VIA-Pressegespräch

Kein Rx-Versandverbot – und nun?

Berlin - 28.10.2020, 12:00 Uhr

Morgen verabschiedet der Bundestag das VOASG – ohne ein Rx-Versandverbot. (c / imago images / Reiner Zensen)

Morgen verabschiedet der Bundestag das VOASG – ohne ein Rx-Versandverbot. (c / imago images / Reiner Zensen)


Arndt Lauterbach, Vorstandsmitglied des Verbands innovativer Apotheken (via), bedauert, dass das Rx-Versandhandelsverbot wohl keine Chance mehr hat. Am morgigen Donnerstag will der Bundestag schließlich das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz mit dem Rx-Boniverbot für den GKV-Bereich beschließen – eine aus Sicht des Apothekenrechtsexperten Dr. Morton Douglas völlig missratene Regelung, die über kurz oder lang vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird. Der Pharmaziestudent Benedikt Bühler hat die Hoffnung auf das Versandverbot trotzdem noch nicht ganz aufgegeben.

Zwei Tage vor der abschließenden Beratung des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) im Bundestag hatte der im vergangenen Jahr gegründete Verband innovativer Apotheken (via) am gestrigen Dienstag die Fachpresse zu einer Online-Pressekonferenz geladen. Zusammen mit dem Pharmaziestudenten und Petenten für das Rx-Versandverbot, Benedikt Bühler, sowie dem Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas wollte man nochmals vor Augen führen, was die Politik in den vergangenen vier Jahren als Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rx-Preisbindung zuwege gebracht hat: Ein Gesetz, das die Rx-Preisbindung für EU-Versender ins Sozialrecht beziehungsweise den Rahmenvertrag überführt. Gleiche Preise diesseits und jenseits der EU-Grenze soll es lediglich – oder zumindest – für GKV-Versicherte geben, die im Rahmen der Sachleistung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln versorgt werden. Die Norm, die bisher die Gleichpreisigkeit im Arzneimittelrecht absichert (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG), soll dagegen gestrichen werden.

Wie die Erfolgsaussichten für das Rx-Versandverbot schwanden

Das Rx-Versandverbot, das der 2016 amtierende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf den Weg bringen wollte, nachdem der EuGH die Gleichpreisigkeit gekippt hatte, scheiterte bekanntlich vor allem am Gegenwind vonseiten des Koalitionspartners SPD. Gröhes Nachfolger und Parteikollege Jens Spahn verfolgte das Vorhaben nicht weiter, sondern setzte von Anfang an auf neue Spielarten eines Boni-Verbots – auch wenn das Rx-Versandverbot durchaus noch Eingang in den Koalitionsvertrag fand.

Anders als der Bundesgesundheitsminister sahen es die Länder. Sie empfahlen im vergangenen Jahr in ihrer ersten Stellungnahme zum VOASG, besser auf das Rx-Versandverbot zu setzen. Doch dieser Rat prallte an Spahn und seinem Haus ab. Auch Bühler brachte zwar eine fulminante Petition auf den Weg und durfte sein Anliegen im Petitionsausschuss vortragen – doch wirklich bewegt hat dies auf politischer Ebene bislang nichts.

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Für Douglas liegt es auch an der mangelnden Unterstützung derjenigen, „die meinen, die Apotheker zu vertreten“, dass das Rx-Versandverbot aus seiner Sicht jetzt keine reale Chance mehr hat. Nun gelte es Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Versandhändler künftig nicht bevorzugt werden. Das Boni-Verbot im VOASG ist für ihn eine gänzlich „missratene Regelung“. Warum es im Bereich der GKV, aber nicht der PKV gelten soll, ist für Douglas nicht vermittelbar.

Auch die lang erwartete Stellungnahme der EU-Kommission, die letztlich ein Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton an Jens Spahn war, der vor allem die Vorzüge des E-Rezepts preist, ist für den Anwalt alles andere als ein Freibrief. Douglas findet vielmehr: Wenn das E-Rezept dem Versandhandel doch solche Erleichterung bringt, wie es Breton betont, dann sollte man es doch beim bisherigen Rx-Boniverbot belassen und nicht auf eine so „fehlerbehaftete“ Regelung wie im VOASG zurückgreifen, die ohnehin vor dem EuGH landen wird. Aber auch dafür dürfte es jetzt schon zu spät sein.

Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung des E-Rezepts an 

Bühler, selbst für die CDU aktiv, ist ebenfalls maßlos enttäuscht vom Ist-Zustand: Ein Rx-Boniverbot für einen Teil der Versicherten hätte man bereits vor vier Jahren haben können, erklärt er. Dafür wäre die SPD schon damals zu haben gewesen. Doch man spielte über Jahre ein Schwarzer-Peter-Spiel, in der sich Politik und ABDA wechselseitig zuschoben, dass es nicht vorangehe. 

Umso wichtiger ist es aus Sicht Bühlers, Douglas` und auch des via-Vorstands, sich jetzt auf das zu konzentrieren, auf das sich noch Einfluss nehmen lässt, etwa die weitere Ausgestaltung des E-Rezepts. Lauterbach sieht etwa mit Sorge, dass ausgerechnet die DocMorris-Tochter eHealth-Tec der Favorit der Gematik zu sein scheint. Das Unternehmen hat unter anderem die technische Infrastruktur für das in Hamburg gestartete E-Rezept-Modellprojekt der TK gebaut. Lauterbach ist überzeugt: „Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht!" 

Douglas betonte, dass es jetzt entscheidend darauf ankomme, was passiert, wenn der Patient sein E-Rezept in der App abruft. Es müsse unbedingt verhindert werden, dass dann durch Voreinstellungen Anbieter wie Amazon und DocMorris an den ersten Stellen angezeigt werden. Auf der dritten Position habe die Apotheke vor Ort keine Chance mehr. Ein strenges Neutralitätsgebot sei hier höchst wichtig. Zudem sieht er in Sachen Datenschutz noch Baustellen. Ein Patient, der bei einer Kapitalgesellschaft Arzneimittel bestelle, müsse zumindest davor gewarnt werden, dass diese keine Berufsgeheimnisträgerin ist, wie Heilberufler es sind (203 StGB).

Bühler hat übrigens noch eine gewisse Hoffnung für das Rx-Versandverbot: Die Länder könnten aus seiner Sicht nicht nur im Rahmen anderer Gesetzgebungsverfahren Vorschläge einbringen, sondern selbst Initiative für das Rx-Versandverbot ergreifen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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