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Unzufriedenheit mit der Politik und der Standesvertretung: Apothekerin Guttenberger gründete einen neuen Verein, der vor allem mehr Basisnähe will. Arzneimittel-Lieferengpässe: Problem erkannt, man redet darüber, aber rasche Lösungen? Gewählt ohne Gegenkandidaten: Thomas Dittrich ist neuer Chef des Deutschen Apothekerverbands – große Aufgabe, da kommt was auf ihn zu. Simple Testkits zum Nachweis von Antikörpern gegen das Corona-Virus verkaufen: dm darf’s, die Apotheken nicht – kann man das verstehen? Und – ganz magic! – beim Deutschen Apothekerverband startet in wenigen Tagen die digitale Welt. Wie? Noch geheim. Der Nikolaus verrät es bestimmt nicht!
30. November 2020
Ein Blick ins Kammergebiet Westfalen-Lippe zeigt, wie die Zahl der Apothekenbetriebe sinkt – und diese Tendenz ist bereits seit 16 Jahren festzustellen. Seither haben 420 Apotheken dauerhaft geschlossen. In diesem Jahr gab’s in diesem Kammergebiet 43 Schließungen und nur sieben Neueröffnungen. Die Zahl der Apotheken ging somit um 36 von 1868 auf jetzt 1832 Apotheken zurück. Mein liebes Tagebuch, da kann man der Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening nur zustimmen: Es ist eine alarmierende Entwicklung. Die Gründe dafür sieht die Kammerpräsidentin in einer nicht auskömmlichen Honorierung und in einer völlig überbordenden Bürokratie. Die Kammerpräsidentin spricht sich daher dafür aus, „die für die Corona-Pandemie geltenden Ausnahmeregelungen zu verstetigen“. Gemeint sind damit z. B. die Möglichkeit, Patienten bei Lieferengpässen von Rabattarzneimitteln ein vorrätiges, wirkstoffgleiches Alternativpräparat sofort bei Vorlage des Rezepts in der Apotheke auszuhändigen. Oder bei Lieferengpässen ein Arzneimittel abgeben zu dürfen, das den Festbetrag übersteigt und dessen Mehrkosten die Kassen übernehmen. Diese Forderung ist vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch, und da die Kammerpräsidentin ab 1. Januar 2021 die ABDA-Präsidentin ist, gehe ich davon aus, dass sie sich auch um die Verstetigung solcher Ausnahmeregelung sofort nach Amtsantritt kümmern wird.
Sie wird aber nicht die Apothekenschließungen aufhalten können – die Höhe unseres Apothekenhonorars per se ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Hinzu kommt der demografische Wandel: Fast 500 Inhaber:innen im Kammergebiet Westfalen-Lippe sind 60 Jahre alt oder älter – und der Nachwuchs, der bereit ist, das unternehmerische Risiko für eine Apotheke zu tragen, ist nicht wirklich in Sicht. Mein liebes Tagebuch, das kann man ihm auch nicht übelnehmen. Denn selbst für die jungen Apothekers unter uns, die von zuhause aus eine oder mehrere Apotheken mit in die Wiege gelegt bekommen haben, gibt es in unseren Zeiten keine Erfolgsgarantie. Und immer mehr Nachwuchs-Pharmazeut:innen, die ihr Examen frisch in der Tasche haben, entschließen sich nicht für den Weg in eine Offizin, schon gar nicht in die Selbstständigkeit, wo sie mit ihrem gesamten Prjvatvermögen haften – sie wissen, in der Industrie gibt’s spannende Jobs und sie zahlt besser.
Mein liebes Tagebuch, schade, dass der Apothekerberuf durch Bürokratie und unzureichende wirtschaftliche Bedingungen von seiner Attraktivität her in Schieflage geraten ist. Eigentlich ist doch Apothekerin, Apotheker zu sein, abwechslungsreich und hochattraktiv: Proud to be a pharmacist!
