Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

06.12.2020, 08:00 Uhr

Was bringt uns wohl der Nikolaus? Auf jeden Fall keine Corona-Testkits – die gibt's nur bei dm (Foto: Alex Schelbert)

Was bringt uns wohl der Nikolaus? Auf jeden Fall keine Corona-Testkits – die gibt's nur bei dm (Foto: Alex Schelbert)


4. Dezember 2020 

Der Entwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung liegt vor. Es geht darum, wer einen Anspruch auf COVID-19-Schutzimpfungen hat. An erster Stelle werden besonders gefährdete Personen stehen sowie die Menschen, die sie betreuen. Aber auch Apothekenmitarbeiter:innen sollen einen Anspruch auf baldige COVID-19-Schutzimpfungen bekommen. Den obersten Landesgesundheitsbehörden oder von diesen bestimmten Stellen wird zudem eine konkretere, auf die epidemiologische Situation vor Ort abgestimmte Priorisierung von Personengruppen ermöglicht. Unabhängig von dieser Priorisierung werden grundsätzlich Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, unabhängig von ihrem Krankenversicherungsstatus einen Anspruch auf Schutzimpfung haben. Der Referentenentwurf hat zwar noch zahlreiche Lücken, was man aber schon entnehmen kann: Man hat zwar einen Anspruch auf die Impfung, ja, aber man wird sich natürlich nicht einen bestimmten Impfstoffhersteller wünschen dürfen. Schade, mein liebes Tagebuch, nun ja, solange es nicht der russische Impfstoff ist…

 

Sollten auch Apotheker:innen mit Tests oder Impfungen helfen, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen? Mehrere Apothekerverbände hatten rund 300 Gäste dazu aufgerufen, diese Frage auf einer digitalen Konferenz zu diskutieren. Unter der Moderation von DAZ.online brachte eine Reihe von Expert:innen sowie Apotheker:innen von der Basis ihre Ideen und Anregungen ein. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, fordert daher, dass Apotheken Schnelltests auch an medizinische Laien abgeben dürfen. Auch der Virologe Alexander Kekulé wiederholte seine Forderung, Antigen-Schnelltests als Ergänzung zur PCR niederschwellig über Apotheken anzubieten. Den Nasen-Rachen-Abstrich könne man lernen wie Zähneputzen. Dagegen empfahl Kelkulé den Apotheker:innen, sich eher nicht bei der Durchimpfung der Bevölkerung mit COVID-19-Vakzinen einzubringen: Die Impfstoffe haben nur eine bedingte Marktzulassung erhalten und extreme Anforderungen bei der Kühlung. Mein liebes Tagebuch, so weit bekannt, gab es bislang auch keine derartige Forderung von uns Apothekers. Was die Grippeschutzimpfung betrifft, so berichtete Josef Kammermeier, stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes, von seinen Erfahrungen. Das Impfen in der Apotheke verglich er mit dem ersten Sprung vom Dreimeterbrett in der Kindheit. Während vor dem ersten Mal ein mulmiges Gefühl nicht ausbleibt, werde man danach so viel Freude daran entwickeln, dass man immer wieder aufs Neue auf den Turm rennt. Mein liebes Tagebuch, wie schön er das gesagt hat! Und genau so isses.

 

