Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.11.2020, 07:44 Uhr

Wie lange wird das neue Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wohl unsere Vor-Ort-Apotheken stärken können? (Foto: Alex Schelbert)

Wie lange wird das neue Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wohl unsere Vor-Ort-Apotheken stärken können? (Foto: Alex Schelbert)


Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ist endgültig durch. Für die ABDA ist das der Startschuss für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung. Den Schuss hat die Basis so nicht gehört, allenfalls ein kleines Plopp. Das Gesetz bringt uns ein wackeliges Rx-Boni-Verbot, unbekannte honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Und einen kleinen Zuschuss für den Botendienst. Ist das die zukunftsfähige Arzneimittelversorgung? Für unseren neuen BAK-Präsident Thomas Benkert ist dies das Ziel: „Ich will, dass wir die Arbeit der Pharmazeuten auf qualitativ hohem Niveau fachlich weiterentwickeln.“ Aber Hamburgs Kammerpräsident Kai-Uwe Siemsen weiß, wie’s besser wird: „Das Honorar muss wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit.“ Derweil kündigt DocMorris mit neuem Logo seinen Kunden einen doppelten Bonus für Rezepte an. 

23. November 2020

Das war zu erwarten: Seit 1. November haben Ärztinnen und Ärzte die Pflicht, auch die Dosierung auf dem Rezept zu vermerken – aber viele haben mit dieser ihrer Pflicht so ihre Probleme. Eine große Anzahl der in Apotheken vorgelegten Rezepte enthält keine Dosierungsangaben, keine vollständigen oder falsche Dosierungsangaben, schreiben die Apothekerverbände von Hamburg und Schleswig-Holstein in einem offenen Brief an die Organisationen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhausärzte. Ja, mein liebes Tagebuch, kann es denn so schwer sein, die Dosierung aufs Rezept zu schreiben? Offenbar schon. Vielen Ärzten, vor allem Zahn- und Krankenhausärzten, so vermutet man, sei diese neue Regelung noch nicht bekannt oder ihre EDV schaffe das noch nicht. Ein trauriges Bild. Und wer muss die Folgen ausbaden? Richtig, wir Apothekers. Wir müssen dann den korrekten Dosierungsangaben hinterherlaufen, sprich, den Arzt anrufen (mega-nervig und zeitintensiv) oder gar das Rezept zum Nachbessern zurückschicken. Und dann stehen wir noch vor dem Dilemma, unsere Patienten nicht rasch versorgen zu können: Sie müssen in Pandemiezeiten noch einmal in die Apotheke kommen oder wir müssen die Arzneimittel per Boten liefern. Die  Apotheken stünden da vor einem unauflösbaren Interessenskonflikt zwischen patientengerechter Arzneimittelversorgung und Bürokratie, schreiben die Apothekerverbände. Mein liebes Tagebuch, außerdem droht uns noch eine mögliche Retaxierung durch die Krankenkassen, wenn uns doch einmal ein Rezept mit unvollständiger oder gar fehlender Dosierung durchgeht. Immerhin, die Ersatzkassen zeigen sich gnädig, sie kündigten an, Apotheken bis zum Jahresende nicht zu retaxieren, wenn die Vorgaben zur Dosierungsangabe nicht eingehalten wurden. Aber so kulant zeigen sich beileibe nicht alle Kassen. Die Apothekerverbände und Ärzteorganisationen wollen daher Regierung und Krankenkassen um eine Nichtbeanstandungsfrist bitten: Die Ärzte sollen noch Zeit bekommen, sich technisch (und wohl auch mental) auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Mein liebes Tagebuch, das alles zeigt wieder einmal, wie verquer es in unserem System läuft. Wie wäre es, wenn der Gesetzgeber bei solchen Umstellungen und Neuerungen gleich mal an eine ausreichend lange Übergangsfrist denkt? Und wie wäre es, wenn wir Apothekers endlich nicht mehr für Fehler belangt werden, die wir nicht gemacht haben?