1. Dezember 2020
Apothekerin Beatrice Guttenberger versucht’s: Sie gründete einen neuen Verein, den Verbund starke Apotheke, seit Kurzem auch zu finden auf der neuen Webseite www.starkeapotheke.de. Auslöser für ihre Vereinsgründung waren die AvP-Insolvenz, von der die Apotheke ihres Bruders betroffen ist, und ihr Gefühl, in dieser Krise von der Politik und der Berufsvertretung in Stich gelassen zu sein. Gemeinsam mit gleichgesinnten Kolleginnen und Kollegen will sie über den neugegründeten Verein ein gewisse politische Schlagkraft entwickeln. Die Apothekerin, die ihre Apotheke im unterfränkischen Ochsenfurt betreibt und selbst nicht von der AvP-Insolvenz betroffen ist, ist schon seit geraumer Zeit unzufrieden mit der Art, wie wir Apothekers politisch vertreten werden. Und so haben sich dem neuen Verein nicht nur AvP-Geschädigte angeschlossen, sondern auch etliche andere Apothekerinnen und Apotheker, die unzufrieden mit der Standesvertretung sind. Auf der Agenda stehen z. B. E-Rezept, Honoraranpassung, Securpharm, Nullretax, Lieferengpässe und vieles mehr. Guttenberger beklagt vor allem eine mangelnde Basisnähe: Statt Standesvertretung aus dem Elfenbeinturm, so ihre Vision, braucht es ein System, das von unten nach oben aufgebaut ist. Mein liebes Tagebuch, vermutlich sind solche Gedanken von vielen nachvollziehbar. Mit dem neugegründeten Verein will Guttenberger auch sehen, ob die Kolleginnen und Kollegen nur schimpfen wollen oder ernsthaft bereits sind, einen, auch finanziellen Beitrag zu leisten: Derzeit haben sich dem Verein schon über 340 Mitstreiter:innen angeschlossen und Beiträge bezahlt. Die Apothekerin ist sich bewusst, dass ihr Verein eine gewisse Größe und entsprechende finanzielle Mittel braucht, um handlungsfähig zu sein. Guttenberger sieht eine akzeptable Größe dann erreicht, wenn rund zehn Prozent aller deutschen Apotheken dabei sind. Bis Ende Januar 2021 möchte sie die 1900 Mitglieder erreicht haben – wenn nicht, will sie nicht weitermachen, dann war’s für sie eine Initiative, „bei der ich viele neue Freunde gefunden und tolle Menschen kennengelernt habe“, wie sie sagt. Mein liebes Tagebuch, eine gewisse Unzufriedenheit ist durchaus bei vielen Apothekerinnen und Apothekern zu spüren. Viele fühlen sich nicht mehr verstanden und alleine gelassen. Die mangelhafte Unterstützung in der AvP-Krise durch Kammern, Verbände und auch durch die ABDA brachte das Fass zum Überlaufen. Ein neuer Verein ist da per se keine verkehrte Idee. Und er zeigt, wie ernst es denjenigen ist, die etwas verändern wollen.
Arzneimittel-Lieferengpässe rauf und runter, es wird nicht besser. Die ABDA hat daher Vertreter von Fachverbänden sowie EU-Politiker zu einer digitalen Fachkonferenz eingeladen, um europäische Ansätze gegen Arzneimittel-Lieferengpässe zu diskutieren. Wie ABDA-Vize Mathias Arnold richtig anmerkte: „Nicht zu handeln ist keine Option“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, aber was tun? Das Thema stärker priorisieren, sagt Peter Liese, Arzt und Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Die pharmazeutische Industrie muss dazu bewegt werden, Wirkstoffe vermehrt in der Europäischen Union zu produzieren. Für die approbierte Apothekerin und Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus ist das nur eine von mehreren Optionen. Die Hersteller müssten auch zu mehr Transparenz in der Lieferkette und Herstellung verpflichtet werden. Paulus möchte auch den „One health“-Ansatz verfolgen, will heißen: „Es gibt keine gesunden Menschen in einer ungesunden Umgebung.“ In die Gute Herstellungspraxis (GMP) für die pharmazeutische Industrie müssen auch ökologische Kriterien übernommen werden. Keine kleine Aufgabe.
Auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) veranstaltete eine Online-Konferenz zu den Themen Versorgungssicherheit, zur Verwendung von Versorgungsdaten und zu Freistellungen aus der Verschreibungspflicht. Der BAH-Vorstandsvorsitzende Jörg Wieczorek betonte, dass nationaler Protektionismus nicht gefragt sei – die Arzneimittelhersteller seien systemrelevant, und es brauche offene Grenzen. Auch die BAH-Konferenz befasste sich mit Arzneimittel-Lieferengpässen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unterscheidet bekanntlich gerne zwischen Liefer- und Versorgungsengpässen – ein Unterschied, der für die Praxis im Apothekenalltag und die Versorgung der Patienten so nicht immer gesehen wird. BfArM-Präsident Karl Broich meinte, dass man es mit echten Versorgungsengpässen wie in der Pandemie nur zu tun habe, wenn es nicht genügend Alternativen gebe. Mein liebes Tagebuch, Versorgungsengpässe mit Alternativen zu begegnen, kann bei Patienten durchaus zu Problemen führen. Und wenn Versorgungs- und Lieferengpässe durch Alternativen gemildert werden sollten, dann sollte man uns Apothekers endlich auch dauerhaft auf breiter Front und nicht nur in Pandemie-Zeiten zugestehen, ein geeignetes vorhandenes Arzneimittel auswählen zu dürfen. Aber da stehen die Krankenkassen mit den Rabattverträgen im Weg. Mein liebes Tagebuch, die Lösung von Liefer- und Versorgungsengpässen liegt noch in weiter Ferne.
2. Dezember 2020
Die nächste Wahlrunde bei der ABDA ist durch. Wie erwartet ist Thomas Dittrich zum neuen Chef des deutschen Apothekerverbands (DAV) gewählt worden, Gegenkandidaten gab’s keine. So ist das bei Apothekers. Nach zwölf Jahren an der Spitze des DAV hatte sich Fritz Becker nicht mehr zur Wahl gestellt. Der 56-jährige Thomas Dittrich aus Großröhrsdorf ist seit 2015 Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbands und seit 2017 Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des DAV. Mein liebes Tagebuch, wir wünschen dem neuen Verbandschef viel Erfolg – einfach wird’s für ihn sicher nicht, sein Amt ist kein Ausflug auf den Ponyhof. Gleich im Januar wird er den Druck spüren: Das Honorar für die von der ABDA ikonisch geliebten pharmazeutischen Dienstleistungen will mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgehandelt werden. Er darf sich sicher sein, diese Aufgabe wird nicht vergnügungssteuerpflichtig sein, zumal der Kassenverband keinen Zweifel daran lässt, an den Dienstleistungen der Apotheker kein Interesse zu haben. Was sonst noch auf den neuen Verbandschef zukommt, ist hinreichend bekannt: Das E-Rezept muss ans Laufen gebrach werden. Und dann gibt’s da noch die Dauerbaustelle, wie unser Honorar insgesamt vorangebracht werden kann. Im DAZ.online-Interview lässt Dittrich durchblicken, dass er für einen lösungsorientierten und sachlichen Diskurs zwischen den Gesprächs- bzw. Verhandlungspartnern steht, was bei ihm aber nicht heißen soll, dass er nicht auch hart verhandeln wird. So soll’s sein, mein liebes Tagebuch, Durchhaltevermögen wird er gut brauchen können. Und er sagt auch, dass er mit Kritik umgehen kann, das Wie sei dabei entscheidend. Was Dittrich auch ankündigte: Die ABDA, der DAV braucht personelle Verstärkung, wenn’s gut werden soll. „Wir sollten darüber hinaus nachdenken, wie wir Synergien zwischen Berlin, den Landesapothekerverbänden und unseren wirtschaftenden Töchtern noch besser und zielgerichteter nutzen können“, so Dittrich. Und er fügte hinzu, dass man auch mehr jüngere Kolleginnen und Kollegen für das Ehrenamt gewinnen müsse. Mein liebes Tagebuch, da hat er sich viel vorgenommen.
