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Interview mit Ursula Funke
„Wir müssen als Heilberufler stärker in Erscheinung treten“
Für das Amt als BAK-Vize haben zwei Frauen ihren Hut in den Ring geworfen: Ursula Funke aus Hessen und Dr. Kerstin Kemmritz aus Berlin. DAZ.online sprach mit beiden Kandidatinnen darüber, welche Impulse sie während einer möglichen Amtszeit setzen möchten. Den Anfang macht die Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, Ursula Funke.
DAZ.online: Frau Funke, warum haben Sie sich dafür entschieden, als BAK-Vizepräsidentin zu kandidieren?
Funke: Ich möchte unseren Berufsstand voranbringen und zukunftsfähig machen. Bereits zu Beginn des Jahres hat unser inzwischen leider verstorbener Kollege
Dr. Andreas Kiefer erklärt, dass er nicht für eine weitere Amtszeit als BAK-Präsident bereitsteht. Meine Entscheidung ist lange gereift, auch in Abstimmung mit Thomas Benkert, der zur Wahl des Präsidenten antritt. Ich würde ihn dabei gern unterstützen. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zueinander, können über alles offen reden, was in dieser möglichen Konstellation sehr wichtig ist. Intern in einem Vorstand, der ein Team ist, gilt es natürlich, alle Argumente auszutauschen und gegeneinander abzuwägen, aber nach Außen sollten wir als Einheit auftreten und Geschlossenheit demonstrieren. Das würden wir beide sicher sehr gut hinbekommen.
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Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Mir ist es wichtig, dass wir Apotheker als Heilberufler stärker in Erscheinung treten als bisher und unsere ordnungspolitischen Eckpfeiler verteidigen und weiterentwickeln. Dringenden Handlungsbedarf sehe ich zudem bei der Digitalisierung. Auf diesem Gebiet haben wir viel nachzuholen. Dort passiert so viel und wir sind leider nicht an vorderster Front dabei. Ich will lieber agieren als reagieren, daher müssen wir nun mit aller Kraft dafür sorgen, dass wir nicht nur die Rücklichter des sich bereits bewegenden Zuges sehen. Darüber hinaus ist mir die Novellierung der Approbationsordnung ein großes Anliegen.
Damit sprechen Sie eine ureigene BAK-Aufgabe an. Wie wollen Sie die Ausbildung des Nachwuchses gestalten?
Ich bin froh, dass wir das Thema bereits angepackt haben. Zunächst müssen wir Apotheker uns mit allen Beteiligten intern abstimmen, wie die Approbationsordnung künftig aussehen sollte, um dann an das Bundesministerium für Gesundheit heranzutreten. Hier gibt es Pläne für einen Runden Tisch, der leider Corona-bedingt verschoben werden musste. Bis die Novellierung durch ist, wird noch viel Zeit vergehen. Diese sollten wir nutzen, um den Dialog mit den Hochschullehrern zu suchen und zu prüfen, was wir schon kurzfristig verbessern können. Die jetzige Approbationsordnung bietet den Hochschulen schon viele Möglichkeiten, eigene Schwerpunkte zu setzen, sie müssen halt genutzt werden. Hier in Hessen tauschen wir uns sehr intensiv mit den Lehrenden aus und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Es ist unerlässlich, dass endlich an allen Hochschulstandorten ein eigenständiger Lehrstuhl für klinische Pharmazie geschaffen und mit Leben erfüllt wird.
„Wir sollten die Grundlagen nicht vernachlässigen.“
Wo sehen Sie konkret Spielraum bei der Umsetzung der Approbationsordnung?
Man kann natürlich beispielsweise in der pharmazeutischen Biologie viel Heilpflanzenkunde lehren, es ist aber auch möglich, sich zum Beispiel verstärkt biotechnologischen Methoden und Biologika als Arzneistoffklasse zu widmen. Und ob es wirklich nötig ist, im ersten Semester zwölf Vollanalysen zu kochen, darf man auch mal hinterfragen. Um das klarzustellen: Wir sollten die Grundlagen nicht vernachlässigen. Denn ich kann am Ende niemandem eine Struktur-Wirkungs-Beziehung erklären, wenn ich keine Ahnung von Chemie habe. Es geht mir um das richtige Verhältnis und um moderne Schwerpunkte. Heutzutage sollten wir in den höheren Semestern auch auf den interdisziplinären Austausch setzen und gemeinsame Ausbildungsangebote für Pharmazeuten und Mediziner schaffen. Das könnte helfen, die derzeit doch leider oft noch spürbaren Ressentiments abzubauen. Hier in Hessen bringen wir junge Kollegen im dritten Ausbildungsabschnitt mit angehenden Ärzten zusammen, die paarweise an einem Patientenfall arbeiten. So lernen sie die jeweiligen Stärken des anderen kennen und begreifen, dass sie sich gegenseitig nichts wegnehmen, sondern dass eine Zusammenarbeit dem Wohl des Patienten dient, und das ist doch unser beider Aufgabe. Vor einigen Jahren ist es mir gelungen, die Fortbildungsakademien der Ärzte und Apotheker in meinem Bundesland zur Kooperation zu bewegen, sodass wir hier in Hessen inzwischen gemeinsame Fortbildungen anbieten. Das ist ein wichtiger Schritt, um interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Unerlässlich ist für mich die Einheitlichkeit der Approbation – Apotheker werden an der Universität ausgebildet und nach dem komplett abgelegten Staatsexamen und Erhalt der Approbation stehen ihnen alle pharmazeutische Tätigkeitsfelder offen.
