- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ist endgültig durch. Für die ABDA ist das der Startschuss für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung. Den Schuss hat die Basis so nicht gehört, allenfalls ein kleines Plopp. Das Gesetz bringt uns ein wackeliges Rx-Boni-Verbot, unbekannte honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Und einen kleinen Zuschuss für den Botendienst. Ist das die zukunftsfähige Arzneimittelversorgung? Für unseren neuen BAK-Präsident Thomas Benkert ist dies das Ziel: „Ich will, dass wir die Arbeit der Pharmazeuten auf qualitativ hohem Niveau fachlich weiterentwickeln.“ Aber Hamburgs Kammerpräsident Kai-Uwe Siemsen weiß, wie’s besser wird: „Das Honorar muss wachsen, auch ohne zusätzliche Arbeit.“ Derweil kündigt DocMorris mit neuem Logo seinen Kunden einen doppelten Bonus für Rezepte an.
23. November 2020
Das war zu erwarten: Seit 1. November haben Ärztinnen und Ärzte die Pflicht, auch die Dosierung auf dem Rezept zu vermerken – aber viele haben mit dieser ihrer Pflicht so ihre Probleme. Eine große Anzahl der in Apotheken vorgelegten Rezepte enthält keine Dosierungsangaben, keine vollständigen oder falsche Dosierungsangaben, schreiben die Apothekerverbände von Hamburg und Schleswig-Holstein in einem offenen Brief an die Organisationen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhausärzte. Ja, mein liebes Tagebuch, kann es denn so schwer sein, die Dosierung aufs Rezept zu schreiben? Offenbar schon. Vielen Ärzten, vor allem Zahn- und Krankenhausärzten, so vermutet man, sei diese neue Regelung noch nicht bekannt oder ihre EDV schaffe das noch nicht. Ein trauriges Bild. Und wer muss die Folgen ausbaden? Richtig, wir Apothekers. Wir müssen dann den korrekten Dosierungsangaben hinterherlaufen, sprich, den Arzt anrufen (mega-nervig und zeitintensiv) oder gar das Rezept zum Nachbessern zurückschicken. Und dann stehen wir noch vor dem Dilemma, unsere Patienten nicht rasch versorgen zu können: Sie müssen in Pandemiezeiten noch einmal in die Apotheke kommen oder wir müssen die Arzneimittel per Boten liefern. Die Apotheken stünden da vor einem unauflösbaren Interessenskonflikt zwischen patientengerechter Arzneimittelversorgung und Bürokratie, schreiben die Apothekerverbände. Mein liebes Tagebuch, außerdem droht uns noch eine mögliche Retaxierung durch die Krankenkassen, wenn uns doch einmal ein Rezept mit unvollständiger oder gar fehlender Dosierung durchgeht. Immerhin, die Ersatzkassen zeigen sich gnädig, sie kündigten an, Apotheken bis zum Jahresende nicht zu retaxieren, wenn die Vorgaben zur Dosierungsangabe nicht eingehalten wurden. Aber so kulant zeigen sich beileibe nicht alle Kassen. Die Apothekerverbände und Ärzteorganisationen wollen daher Regierung und Krankenkassen um eine Nichtbeanstandungsfrist bitten: Die Ärzte sollen noch Zeit bekommen, sich technisch (und wohl auch mental) auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Mein liebes Tagebuch, das alles zeigt wieder einmal, wie verquer es in unserem System läuft. Wie wäre es, wenn der Gesetzgeber bei solchen Umstellungen und Neuerungen gleich mal an eine ausreichend lange Übergangsfrist denkt? Und wie wäre es, wenn wir Apothekers endlich nicht mehr für Fehler belangt werden, die wir nicht gemacht haben?
In seiner Online-Kammerversammlung hat Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, die jüngsten Ereignisse in unserer Szene gut zusammengefasst: Es seien Ideen wie aus einem dystopischen Zukunftsroman. Gut getroffen! Und das sind diese Dystopien: Der Auftrag für den Aufbau des E-Rezeptes wird quasi an ein Unternehmen vergeben, das von sich behauptet, mit dem E-Rezept richtig durchstarten zu können. Gesundheitspolitiker treten auf einer Veranstaltung gemeinsam mit Masken auf, die mit dem Logo dieses Unternehmens geschmückt sind. Und in der großen Politik paktiert der Bundesgesundheitsminister mit dem größten Internetunternehmen der Welt in Sachen Gesundheitsinformationen. Hinzukommt, dass der größte Internetversender mit Amazon Pharmacy das Feld der Arzneimittelversorgung betreten hat, zunächst in den USA – aber fast schon vor den Toren Europas steht. Christiansens Antwort darauf: Die Apothekers sollten bei der Digitalisierung „selbst etwas bewegen statt bewegt zu werden“. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig, aber bisher musste man die ABDA immer bewegen. Da bleibt wohl nur die Hoffnung auf eine neue ABDA. Was Christiansen auch forderte: Endlich die Approbationsordnung zu novellieren. In der Kammerversammlung regte Professor Christian Pfeifer, Uni Kiel, eine Ausdehnung des Pharmaziestudiums auf zehn Semester an, nur so könnten zusätzliche Inhalte der Klinischen Pharmazie integriert werden, ohne die naturwissenschaftliche Basis zu schwächen. Aber klar, so eine Verlängerung des Studiums kostet. Und da kann man gespannt sein, was die Politik dazu sagt. Die Diskussion dazu ist jedenfalls eröffnet.
5 Kommentare
Die Worte hör ich wohl, Kai Siemsen . . .
von Uwe Hansmann am 29.11.2020 um 16:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Widerspruch
von Reinhard Rodiger am 29.11.2020 um 14:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ergebnispolitik
von Ulrich Ströh am 29.11.2020 um 9:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Ergebnispolitik
von Dr.Diefenbach am 29.11.2020 um 12:49 Uhr
60. Große Fortbildung - Herzlichen Glückwunsch Kammer Nordrhein
von Smilla Schwarz am 29.11.2020 um 8:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.