Brav und nett haben sie miteinander geredet: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in der zweiten Folge der von der ABDA ins Leben gerufenen Online-Veranstaltung „Lass uns reden! – Der ABDA-Talk“. Die Diskussionsrunde, moderiert von Gregor Waschinski (Handelsblatt), befasste sich mit Lektionen und Konsequenzen die unser Gesundheitswesen aus der Pandemie-Erfahrung gelernt hat. Der Talk wurde über Youtube und Facebook gestreamt, rund 200 Teilnehmer:innen hatten sich eingeloggt. ABDA-Vize Mathias Arnold präsentierte zur Einleitung vier Thesen zur Arzneimittelversorgung in der Pandemie: 1. Das dezentrale Arzneimittelversorgungssystem hat eine hohe Krisenresilienz, 2. Pharmazeutische „Beinfreiheit“ verbessert die Versorgung in Krisen (und darüber hinaus), 3. Apotheken haben eine erhebliche psycho-soziale Funktion in der Krise, 4. Die Krise katalysiert gute wie ungute (digitale) Entwicklungen am Markt. Die Folien und das Video der Diskussion sind auf der ABDA-Newsroom-Seite abrufbar. Mein liebes Tagebuch, Arnolds Präsentation zeigte, wie gut sich unsere Vor-Ort-Apotheken und unser Apothekensystem in der ersten Corona-Welle bewährt haben und was sie geleistet haben. Dafür gab’s von Jens Spahn erstmal ein ganz, ganz dickes Lob. Und grundsätzlich könne er alle vier Thesen nur unterstützen, wobei man allerdings über Ausprägungen und Schlussfolgerungen im Zweifelsfall noch mal reden müsste, formulierte es der Minister ganz geschmeidig. Tja, mein liebes Tagebuch, typisch politische Antwort eben. Ob er uns Apothekers also insbesondere die zweite These erfüllt und die pharmazeutischen Beinfreiheiten (z. B. Bürokratie-, Abgabe-und Austauscherleichterungen) auch weiterhin gewährt, wird sich noch zeigen müssen – da stehen vermutlich auch Rabattverträge im Weg. Zur Rolle der Apotheken im großen Rahmen der COVID-Impfung hatte Spahn klare Vorstellungen: Apotheker:innen sollten die Patienten auf jeden Fall ermuntern und ermutigen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Apotheker:innen sieht Spahn dagegen nicht eingebunden, wenn es darum geht, Patienten gegen COVID-19 zu impfen. Man wolle erst mal aus den Modellen zur Grippeschutzimpfung lernen. Und da hakte ABDA-Präsident Schmidt ein: Impfen sei primär eine ärztliche Aufgabe, das müsse  immer wieder gesagt werden. Er, Schmidt, hoffe, dass die Apotheken bei der COVID-19-Impfung nicht ins Spiel kommen müssen. Bei Spahns Überlegungen, ob Apotheken bei Schnelltests eingebunden werden, zitierte Schmidt gleich die Rechtslage, wonach Apotheken weder Schnelltests abgeben noch durchführen dürften. Spahn dagegen zeigte sich offen: Es sollte möglich sein, so seine Auffassung, dass Apotheken, die das möchten, nach einer entsprechenden Schulung solche Tests auch anbieten dürfen. Schmidt erwiderte, er hält es für lösbar, symptomfreie Patienten in Apotheken zu testen. Beim Test von Patienten mit Symptomen sehe dies schon anders aus. Und nachdem er alle seine Bedenken dagegen aufgeführt hatte, meinte auch der ABDA-Präsident, dass die Apotheken, die sich die Tests zutrauten, auch die Erlaubnis dafür bekommen sollten, sie durchzuführen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, irgendwie hatte man den Eindruck, Spahn traut  den Apotheken gerne mehr zu als deren Präsident selbst. Und unser Noch-Präsident gab den Bedenkenträger. Am Ende des Talks verabschiedeten sich die beiden – es war wohl einer der letzten öffentlichen Auftritte Schmidts als ABDA-Präsident. Schmidt nutzte die Gelegenheit, sich bei Spahn zu bedanken für die Zusammenarbeit, auch wenn man in vielen Dingen nicht einer Meinung gewesen sei. Immerhin habe man mit ihm als Gesundheitsminister viele Dinge umsetzen können wie pharmazeutische Dienstleistungen, Impfen und Botendienst, so Schmidt, was mit seinen Vorgängern nicht möglich gewesen sei. Und Spahn gab das Dankeschön zurück. Man habe in den letzten zwei Jahren in der Tat wohl mehr angestoßen als  in den zehn Jahren zuvor. Wie wahr, mein liebes Tagebuch. In diesem Sinne, noch einen schönen Nikolaustag!



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Bohn

von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 20:35 Uhr

Im Vorwort zur neuesten DAZ schreibt Bohn von der (alternativlosen) Flucht nach vorne, von der man nicht weiß, was die bringt oder bringen soll, weil es nicht wirklich Genaues gibt. Der Rückweg und Ausweg bleibt verschlossen durch die (Un-) Taten von Spahn und ABDA. Bei der ABDA auch das konsequente Nichtstun.
Mit drängen sich Bilder auf aus der Zeit der Neandertaler, die Mammutherden über die Klippen trieben in den sichern Tod. Nur, dass wir saturierte Faultiere sind. Und uns eher freuen, wenn einer ..

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ahnung? Nicht die Bohne!

von Bernd Jas am 06.12.2020 um 22:07 Uhr

Hallo Herr Müller,
schöne Bilder sind das nicht. Aber haben Sie mal gehört was auf dem WEF (Welt Wirtschafts Forum) so bestimmt wird. Ich meine das ist so ´ne Truppe die zwar von niemanden gewählt wurden, aber unser aller Schicksal bestimmen wollen. Corona als Mittel zum Zweck. Digitalisierung auf Teufel komm raus, Rationalisierung der Arbeitswelt auf Teuf.........und Nahrungsmittelsteuerung. Da passen wir einfach nicht mehr ins Bild; und nicht nur wir nicht.
Es wird wenig heiter und mehr als Wolkig.
Kleiner Trost; über den Letzten der zumacht freut sich dann keiner mehr.