Nach der Ausbildung folgt nun aber der nächste Schritt: Wie wollen Sie die jungen Kollegen wieder in die Offizinen locken? Dort herrscht ja erheblicher Nachwuchsmangel …
Ich glaube, dass viele junge Kollegen Interesse an der Arbeit in einer Offizinapotheke hätten, wenn dort wieder mehr Pharmazie und weniger Bürokratie im Mittelpunkt stünde. Dazu können auch die im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz verankerten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen beitragen. Um diese zu etablieren und mit Leben zu erfüllen, werden wir einen langen Atem brauchen. Aber das sollten wir mit aller Kraft angehen. Wichtig ist dabei auch, Dienstleistungen zu entwickeln, die flächendeckend angeboten werden können und nicht dazu führen, dass sich am Ende nur einige wenige Leuchtturmprojekte in Deutschland durchsetzen. Dann machen wir unsere Kompetenzen für viele Menschen gar nicht erlebbar. Pharmazeutische Dienstleistungen dürfen natürlich kein Selbstzweck sein. Die Patienten müssen spüren, dass sie von unseren Dienstleistungen profitieren und genau dafür müssen wir sie anbieten. Dienstleistungen werden sich immer weiter entwickeln, wir müssen niedrigschwellig anfangen. Wenn das erstmal selbstverständlich ist, können anspruchsvollere und differenziertere Angebote sicher dazukommen. Klar ist, dass es das alles nicht zum Nulltarif geben kann.
Noch ist das Dienstleistungspaket der ABDA geheim. Welche Leistungen können Sie sich vorstellen?
So wie die Gurtpflicht, Airbags und andere Hilfsmittel dazu beitragen, dass die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist, haben wir die Werkzeuge in der Hand, arzneimittelbezogene Krankenhauseinweisungen und Todesfälle zu verhindern, zum Beispiel mit Medikationsanalysen und Medikationsmanagement. Hier müssen Politik und Gesellschaft unsere pharmazeutische Expertise endlich verstärkt nutzen. Auch einem Patienten seinen Medikationsplan zu erklären und später mal nachzuhaken, wie er damit zurechtkommt, könnte ich mir vorstellen.: Sie müssen den Patienten wirklich nutzen. Da sehe ich auf dem Gebiet der Arzneimitteltherapiesicherheit viel Potenzial. Und damit könnten wir sicher auch junge Approbierte wieder für die Arbeit in einer Offizin begeistern.
Halten Sie es für die richtige Strategie, dass die ABDA mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ihren Katalog an Dienstleistungen noch nicht veröffentlicht hat? Der Druck aus der Politik und auch aus der Apothekerschaft steigt seit einiger Zeit spürbar.
Ich verstehe, dass jeder Kollege gerne mehr über die Dienstleistungen wissen möchte, finde es jedoch schon nachvollziehbar, dem GKV-Spitzenverband nicht jetzt schon die Gelegenheit zu geben, den Katalog zu zerfleddern und sich Gegenargumente zu überlegen. Die Dienstleistungen werden doch eh erst dann greifbar für die Menschen, wenn sie den Nutzen erleben können. Das gilt auch für die Politiker. Deswegen habe ich unseren Bundestagsabgeordneten aus meinem Wahlkreis, Ingmar Jung (CDU), vor einiger Zeit auch für ein Praktikum in meiner Apotheke eingeladen. Was Politiker selber erleben, stellt für sie eine erhellende Erfahrung dar.