 

In seiner Online-Kammerversammlung hat Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, die jüngsten Ereignisse in unserer Szene gut zusammengefasst: Es seien  Ideen wie aus einem dystopischen Zukunftsroman. Gut getroffen! Und das sind diese Dystopien: Der Auftrag für den Aufbau des E-Rezeptes wird quasi an ein Unternehmen vergeben, das von sich behauptet, mit dem E-Rezept richtig durchstarten zu können. Gesundheitspolitiker treten auf einer Veranstaltung gemeinsam mit Masken auf, die mit dem Logo dieses Unternehmens geschmückt sind. Und in der großen Politik paktiert der Bundesgesundheitsminister mit dem größten Internetunternehmen der Welt in Sachen Gesundheitsinformationen. Hinzukommt, dass der größte Internetversender mit Amazon Pharmacy das Feld der Arzneimittelversorgung betreten hat, zunächst in den USA – aber fast schon vor den Toren Europas steht. Christiansens Antwort darauf: Die Apothekers sollten bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig, aber bisher musste man die ABDA immer bewegen. Da bleibt wohl nur die Hoffnung auf eine neue ABDA. Was Christiansen auch forderte: Endlich die Approbationsordnung zu novellieren. In der Kammerversammlung regte Professor Christian Pfeifer, Uni Kiel, eine Ausdehnung des Pharmaziestudiums auf zehn Semester an, nur so könnten zusätzliche Inhalte der Klinischen Pharmazie integriert werden, ohne die naturwissenschaftliche Basis zu schwächen. Aber klar, so eine Verlängerung des Studiums kostet. Und da kann man gespannt sein, was die Politik dazu sagt. Die Diskussion dazu ist jedenfalls eröffnet.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Die Worte hör ich wohl, Kai Siemsen . . .

von Uwe Hansmann am 29.11.2020 um 16:23 Uhr

. . . nicht nur mir allein fehl5 de4 Glaube, das es da zu irgendwie gearteten Anpasungen in adäquater Höhe kommen wird. Ich erinnere an den Rohrkrepierer „Perspektivpapier 2030“. Was bleibt am Ende davon, wenn die Politik weiter die Konzentrationsschraube dreht? Denn nichts anderes spielt sich doch vor unseren Augen ab, ohne das wir ich nur im Entferntesten an Besserung glauben können. Schon jetzt sind viele Betriebe älterer Kollegen nahezu unverkäuflich, da die rigorose Preispressingpolitik der Regierung im Verein mit den Krankenkassen die Roherträge an die absolute Schmerzgrenze gedrückt hat. Die vielgepriesenen Mehrwertdienste und deren immer noch unklare, ja schwammige, Entlohnung wird den Berufsstand nicht aus dem Keller holen.

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Widerspruch

von Reinhard Rodiger am 29.11.2020 um 14:51 Uhr

Da redet die neue Führung von Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit trotz stetigem, selbst erzeugten Schwinden von Apotheken.Das Studium soll verlängert werden, bei Erhöhung der Chancenlosigkeit für Selbstständigkeit."Junge" sollen motiviert werden trotz schwindender Möglichkeiten.Das KO für Vor-Ort-Apotheken soll Zuversicht bringen.Es geht also weiter mit der Fehleinschätzung von Zukunft.Der Sack mit der unerwünschten Katze bleibt weiterhin zu. Ist nicht allein der Widerspruch zwischen Förderung der einen Seite und systematischer Verkleinerung der anderen vielsagend genug?

Kurz gesagt: nichts wurde gelernt.Motivierend könnte nur sein, offen einzustehen für die Fehlhandlung der Vergangenheit :
Preisgabe der Basis, der Geschäftsgrundlage.Die Politik hat das begriffen, sie lässt ihre Missachtung überall durchscheinen.
Niemand sagt etwas. Das Schweigen ist laut genug.Auch das wird verstanden.Ergebnis: Spielball.

Positiv interpretiert:das Spiel kann gedreht werden und mit neuer Führung die Regie übernommen werden.Oder , wir bleiben, was vorher erreicht wurde: eben Spielball, zu beliebigen Verwendung.

Also das Spiel drehen oder durch den Wolf gedreht werden.
Ein Appell.


PS: Es ist schwer,aber es wurde ja auch nie versucht.Eine Chance.

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Ergebnispolitik

von Ulrich Ströh am 29.11.2020 um 9:35 Uhr

Recht so, Kai-Peter Siemsen :

„Das Honorar muß wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit ….“

Endlich ein norddeutscher Kammerpräsident,der Klartext nach vielen Jahren des Stillstands spricht.

