Australische Studie gibt Hoffnung

Wirken die Corona-Impfstoff-Kandidaten auch gegen ein mutiertes Virus?

Remagen - 20.10.2020, 07:00 Uhr

Trotz ihrer Ergebnisse empfehlen australische Wissenschaftler, die Auswirkungen identifizierter Corona-Mutationen jeweils mit den vorhandenen Methoden zu analysieren, bevor über mögliche nachteilige Auswirkungen auf Impfstoffe spekuliert wird. (c / Foto: Siarhei / stock.adobe.com)

Trotz ihrer Ergebnisse empfehlen australische Wissenschaftler, die Auswirkungen identifizierter Corona-Mutationen jeweils mit den vorhandenen Methoden zu analysieren, bevor über mögliche nachteilige Auswirkungen auf Impfstoffe spekuliert wird. (c / Foto: Siarhei / stock.adobe.com)


Die meisten COVID-19-Impfstoffe, die weltweit entwickelt werden, sind dem ursprünglichen „D-Stamm“ des Virus nachempfunden. Durch eine Mutation entfällt jedoch mittlerweile ein Großteil der veröffentlichten SARS-CoV-2-Genome auf den sogenannten „G-Stamm“. Sind die Impfstoffe dagegen vielleicht gar nicht wirksam? 
Die Ergebnisse einer neuen australischen Studie bestätigen diese Befürchtung erfreulicherweise nicht.

COVID-19-Impfstoffkandidaten zielen hauptsächlich auf das trimere Spike(S)-Glykoprotein ab, über das das Virus an die ACE2-Rezeptoren der Wirtszelle andockt. In den letzten Monaten ist an Position 614 des S-Proteins eine Aspartat-zu-Glycin-Änderung vom vorherigen „D-Stamm“ (D614) des Virus zum „G-Stamm“ (G614-Varianten) aufgetreten. Auf diesen entfallen nun etwa 85 Prozent der veröffentlichten SARS-CoV-2-Genome. Die meisten Impfstoffe, die weltweit entwickelt werden, orientieren sich jedoch an dem „D-Stamm“. Dies hat die Frage aufgeworfen, ob sie gegen den neuen Stamm überhaupt noch wirken. 

Untersuchungen von Australiens nationaler Wissenschaftsagentur CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) scheinen eine solche Annahme zu entkräften. Hiernach werden potenzielle Impfstoffe nicht davon beeinflusst, wie sich SARS-CoV-2 bisher verändert hat.

Frühere Studien mit dem DNA-Plasmid-Kandidaten INO-4800 von Inovio Pharmaceuticals, der auf die (D614-Variante) des S-Proteins abzielt, haben bereits gezeigt, dass die Vakzine an Mäusen und Meerschweinchen antigenspezifische 
T-Zell-Antworten und funktionelle Antikörper induzierte, die die SARS-CoV-2-Infektion neutralisieren. In der neuen in „npj Vaccines“ veröffentlichten Studie wurden nun als Tiermodell Frettchen eingesetzt. Als Virusproben verwendeten die Forscher australische Virus-Isolate mit oder ohne die betreffende Mutation [VIC01, SA01 (D614) sowie VIC31(G614)]. Ansonsten war die S-Proteinsequenz vergleichbar, und es gab auch keine signifikanten Mutationen innerhalb der viralen Proteine, die für die Zellbindung und den Zelleintritt verantwortlich sind. Auch die Frettchen entwickelten nach der Impfung mit INO-4800 SARS-CoV-2 neutralisierende Antikörper. Ein Vergleich der Neutralisationstiter der Virusisolate ergab, dass die D614G-Mutation nach der Impfung nur einen geringen Einfluss auf die Neutralisationseffizienz hatte.

Gute B-Zell-Reaktion

„Die Frettchen, die mit dem Kandidaten von Inovio Pharmaceuticals geimpft wurden, zeigten hinsichtlich neutralisierender Antikörper eine gute B-Zell-Reaktion gegen SARS-CoV-2-Stämme“, erklärt Alex McAuley, CSIRO-Wissenschaftler und Erstautor des Papiers. „Das ist für die kurzfristige Wirksamkeit eines Impfstoffs wichtig.“ 

Durch die Visualisierung der Molekülstruktur konnten die Forscher die Schlussfolgerung der Studie stützen. Aufgrund ihrer internen Lage scheint die 
614-Position für die Immunantwort nicht von Bedeutung zu sein. 

Wahrscheinlich kein Impfstoff-Matching notwendig

„Trotz der D614G-Mutation im Spike-Protein haben wir durch Experimente und Modelle bestätigt, dass Impfstoffkandidaten immer noch wirksam sind“, fasst 
Dr. Vasan, CSIRO-Teamleiter für gefährliche Krankheitserreger und Leitautor der Publikation, die Befunde zusammen. Dies sei eine gute Nachricht für die Hunderte von Impfstoffen, die weltweit entwickelt werden und die mehrheitlich auf das Spike-Protein abzielen. „Außerdem haben wir festgestellt, dass der G-Stamm wahrscheinlich kein häufiges 'Impfstoff-Matching' erfordert, bei dem saisonal neue Impfstoffe entwickelt werden müssen, wie dies bei Influenza der Fall ist“, ergänzt Vasan.

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Trotz ihrer Ergebnisse empfehlen die CSIRO-Wissenschaftler dringend, die Auswirkungen identifizierter Mutationen jeweils mit den vorhandenen Methoden zu analysieren, bevor über mögliche nachteilige Auswirkungen auf Impfstoffe spekuliert wird. Sie raten ausdrücklich zur Vorsicht, wenn solche Mutationen in Preprint-Artikeln beschrieben werden. Vorzeitige Rückschlüsse auf etwaige Auswirkungen ohne Unterstützung durch experimentelle Beweise könnten zu einem Medienrummel führen und möglicherweise das Vertrauen der Öffentlichkeit in Impfstoffe untergraben, so ihre Befürchtung.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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