„Das RxVV ist nach wie vor der Königsweg.“
Manch ein Politiker fürchtet, dass der DAV es nicht schafft, bis zum Ende der Legislaturperiode konkrete Verträge mit dem GKV-Spitzenverband auszuhandeln – denn dieser mauert ganz offensichtlich. Falls die Kassen eine Einigung bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr verschleppen, drohen die nächsten Spargesetze, die dann auch die pharmazeutischen Dienstleistungen treffen könnten. Teilen Sie die Bedenken?
Ich bin mir sicher, dass der DAV die nötige Manpower und Kraft hat, die Verhandlungen schnell zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu führen. Was Sie ansprechen, ist für mich ein vorgeschobenes Argument, um das Konzept der regionalisierten Dienstleistungen voranzutreiben. Da muss halt auch der entsprechende politische Druck aus dem Bundesgesundheitsministerium kommen.
Eine Regionalisierung lehnen Sie also ab?
Absolut. Es wäre doch aberwitzig, wenn bei mir in Wiesbaden ein Versicherter der AOK Hessen Anspruch auf eine Medikationsanalyse bei der Therapie mit fünf Arzneimitteln hat, der Patient, der über die Brücke kommt und bei der AOK Rheinland-Pfalz versichert ist, aber schon bei drei Arzneimitteln. Es darf auch nicht von der Zugehörigkeit zu einer Kasse abhängig sein, auf welche von Dienstleistungen ein Mensch Anspruch hat. Das Kriterium muss doch sein, was der Patient, der vor mir steht, für einen Bedarf hat.
Noch einmal zurück zum Thema Digitalisierung: Welche Visionen haben Sie diesbezüglich für die Apotheken?
Das ist ein Feld, das sich extrem schnell entwickelt. Beispielsweise können schon heutzutage Medikamente aus dem 3D-Drucker hergestellt werden, diese Entwicklungen sind extrem spannend. Natürlich wird das nicht heute oder morgen in den Apotheken ankommen, aber wir sollten solche Innovationen eng begleiten. Damit könnten wir auch die Herstellung in den Präsenzapotheken wieder stärken. Auch Apps sind ein wichtiger Bereich, in den wir uns stärker einbringen sollten.
Inwiefern?
Apps spielen heute in der Gesellschaft eine große Rolle. Das gilt auch für Gesundheitsapps – und viele davon sind erklärungsbedürftig. Wir Apotheker sind doch die idealen Ansprechpartner, wenn es darum geht, dabei die Spreu vom Weizen zu trennen, insbesondere, wenn es medikationsbezogene Anwendungen sind. Welche Anwendung ist für welchen Versicherten wirklich geeignet? Bei dieser Frage sollten wir uns einbringen. Denn diese Entwicklung läuft, ob wir sie begleiten oder nicht.
Die Digitalisierung setzt viel in Bewegung. Gibt es für Sie dabei auch Stoppschilder?
Mein Kollege Otto Quintus Russe hat uns im Vorstand seine Recherchen vorgestellt, die er neulich auch in einen Artikel auf DAZ.online veröffentlicht hat, wie leicht man auf „Arzt/Apotheker“-Online-Portalen mitunter an verschreibungspflichtige Medikamente praktisch aller Indikationen kommt. Ohne Kontakt mit einem Arzt, nur durch das Ankreuzen in einem Fragebogen, erhält man eine „Verschreibung“, die auch gleich an einen Versender gegeben wird. Das finde ich wirklich sehr erschreckend. Die Verschreibungspflicht gibt es ja nicht ohne Grund. Dagegen sollten wir uns mit aller Kraft stemmen, auch im Schulterschluss mit den Ärzten. Denn in deren Interesse können solche Entwicklungen ja auch nicht liegen. Auch die Politik müsste aus Verbraucherschutzgründen schnellstens aktiv werden.
Letzte Frage: Sie gelten als Befürworterin des Versandhandelsverbots mit verschreibungspflichtigen Arzneien. Wollen Sie dieses wieder auf die Agenda setzen?
Das RxVV ist nach wie vor der Königsweg. Damit wären sehr viele Probleme auf einen Schlag gelöst. Allerdings haben wir auch beschlossen, das VOASG konstruktiv und kritisch begleiten zu wollen und die Gleichpreisigkeit – auch für den Bereich der Privaten Krankenversicherung – eingefordert. Dahinter stehe ich völlig. Ich bin gespannt, was aus der Prüfbitte von Sabine Dittmar diesbezüglich wird. Wenn das VOASG in Kraft tritt, kann ich mir nicht vorstellen, dass das RxVV kurzfristig noch einmal auf die politische Agenda gesetzt wird.
2 Kommentare
Grundlagen
von Reinhard Rodiger am 24.10.2020 um 20:19 Uhr
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Ehrlichkeit
von Wolfgang Müller am 24.10.2020 um 16:49 Uhr
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