Herausforderung Impfstoffentwicklung

Epstein-Barr-Viren und die Gefährlichkeit der Kusskrankheit

Stuttgart - 05.10.2020, 09:15 Uhr

Was macht es so schwierig, einen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln? Prof. Dr. Dr. Henri-Jaques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gab Einblicke über EBV-assoziierte Tumore bei der Interpharm online 2020. (Foto: Schelbert)

Was macht es so schwierig, einen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln? Prof. Dr. Dr. Henri-Jaques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg gab Einblicke über EBV-assoziierte Tumore bei der Interpharm online 2020. (Foto: Schelbert)


EBV-assoziierte Tumore meistens im Gastrointestinaltrakt

Delecluse ging in seinem Vortrag detailliert auf das breite Spektrum EBV-assoziierter Erkrankungen ein. So sind nahezu alle Nasopharyngealen Karzinome EBV-positiv während bei den Magenkarzinomen nur etwa 5-10 Prozent das EBV-Gen tragen.  Diese haben im Vergleich zu EBV-negativen Magenkarzinomen jedoch eine bessere Prognose. Sehr gut erforscht ist die Pathogenese der Posttransplantationslymphome. Hier führt ein Absetzen der Immunsuppression in 30 Prozent der Fälle zur Rückbildung der PTLD und mehr als 50 Prozent können mit autologen EBV-spezifischen T-Zellen behandelt werden. Bei den meisten anderen Erkrankungen ist die Rolle des Virus viel unklarer.

Zusammenhang zwischen Pfeifferschem Drüsenfieber und Hodgkin

Unverkennbar ist der Zusammenhang zwischen gut- und bösartigen Erkrankungen. So haben Patienten mit der gutartig verlaufenden, auch als infektiöse Mononukleose oder Pfeiffersches Drüsenfieber bezeichneten Kusskrankheit, ein erhöhtes relatives Risiko für das Hodgkin-Lymphom. Delecluse sprach unter anderem über die ungewöhnliche anatomische Lokalisation EBV-assoziierter Tumore. Fast immer sind sie im Gastrointestinaltrakt zu finden. Ursache dafür könnte die durch die EBV-Infektion vermittelte Expression von LPAM1 sein. Dieses Integrin ist laut Delecluse der Schlüssel, um in das Immunsystem des GI-Trakts zu gelangen. Die Hypothese, dass EBV-infizierte Zellen in den GI Trakt wandern und sich dort unter bestimmen Umständen weiterentwickeln, wird in seiner Arbeitsgruppe derzeit geprüft.

EBV-assoziierte Tumore entstehen nicht nur über direkte Mechanismen, sondern auch indirekt als Folge der Immunreaktion (z. B. Multiples Myelom). Darüber hinaus ist das Virus mit anderen nicht-tumorösen Erkrankungen, insbesondere Autoimmunerkrankungen, in Verbindung gebracht worden. So haben EBV-Träger ein 16- bis 30-fach höheres Risiko eine Multiple Sklerose zu entwickeln als EBV-negative Patienten. Auch bei einem Drittel der Alzheimerpatienten ist eine EBV-vermittelte Entzündung festgestellt worden. Erklärung dafür ist, dass das Virus nach einem ersten Kontakt im Körper verbleibt und zu einer chronischen Inflammation auf niedrigem Niveau führt. Jahrzehnte später kann dann eine Entzündung ausgelöst werden, die Alzheimer begünstigt.



Dr. Daniela Leopoldt, Apothekerin
redaktion@daz.online


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