3. Dezember 2020
Die Drogeriekette dm darf’s, aber die Apotheken dürfen’s nicht: den Verkauf des Probeentnahme-Kits von Cerascreen zum Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2. Das Verkaufsverbot für Apotheken teilte das Regierungspräsidium Tübingen mit, jetzt ist’s also amtlich. Die Drogeriemarktkette darf das Testkit dagegen über ihren Internet-Shop vertreiben. Mein liebes Tagebuch, der Apotheke drohen dagegen sogar hohe Geldstrafen, wenn sie solche Probeentnahme-Kits verkaufen würde. Mehr als irritierend! Kann man das noch verstehen? Nein, nicht mit gesundem Menschenverstand. Aber ja, wir sind in Deutschland, und da regiert die föderale Bürokratie, auch wenn’s von der Sache her keinen Sinn macht. Solche Testkits unterliegen theoretisch nicht grundsätzlich der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV). Aber praktisch: Die Einhaltung der MPAV wird auf Landesebene überprüft und da entscheidet jedes Bundesland selbst. Muss man nicht verstehen, ist aber so.
Irritiert zeigt sich auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg – er hakt beim Regierungspräsidium Tübingen und beim Sozialministerium von Baden-Württemberg nach, die Antwort steht noch aus. Wir sind gespannt, ob und wie die Behörden diese Widersprüchlichkeiten ausräumen. Aber, mein liebes Tagebuch, wir können den Landesbehörden ihre kleinen Freuden lassen. Der Test wird vermutlich eh kein Renner und kein Umsatzbringer, denn die Aussagekraft ist bescheiden: Selbst bei einem Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern lässt sich keine eindeutige Aussage darüber machen, ob man noch andere Menschen infizieren kann oder ob man schon immun ist.
It’s magic! Die digitale Welt der Apotheken startet in wenigen Tagen – versucht jedenfalls eine Internetseite des Deutschen Apothekerverbands der Community weiszumachen. Super-kryptisch wird die Seite „Mein-Apothekenportal.de" mit einem Countdown angekündigt, ohne genau zu erklären, was sich dahinter eigentlich verbirgt. Nur soviel ist im ABDA-Newsroom dazu zu erfahren: „Der Deutsche Apothekerverband hat ein Portalangebot gestartet, das Apotheken und Patienten zur Verfügung steht, wenn das E-Rezept kommt.“ Aha, mein liebes Tagebuch, der Deutsche Apothekerverband (DAV) will also irgendwie bei den E-Rezept-Apps mitmischen. Da der Gesetzgeber nämlich die Gematik-App zur offiziellen E-Rezept-App ausgerufen hat und nicht die App des DAV, muss sich unser Apothekerverband in den Reigen der Portalanbieter einreihen, die der Gematik-App nachgelagert sind. Die ABDA erklärt dazu: „Nun wird die App in ein Portalangebot eingebettet, das erstens den Apotheken ihre Arbeit erleichtert, zweitens den Patienten ihre Arzneimittelversorgung vereinfacht und drittens die Kommunikation zwischen Patient und Apotheke sicherstellt“. That’s it, oder? Mein liebes Tagebuch, da dürfen wir also noch ein paar Tage mega gespannt sein, bis der DAV die Hüllen fallen lässt, sein Apothekenportal vorstellt und wir erfahren, wie er es sich vorstellt. Fürs Apothekenportal registrieren kann man sich schon.