Standespolitik ist auch immer Ergebnispolitik.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ergebnispolitik

von Dr.Diefenbach am 29.11.2020 um 12:49 Uhr

Also mal ehrlich:DAS kann ja wohl kaum als pfiffiger Leuchtturm in Form einer Aussage angesehen werden!DIESE Forderung, halt mit anderen Worten, besteht seit JAHREN,sie wurde auf Apothekertagen und Kammerversammlungen x-fach vorgetragen.Und dass die Realisierung jetzt wieder gefordert wird, ist zwar nett gemeint, wird aber wohl im Strudel der Spahnschen Corona-Geldverteilung vom Tisch gewischt werden."Nett" gemeint heisst allerdings:ES ist eine Unverschämtheit,dass die Politik uns mit einer lächerlichen Centanpassung vor einigen Jahren abspeiste, sich wohl auch weiterhin am durchschnittlichen Jahresergebnis OHNE Berücksichtigung der Rechtsverschiebung orientiert und letztendlich die Systemrelevanz der Apotheken (ein zweifelhafter Auslegungsbegriff) schon wieder ad acta gelegt haben könnte.Wie in dieser Woche in einem Beitrag auch MAL WIEDER erwähnt:Mediziner bekommen bei Forderungen stets Zusatzhonorare,den Juristen droht eine Erhöhung(!) der Vergütungen um 1o !!!! Prozent.UND:Fritz Becker führte mal aus, dass die Kompensation vor einigen Jahren, die uns Cents einbrachte,über einen Euro hinaus (die genaue Summe weiss ich nicht mehr) gehen müsse, aber nicht realisierbar sei.SO siehts aus,lieber Herr Siemsen, und DA wäre wohl die ABDA MV schon lange in der Pflicht gewesen.Da turteln doch 34 Organisationen zusammen, oder ???

60. Große Fortbildung - Herzlichen Glückwunsch Kammer Nordrhein

von Smilla Schwarz am 29.11.2020 um 8:07 Uhr

Am Mittwoch dieser Woche fand in der Apothekerkammer Nordrhein zum 60. mal die Große Fortbildung statt. Für diesen runden Geburtstag wurde das Thema „Health goes digital - wir Apotheker auch?!“ ausgewählt. Diese Kombination weckte Hoffnungen auf ein digitales Feuerwerk der Fortbildung. Denn in der Coronakrise hat sich keine Branche so rasant fortentwickelt wie das digitale Veranstaltungsmanagement und wie die Methodik in der digitalen Lehre. Professionell organisierte Tagungen vermögen inzwischen einen großen Teil dessen auch digital abzubilden, was den Erfolg der große Fortbildung in Nordrhein immer ausgemacht hat, das Treffen von Kollegen, die man lange nicht gesehen hatte, der fachliche Austausch in den Veranstaltungspausen und das „Get together“ im Anschluss.

Es ist sehr bedauerlich, dass gerade in dieser Jubiläumsveranstaltung die neuen Chancen und Optionen des professionellen Tagungsmanagements nicht eingesetzt wurden. Man beschränkte sich auf bewährte hauseigene Möglichkeiten. Auch dann dürfen die mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Vorbild für ihr eigenes Handeln von ihrer Kammer Nordrhein einen professionellen Auftritt erwarten. Das gilt nicht nur für den Neuigkeitswert der Inhalte der großen Fortbildung, sondern ganz besonders auch für eine professionelle Selbstdarstellung als Körperschaft öffentlichen Rechts. Dazu gehören die perfekte Ausleuchtung der Moderierenden, eine Kameraführung, die den Referenten in den Mittelpunkt des Bildes rückt, ein einheitlicher, organisationsbezogener virtueller Hintergrund, eine angemessene, anlassbezogene Buisiness-Kleidung und die konsequente Einhaltung des im Programm veröffentlichten Zeitplans. Es mag der Einschätzung jedes einzelnen der über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst überlassen bleiben, in wie weit jeder selbst bei dieser Veranstaltung diese Anforderungen vom Flaggschiff der nordrheinischen Fort- und Weiterbildung als erfüllt ansieht. Die Apothekerkammer Nordrhein selbst hat jedenfalls damit, dass nicht der Präsident selbst sondern seine Stellvertreterin das Eröffnungsreferat übernommen hat, nonverbal ein unmissverständliches Signal gesetzt. Sie hat damit den Stellenwert beschrieben, den die Kammer selbst sowohl dem Thema „Health goes digital“ als auch der beruflichen Fort- und Weiterbildung derzeit zumisst.

...ach übrigens, Apothekerinnen und Apotheker freuen sich durchaus über ein online-Grußwort, das eine persönliche Wertschätzung für die in der Apotheke vor Ort Tätigen zum Ausdruck bringt. Das gilt erst recht, wenn sich jemand am nächsten Tag für eine Position im BAK-Vorstand bewerben will, die er aus eigenen Kräften allein niemals hätte erreichen können sondern für die er als Grundvoraussetzung ein zustimmendes Wahlverhalten seiner Kolleginnen und Kollegen vor Ort benötigt hat.

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