Drittes Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen

Weg frei für das neue Pandemie-Gesetz

Berlin - 18.11.2020, 17:50 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verteidigte im Bundestag die Corona-Politik der Großen Koalition. (rh / Foto: imago images / Political-Moments)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verteidigte im Bundestag die Corona-Politik der Großen Koalition. (rh / Foto: imago images / Political-Moments)


Während in unmittelbarer Nähe Tausende gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern demonstrierten, haben am heutigen Mittwoch zunächst der Bundestag und dann der Bundesrat das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen. Das Gesetz schafft unter anderem neue Entscheidungsgrundlagen für die Pandemiebekämpfung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte: „Das Virus ist dynamisch, wir müssen es auch sein.“ Die Opposition – allen voran die AfD – kritisierte das Gesetz in der Parlamentsdebatte scharf.

Das im Eilverfahren beschlossene Dritte Bevölkerungsschutzgesetz steht in der Folge der beiden im März und Mai 2020 beschlossenen Bevölkerungsschutzgesetze. In diesen hatte der Bund unter anderem umfangreiche Ermächtigungsgrundlagen für schnelles Handeln während einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geschaffen. Doch die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen, die die Länder anordneten, wurden in der letzten Zeit immer öfter von Gerichten für unzulässig befunden. Die Regelungen sicherer zu machen und zudem entsprechend der in der Pandemie neu gewonnenen Erkenntnisse weiterzuentwickeln, war daher Ziel der Großen Koalition.

In den vergangenen Tagen wurde noch hart um die jetzt von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Änderungen im Infektionsschutzgesetz gerungen. Im Zentrum der Kritik stand eine neue Norm, die die Maßnahmen, die Bund und Ländern in der gegenwärtigen Pandemie ergreifen können, konkretisiert. Ein neuer, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf sieben Absätze angewachsener § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) zählt nun mögliche „notwendige“ Schutzmaßnahmen auf – 17 an der Zahl. Es sind die bereits bekannten Abstandsgebote, die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Untersagungen oder Beschränkungen für bestimmte Veranstaltungen oder Einrichtungen. Abschließend ist die Aufzählung aber nicht. Sofern es um Eingriffe in besonders sensible Bereiche geht, etwa durch die Untersagung von Versammlungen, religiösen Zusammenkünften oder Besuchen in Alten- und Pflegeheimen, werden die Grenzen noch enger gezogen. Sie sind nur zulässig, wenn die wirksame Eindämmung von SARS-CoV-2-Infektionen trotz aller anderen getroffenen Schutzmaßnahmen „erheblich gefährdet“ wäre. Den Weg ins Gesetz fanden auch die Schwellenwerte bei den Neuinfektionen: Demnach können betroffene Regionen insbesondere bei mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen ergreifen, „die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen“. Weiterhin sieht der neue Paragraf vor, dass Rechtsverordnungen der Länder zu begründen und zeitlich zu befristen sind. Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen, kann aber verlängert werden.

Schlagabtausch im Bundestag

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte im Bundestag die Beschränkungen in der gegenwärtigen „Jahrhundert-Pandemie“ und warb um weiteres Vertrauen in das Krisenmanagement. Egal ob man in der gegenwärtigen Lage etwas tue oder nichts tue, es entstehe immer ein Schaden – wirtschaftlicher, sozialer oder gesundheitlicher. Der Bundestag müsse hier gewichten und Entscheidungen treffen – und er habe sich entschieden, dem Schutz der Gesundheit ein relativ höheres Gewicht zu geben. Steigende Infektionszahlen, so der CDU-Politiker, führten früher oder später zu steigendem Leid auf den Intensivstationen und zu einem Kontrollverlust. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas wies Befürchtungen zurück, dass mit der Reform Befugnisse für Bundes- und Landesregierungen ausgeweitet würden. „Genau das Gegenteil ist der Fall“, sagte sie.

Zum Auftakt der Debatte hatte die AfD zunächst versucht, das Thema wieder von der Tagesordnung zu nehmen, scheiterte damit aber am geschlossenen Widerstand der anderen Fraktionen. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, kritisierte, die Koalition habe den Antrag in den Ausschüssen durchgepeitscht, ohne dass den Abgeordneten genügend Zeit zur Prüfung und Debatte geblieben sei. „Die heutige Gesetzesvorlage ist eine Ermächtigung der Regierung, wie es das seit geschichtlichen Zeiten nicht mehr gab“, sagte er zudem. Abgeordnete der anderen Fraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Das Verfahren sei vollkommen geordnet und das Parlament „massiv beteiligt“ gewesen, sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Das Gesetz werde das Parlament in der Corona-Pandemie stärken. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, warf der AfD vor, sie habe keine Alternativen, sie wolle nur Krawall machen.