4. Dezember 2020
Der Entwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung liegt vor. Es geht darum, wer einen Anspruch auf COVID-19-Schutzimpfungen hat. An erster Stelle werden besonders gefährdete Personen stehen sowie die Menschen, die sie betreuen. Aber auch Apothekenmitarbeiter:innen sollen einen Anspruch auf baldige COVID-19-Schutzimpfungen bekommen. Den obersten Landesgesundheitsbehörden oder von diesen bestimmten Stellen wird zudem eine konkretere, auf die epidemiologische Situation vor Ort abgestimmte Priorisierung von Personengruppen ermöglicht. Unabhängig von dieser Priorisierung werden grundsätzlich Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, unabhängig von ihrem Krankenversicherungsstatus einen Anspruch auf Schutzimpfung haben. Der Referentenentwurf hat zwar noch zahlreiche Lücken, was man aber schon entnehmen kann: Man hat zwar einen Anspruch auf die Impfung, ja, aber man wird sich natürlich nicht einen bestimmten Impfstoffhersteller wünschen dürfen. Schade, mein liebes Tagebuch, nun ja, solange es nicht der russische Impfstoff ist…
Sollten auch Apotheker:innen mit Tests oder Impfungen helfen, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen? Mehrere Apothekerverbände hatten rund 300 Gäste dazu aufgerufen, diese Frage auf einer digitalen Konferenz zu diskutieren. Unter der Moderation von DAZ.online brachte eine Reihe von Expert:innen sowie Apotheker:innen von der Basis ihre Ideen und Anregungen ein. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, fordert daher, dass Apotheken Schnelltests auch an medizinische Laien abgeben dürfen. Auch der Virologe Alexander Kekulé wiederholte seine Forderung, Antigen-Schnelltests als Ergänzung zur PCR niederschwellig über Apotheken anzubieten. Den Nasen-Rachen-Abstrich könne man lernen wie Zähneputzen. Dagegen empfahl Kelkulé den Apotheker:innen, sich eher nicht bei der Durchimpfung der Bevölkerung mit COVID-19-Vakzinen einzubringen: Die Impfstoffe haben nur eine bedingte Marktzulassung erhalten und extreme Anforderungen bei der Kühlung. Mein liebes Tagebuch, so weit bekannt, gab es bislang auch keine derartige Forderung von uns Apothekers. Was die Grippeschutzimpfung betrifft, so berichtete Josef Kammermeier, stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes, von seinen Erfahrungen. Das Impfen in der Apotheke verglich er mit dem ersten Sprung vom Dreimeterbrett in der Kindheit. Während vor dem ersten Mal ein mulmiges Gefühl nicht ausbleibt, werde man danach so viel Freude daran entwickeln, dass man immer wieder aufs Neue auf den Turm rennt. Mein liebes Tagebuch, wie schön er das gesagt hat! Und genau so isses.
Brav und nett haben sie miteinander geredet: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in der zweiten Folge der von der ABDA ins Leben gerufenen Online-Veranstaltung „Lass uns reden! – Der ABDA-Talk“. Die Diskussionsrunde, moderiert von Gregor Waschinski (Handelsblatt), befasste sich mit Lektionen und Konsequenzen die unser Gesundheitswesen aus der Pandemie-Erfahrung gelernt hat. Der Talk wurde über Youtube und Facebook gestreamt, rund 200 Teilnehmer:innen hatten sich eingeloggt. ABDA-Vize Mathias Arnold präsentierte zur Einleitung vier Thesen zur Arzneimittelversorgung in der Pandemie: 1. Das dezentrale Arzneimittelversorgungssystem hat eine hohe Krisenresilienz, 2. Pharmazeutische „Beinfreiheit“ verbessert die Versorgung in Krisen (und darüber hinaus), 3. Apotheken haben eine erhebliche psycho-soziale Funktion in der Krise, 4. Die Krise katalysiert gute wie ungute (digitale) Entwicklungen am Markt. Die Folien und das Video der Diskussion