Essen-Vorkauen die frühzeitige Virusübertragung mit dem Speichel auf Kinder. Abschließend ging Delecluse in seinem Vortrag auf verschiedene Ansätze in der Impfstoffentwicklung und die hohen Anforderungen an eine Vakzine ein. Sie sollte eine gute T-Zellantwort hervorrufen, die Vakzine selbst sollte nicht transformieren, und die Viren dürfen sich nicht vermehren können. Idealerweise steht ein Tiermodell für die präklinische Testung zur Verfügung, dies gibt es für EBV allerdings noch nicht. Obwohl weltweit mehrere Labore daran arbeiten, sind bisher alle Versuche, einen Impfstoff zu entwickeln, gescheitert.



Dr. Daniela Leopoldt, Apothekerin
redaktion@daz.online


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