Mund- oder Nasensprays

Kann ein Algen-Inhaltsstoff SARS-CoV-2 in der Nase ausbremsen?

Stuttgart - 21.10.2020, 13:45 Uhr

Könnte ein Carrageen-Nasenspray zur Prävention und frühen Behandlung von COVID-19 beitragen? Ob sich die bisherigen reinen In-vitro-Befunde auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, müssen erst noch klinische Studien unter Beweis stellen. (p / Foto: bodnarphoto / stock.adobe.com)

Könnte ein Carrageen-Nasenspray zur Prävention und frühen Behandlung von COVID-19 beitragen? Ob sich die bisherigen reinen In-vitro-Befunde auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, müssen erst noch klinische Studien unter Beweis stellen. (p / Foto: bodnarphoto / stock.adobe.com)


Bei einer SARS-CoV-2-Infektion vermehrt sich das Virus in den ersten Tagen vor allem in der Nase und im Mund-Rachen-Raum. Deshalb wird nach lokal wirksamen antiviralen Maßnahmen gesucht, etwa in Form von Mund- oder Nasensprays. Basierend auf ersten Untersuchungsergebnissen mit Carrageen erhofft man sich, dass dieser Algeninhaltsstoff SARS-CoV-2-Viren schon in der Nase hemmt.

Carrageen kommt vor allem in den Zellwänden von Rotalgen vor, zum Beispiel in Chondrus crispus („Irländisches Moos“). Es handelt sich um lineare sulfatierte Polysaccharide mit der Hauptkomponente Galactose. Das aus den Algen extrahierte Carrageen gibt es in verschiedenen Formen – als Iota-, Kappa- oder Lambda-Carrageen. In der Nahrungsmittelindustrie wird Carrageen aufgrund seiner gelbildenden, stabilisierenden und emulgierenden Eigenschaften häufig als Zusatzstoff verwendet, unter anderem in Fruchtaufstrichen, Puddings, Eiscreme, Soßen, Milchprodukten und Wurstwaren. Außerdem dient Carrageen als pharmazeutischer Hilfsstoff, zum Beispiel für Emulsionen, Gele und Kapselhüllen.

Gegen Erkältungsviren in Nasensprays

Darüber hinaus ist Carrageen (Iota- und Kappa-Carrageen) als Wirkstoff in Erkältungssprays (z. B. als Carragelose® im Medizinprodukt Algovir® Effekt Erkältungsspray) enthalten. Es soll in der Nase auf physikalischem Weg eine antivirale Wirkung entfalten: Das Carrageen bildet sozusagen eine Schutzschicht auf der Nasenschleimhaut. Dadurch sollen Viren daran gehindert werden, an die Mukosa-Zellen anzudocken und in der Folge in sie einzudringen und sich in ihnen zu vermehren. Im Frühstadium einer Erkältung angewendet, soll auf diese Weise das Infektionsgeschehen abgemildert werden. 

„Hilft die Rotalge bei einer Erkältung?“

Im Jahr 2018 ist medizin-transparent.at von „Cochrane Österreich“ der Frage nachgegangen, ob ein Nasenspray mit einer Substanz aus der Rotalge bei einer Erkältung helfen kann. Das Fazit damals: „möglicherweise Nein“. In keiner der gefundenen Studien habe es einen überzeugenden Nachweis dafür gegeben, dass ein Carrageen-Nasenspray Erkältungssymptome deutlich lindert oder die Erkältungsdauer verkürzt. Ob sich eine Erkältung mit dem Nasenspray verhindern lässt, sei in keiner Studie untersucht worden, hieß es. 

Ebenfalls im Jahr 2018 gab die DAZ zu bedenken: „Damit ein Medizinprodukt in den Handel kommen kann, ist kein Zulassungsverfahren sondern ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen. Die Anforderungen daran sind jedoch nicht mit denen einer Arzneimittelzulassung zu vergleichen.“

Klinische Studien mit Erkältungspatienten sprechen tatsächlich für eine gewisse Wirkung. So konnten in einer kleinen Studie mit 35 Probanden, die erste Anzeichen eines grippalen Infekts zeigten, die Beschwerden unter Anwendung von Iota-Carrageen-Nasenspray signifikant reduziert werden. In anderen Studien ergab sich unter Anwendung von Carrageen-Nasenspray zumindest eine Verkürzung der Erkältungsdauer sowie eine reduzierte Viruslast im Nasensekret.

Vielversprechende In-vitro-Studie, klinische Studien fehlen

Aktuell interessiert die Frage, ob Carrageen möglicherweise auch den COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 blockieren könnte. Hierzu liegen nun vorläufige Ergebnisse aus einer Laborstudie vor. In dieser Untersuchung wurden Zellkulturen (bestehend aus sogenannten Vero-E6-Zellen) zunächst zwei Stunden lang mit Iota-Carrageen in unterschiedlichen Konzentrationen behandelt. Anschließend infizierte man die Zellkulturen mit SARS-CoV-2. Nach einer Inkubationszeit von 48 Stunden wurde der Virustiter bestimmt. Das Ergebnis: Bereits ab einer Konzentration von 6 µg/ml reduzierte Iota-Carrageen die Anzahl der Viren um mehr als 99,99 Prozent. Die höchste Iota-Carrageen-Konzentration, die in der Untersuchung getestet wurde, betrug 600 µg/ml. Dies entspreche ungefähr der Wirkstoffkonzentration, die nach sachgemäßer Anwendung eines handelsüblichen Iota-Carrageen-haltigen Nasensprays in der Nasenhöhle erreicht werde, erklären die Studienautoren.

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Wie die Studienautoren weiter ausführen, kann sich der Wirkstoff vier Stunden lang in der Nase halten. Sie haben daher die Hoffnung, dass ein solches Nasenspray zur Prävention und frühen Behandlung von COVID-19 beitragen könnte. Noch dazu biete es ein gutes Sicherheitsprofil. 

Ob sich die bisherigen reinen In-vitro-Befunde aber tatsächlich auf den menschlichen Organismus übertragen lassen, müssen nun erst noch klinische Studien unter Beweis stellen.

Quellen:
S. Bansal et al.: bioRxiv preprint 2020 (doi: doi.org/10.1101/2020.08.19.225854)
R. Eccles et al.: Respir Res 2010 (doi: doi.org/10.1186/1465-9921-11-108)
R. Eccles et al.: Respir Res 2015 (doi: doi.org/10.1186/s12931-015-0281-8)
T. Fazekas et al.: BMC Complement Altern Med 2012 (doi: doi.org/10.1186/1472-6882-12-147)
M. Ludwig et al.: Respir Res 2013 (doi: doi.org/10.1186/1465-9921-14-124)
Hermes Arzneimittel GmbH; DAZ Nr. 7/2018, S. 26f



Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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