sind auf der ABDA-Newsroom-Seite abrufbar. Mein liebes Tagebuch, Arnolds Präsentation zeigte, wie gut sich unsere Vor-Ort-Apotheken und unser Apothekensystem in der ersten Corona-Welle bewährt haben und was sie geleistet haben. Dafür gab’s von Jens Spahn erstmal ein ganz, ganz dickes Lob. Und grundsätzlich könne er alle vier Thesen nur unterstützen, wobei man allerdings über Ausprägungen und Schlussfolgerungen im Zweifelsfall noch mal reden müsste, formulierte es der Minister ganz geschmeidig. Tja, mein liebes Tagebuch, typisch politische Antwort eben. Ob er uns Apothekers also insbesondere die zweite These erfüllt und die pharmazeutischen Beinfreiheiten (z. B. Bürokratie-, Abgabe-und Austauscherleichterungen) auch weiterhin gewährt, wird sich noch zeigen müssen – da stehen vermutlich auch Rabattverträge im Weg. Zur Rolle der Apotheken im großen Rahmen der COVID-Impfung hatte Spahn klare Vorstellungen: Apotheker:innen sollten die Patienten auf jeden Fall ermuntern und ermutigen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Apotheker:innen sieht Spahn dagegen nicht eingebunden, wenn es darum geht, Patienten gegen COVID-19 zu impfen. Man wolle erst mal aus den Modellen zur Grippeschutzimpfung lernen. Und da hakte ABDA-Präsident Schmidt ein: Impfen sei primär eine ärztliche Aufgabe, das müsse immer wieder gesagt werden. Er, Schmidt, hoffe, dass die Apotheken bei der COVID-19-Impfung nicht ins Spiel kommen müssen. Bei Spahns Überlegungen, ob Apotheken bei Schnelltests eingebunden werden, zitierte Schmidt gleich die Rechtslage, wonach Apotheken weder Schnelltests abgeben noch durchführen dürften. Spahn dagegen zeigte sich offen: Es sollte möglich sein, so seine Auffassung, dass Apotheken, die das möchten, nach einer entsprechenden Schulung solche Tests auch anbieten dürfen. Schmidt erwiderte, er hält es für lösbar, symptomfreie Patienten in Apotheken zu testen. Beim Test von Patienten mit Symptomen sehe dies schon anders aus. Und nachdem er alle seine Bedenken dagegen aufgeführt hatte, meinte auch der ABDA-Präsident, dass die Apotheken, die sich die Tests zutrauten, auch die Erlaubnis dafür bekommen sollten, sie durchzuführen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, irgendwie hatte man den Eindruck, Spahn traut den Apotheken gerne mehr zu als deren Präsident selbst. Und unser Noch-Präsident gab den Bedenkenträger. Am Ende des Talks verabschiedeten sich die beiden – es war wohl einer der letzten öffentlichen Auftritte Schmidts als ABDA-Präsident. Schmidt nutzte die Gelegenheit, sich bei Spahn zu bedanken für die Zusammenarbeit, auch wenn man in vielen Dingen nicht einer Meinung gewesen sei. Immerhin habe man mit ihm als Gesundheitsminister viele Dinge umsetzen können wie pharmazeutische Dienstleistungen, Impfen und Botendienst, so Schmidt, was mit seinen Vorgängern nicht möglich gewesen sei. Und Spahn gab das Dankeschön zurück. Man habe in den letzten zwei Jahren in der Tat wohl mehr angestoßen als in den zehn Jahren zuvor. Wie wahr, mein liebes Tagebuch. In diesem Sinne, noch einen schönen Nikolaustag!
5 Kommentare
Bohn
von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 20:35 Uhr
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AW: Ahnung? Nicht die Bohne!
von Bernd Jas am 06.12.2020 um 22:07 Uhr
AW: Bohn
von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 22:48 Uhr
Was ist ein (Wahl-) Aufsatz wert…
von Gunnar Müller, Detmold am 06.12.2020 um 9:49 Uhr
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Was lohnt mehr?
von Ulrich Ströh am 06.12.2020 um 8:54 Uhr
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