AW: Bohn

von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 22:48 Uhr

Was mich zugegeben ziemlich irritiert, ist die Tatsache, dass sehr viele Übernahmen, einige Neugründungen neben ein paar Schließungen stattfinden.
Das passt nicht ins Bild, also meines. Offensichtlich sich doch viele Kollegen und Kolleginnen sehr optimistisch und sehen für sich die Möglichkeit einer guten Zukunft, die ich ihnen auch von Herzen wünsche.
Vielleicht bin ich ein zu alter Dinosaurier und zu sehr in meiner Welt verhaftet. Die Digitalisierung ist nicht meine. Das hab ich schon oft gesagt.
Doch bin ich überzeugt, dass der Weg der ABDA der grundverkehrte ist. Er basiert auf Spekulationen. Sonst nichts.

Was ist ein (Wahl-) Aufsatz wert…

von Gunnar Müller, Detmold am 06.12.2020 um 9:49 Uhr

...in dem nur ein Name steht!?!
In Deutsch bekommt man dafür ’ne glatte Sechs – bei der ABDA demnächst ein Präsidentinnen- bzw. ein Vizepräsidentenamt.

Dann wünschen wir den 34 Mitgliedern also am Mittwoch viel Spaß beim erneuen „Zettel-Falten“ - so nannte man bereits die Wahlen in der alten DDR. Vielleicht auch aus eben jener Ermangelung an wirklichen Alternativen…

Dazu kommt: Friedemann Schmidt war nun wahrlich kein Donald Trump – und Gabriele Regina Overwiening ist erst recht kein weiblicher Joe Biden!

Warum sollten wir also euphorisch auf den 9. Dezember schauen?

In ihren bisherigen Amtszeiten in Westfalen-Lippe hat Overwiening nichts unversucht gelassen, die Opposition in Münster entweder mundtot zu machen oder sie aber (bei eigener absoluter Mehrheit.... :-)) so stark mit ihrer eigenen Mehrheits-Vorstandsarbeit zu verbinden, dass eine vorausschauende, lebendige und tatkräftige Problembewältigung mit einem Lächeln abgewürgt wurde.
Die sinkenden Apothekenzahlen auch in Westfalen-Lippe und die unbefriedigenden Ergebnisse ihrer „intensiven Gespräche“ mit den Gesundheitsministern auf Landes- und Bundesebene sprechen Bände.
Und das Verhältnis zur Ärzteschaft: Zwar große mediale ‚Baumberger Gespräche’ — aber ohne nachhaltige Veränderungen an der Basis und für die Basis.
Und ihre vorgeschobenen Bekenntnisse zu Transparenz: reine Fassade. Was erfahren wir in WL von all ihren jahrelangen „Aktivitäten“ in den diversen Gremien und Ausschüssen in Berlin und über den wirtschaftenden „Konzern ABDA“ denn wirklich? Nichts.

Mit GRO als Präsidentin der ABDA wird sich weder die ABDA ändern noch die Uneinigkeit zwischen den Mitgliedsorganisationen noch die Situation der Apothekerschaft insgesamt politisch wie wirtschaftlich noch unser Verhältnis zu den vermeintlich so mächtigen Standeszertretern in Berlin - und umgekehrt.

Also, machen wir uns nichts vor:

Mit GRO ändert sich bei der Apothekerschaft allenfalls die Tonhöhe - aber nicht die Situation. Geschweige denn, dass sie sich verbessern würde.
Alles bleibt, wie es ist. Allenfalls mit mehr Trara, Tamtam - und Pathos.
Na dann viel Spaß ...
P. S. Und falls unsere anderen 33 ABDA-Heldinnen und -Helden ihr eine besondere Vorweihnachtsfreude machen wollen - ein kleiner Tip:
Sie liebt „Einstimmigkeit“ ....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Was lohnt mehr?

von Ulrich Ströh am 06.12.2020 um 8:54 Uhr

Mit Jens Spahn beim ABDA-Talk sich brav und nett zu unterhalten ist vernünftig, hilft uns aber bei unseren aktuellen Problemen nicht weiter, besonders , wenn es nur Verabschiedungsgespräche sind.

Insofern lohnt der Besuch von www.starkeapotheke.de.
Immerhin 340 Unterstützer bereits.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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