Redner von FDP, Grünen und Linkspartei kritisierten die Reform des Infektionsschutzgesetzes dennoch. Die geplanten Neuregelungen gäben den Regierungen keine Leitplanken vor, sondern stellten ihnen „einen Freifahrtschein“ aus, sagte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Es sei eine demokratische Grundsatzfrage, dass niemals Regierungen über solche massiven Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte entscheiden dürften, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte.

Weitere Regelungen des Gesetzes: Masken, Impfungen, Schnelltests

Das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz enthält aber auch weitere Regelungen als den neuen und besonders umstrittenen § 28a IfG. So gibt es nun erstmals eine Definition im Infektionsschutzgesetz, was überhaupt unter einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu verstehen ist.

Zudem sollen Versicherte grundsätzlich einen Anspruch auf die Schutzmasken erhalten, wenn sie zu einer Risikogruppe mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gehören. Einzelheiten zur konkreten Ausgestaltung des Anspruchs, zur Art der Schutzmasken, zur Anzahl der vom Anspruch umfassten Schutzmasken sowie zu Vertrieb und Abgabe der Schutzmasken – zum Beispiel in Apotheken – regelt das Bundesgesundheitsministerium in einer gesonderten Rechtsverordnung. Offenbar gibt es auch schon konkretere Vorstellungen zu dieser Verordnung. In dem am 16. November von der Bundeskanzlerin und den Länderchefs gefassten Beschluss zur Corona-Pandemie heißt es, dass die Abgabe von FFP2-Masken bereits Anfang Dezember starten soll. Zudem ist dort die Rede von 15 Masken pro Person (rechnerisch eine pro Winterwoche), die es „gegen eine geringe Eigenbeteiligung“ geben soll.

Weiterhin gibt es – abermals nach Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung – einen Anspruch auf Schutzimpfungen gegen SARS-CoV-2 und Testungen, und zwar für Versicherte ebenso wie für Nichtversicherte. Die privaten Krankenversicherungen werden anteilig in Höhe von 7 Prozent an den Kosten beteiligt, soweit diese nicht von Bund oder Ländern getragen werden.

Änderung in der Medizinprodukte-Abgabe-Verordnung

Überdies wird der derzeit (in § 24 IfSG) für die Feststellung bestimmter Infektionskrankheiten geltende Arztvorbehalt modifiziert. Patientennahe Schnelltests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 sollen breiter eingesetzt werden können. Auch die Medizinprodukte-Abgabeverordnung wird angepasst. Dort ist derzeit bestimmt, dass In-vitro-Diagnostika ausschließlich an bestimmte Adressaten abgegeben werden dürfen – etwa Ärzte, Apotheken und Einrichtungen im Gesundheitswesen. Zunächst wollte man hier nur Pflegeeinrichtungen ergänzen. Nun sind auch noch Einrichtungen der Eingliederungs-  und Behindertenhilfe hinzugekommen. Beide Änderungen zielen darauf ab, dass das Personal von Alten- und Pflegeheimen sowie der anderen genannten Einrichtungen die Schnelltests durchführen können. Auch diese Regelung ist auf Zeiten einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite begrenzt. Für Apotheken ist damit klargestellt: Sie dürfen die Tests an Heime und andere Einrichtungen abgeben – allerdings weiterhin nicht an Endverbraucher.

Überdies werden wieder Hilfen für Krankenhäuser und stationäre Reha- und Vorsorgeeinrichtungen eingeführt. Kliniken, die Operationen aussetzen, um Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten zu schaffen, erhalten Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Weitere Regelungen betreffen die Einreise aus Risikogebieten und die Weiterentwicklung von Surveillance-Instrumenten beim Robert Koch-Institut. Zudem werden Entschädigungsregelung für Eltern bis März 2021 fortgeführt und der Anspruch auf Verdienstausfall neu geregelt.

Das Gesetz soll voraussichtlich schon am 19. November 2020 in Kraft treten.



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

bevölkerungsschutzgesetz corona

von lutz windisch am 25.11.2020 um 19:24 Uhr

was ich im priv.bereich machen darf,für mich in keinster weise
erkennbar.ich wollte eine feier machen mit ca.20 pers.in einen raum 130 qm?

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