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Interview mit Ursula Funke
„Wir müssen als Heilberufler stärker in Erscheinung treten“
„Wir sollten die Grundlagen nicht vernachlässigen.“
Wo sehen Sie konkret Spielraum bei der Umsetzung der Approbationsordnung?
Man kann natürlich beispielsweise in der pharmazeutischen Biologie viel Heilpflanzenkunde lehren, es ist aber auch möglich, sich zum Beispiel verstärkt biotechnologischen Methoden und Biologika als Arzneistoffklasse zu widmen. Und ob es wirklich nötig ist, im ersten Semester zwölf Vollanalysen zu kochen, darf man auch mal hinterfragen. Um das klarzustellen: Wir sollten die Grundlagen nicht vernachlässigen. Denn ich kann am Ende niemandem eine Struktur-Wirkungs-Beziehung erklären, wenn ich keine Ahnung von Chemie habe. Es geht mir um das richtige Verhältnis und um moderne Schwerpunkte. Heutzutage sollten wir in den höheren Semestern auch auf den interdisziplinären Austausch setzen und gemeinsame Ausbildungsangebote für Pharmazeuten und Mediziner schaffen. Das könnte helfen, die derzeit doch leider oft noch spürbaren Ressentiments abzubauen. Hier in Hessen bringen wir junge Kollegen im dritten Ausbildungsabschnitt mit angehenden Ärzten zusammen, die paarweise an einem Patientenfall arbeiten. So lernen sie die jeweiligen Stärken des anderen kennen und begreifen, dass sie sich gegenseitig nichts wegnehmen, sondern dass eine Zusammenarbeit dem Wohl des Patienten dient, und das ist doch unser beider Aufgabe. Vor einigen Jahren ist es mir gelungen, die Fortbildungsakademien der Ärzte und Apotheker in meinem Bundesland zur Kooperation zu bewegen, sodass wir hier in Hessen inzwischen gemeinsame Fortbildungen anbieten. Das ist ein wichtiger Schritt, um interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Unerlässlich ist für mich die Einheitlichkeit der Approbation – Apotheker werden an der Universität ausgebildet und nach dem komplett abgelegten Staatsexamen und Erhalt der Approbation stehen ihnen alle pharmazeutische Tätigkeitsfelder offen.
Nach der Ausbildung folgt nun aber der nächste Schritt: Wie wollen Sie die jungen Kollegen wieder in die Offizinen locken? Dort herrscht ja erheblicher Nachwuchsmangel …
Ich glaube, dass viele junge Kollegen Interesse an der Arbeit in einer Offizinapotheke hätten, wenn dort wieder mehr Pharmazie und weniger Bürokratie im Mittelpunkt stünde. Dazu können auch die im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz verankerten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen beitragen. Um diese zu etablieren und mit Leben zu erfüllen, werden wir einen langen Atem brauchen. Aber das sollten wir mit aller Kraft angehen. Wichtig ist dabei auch, Dienstleistungen zu entwickeln, die flächendeckend angeboten werden können und nicht dazu führen, dass sich am Ende nur einige wenige Leuchtturmprojekte in Deutschland durchsetzen. Dann machen wir unsere Kompetenzen für viele Menschen gar nicht erlebbar. Pharmazeutische Dienstleistungen dürfen natürlich kein Selbstzweck sein. Die Patienten müssen spüren, dass sie von unseren Dienstleistungen profitieren und genau dafür müssen wir sie anbieten. Dienstleistungen werden sich immer weiter entwickeln, wir müssen niedrigschwellig anfangen. Wenn das erstmal selbstverständlich ist, können anspruchsvollere und differenziertere Angebote sicher dazukommen. Klar ist, dass es das alles nicht zum Nulltarif geben kann.
Noch ist das Dienstleistungspaket der ABDA geheim. Welche Leistungen können Sie sich vorstellen?
So wie die Gurtpflicht, Airbags und andere Hilfsmittel dazu beitragen, dass die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, haben wir die Werkzeuge in der Hand, arzneimittelbezogene Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zu verhindern, zum Beispiel mit Medikationsanalysen und Medikationsmanagement. Hier müssen Politik und Gesellschaft unsere pharmazeutische Expertise endlich verstärkt nutzen. Auch einem Patienten seinen Medikationsplan zu erklären und später mal nachzuhaken, wie er damit zurechtkommt, könnte ich mir vorstellen.: Sie müssen den Patienten wirklich nutzen. Da sehe ich auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapiesicherheit viel Potenzial. Und damit könnten wir sicher auch junge Approbierte wieder für die Arbeit in einer Offizin begeistern.
Halten Sie es für die richtige Strategie, dass die ABDA mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ihren Katalog an Dienstleistungen noch nicht veröffentlicht hat? Der Druck aus der Politik und auch aus der Apothekerschaft steigt seit einiger Zeit spürbar.
Ich verstehe, dass jeder Kollege gerne mehr über die Dienstleistungen wissen möchte, finde es jedoch schon nachvollziehbar, dem GKV-Spitzenverband nicht jetzt schon die Gelegenheit zu geben, den Katalog zu zerfleddern und sich Gegenargumente zu überlegen. Die Dienstleistungen werden doch eh erst dann greifbar für die Menschen, wenn sie den Nutzen erleben können. Das gilt auch für die Politiker. Deswegen habe ich unseren Bundestagsabgeordneten aus meinem Wahlkreis, Ingmar Jung (CDU), vor einiger Zeit auch für ein Praktikum in meiner Apotheke eingeladen. Was Politiker selber erleben, stellt für sie eine erhellende Erfahrung dar.
2 Kommentare
Grundlagen
von Reinhard Rodiger am 24.10.2020 um 20:19 Uhr
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Ehrlichkeit
von Wolfgang Müller am 24.10.2020 um 16:49 Uhr
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