Corona-Erleichterungen verstetigen?

Spahn: „Wir brauchen die Rabattverträge, um zu sparen“

Berlin - 07.12.2020, 07:00 Uhr

Nach ihrem Treffen beim Deutschen Apothekertag 2019 in Düsseldorf kamen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (links) und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Freitag beim ABDA-Live-Talk wieder zusammen. (Foto: Schelbert)

Nach ihrem Treffen beim Deutschen Apothekertag 2019 in Düsseldorf kamen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (links) und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Freitag beim ABDA-Live-Talk wieder zusammen. (Foto: Schelbert)


Die Apotheken und nicht zuletzt die Patienten haben von den Abgabeerleichterungen während der Coronavirus-Pandemie profitiert. Pharmazeuten fordern, sie auch über die Krise hinaus beizubehalten. Im Gespräch mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zweifelte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jedoch daran, dass das realistisch ist.

„Lass uns reden“ – dazu rief die ABDA am vergangenen Freitagabend Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf. Das neue Video-Format, das auf Youtube und auf dem ABDA-Facebook-Account übertragen wird, dient dem Austausch der Standesvertretung mit politischen Entscheidungsträgern live vor Publikum. Am Freitag traf sich der Minister mit dem scheidenden ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt im Apothekerhaus in Berlin.

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In einem Impulsvortrag stellte ABDA-Vize Mathias Arnold zunächst vier Thesen auf. Eine davon: Wir brauchen pharmazeutische Beinfreiheit. Er betonte die tragende Rolle, die Apotheken bundesweit während der Pandemie gespielt haben. Von der Herstellung von Desinfektionsmitteln über das Managen von Lieferengpässen bis hin zur Versorgung insbesondere älterer Menschen und Personen, die Risikogruppen angehören: Die Pharmazeuten in Deutschland haben gezeigt, was sie können und wie sie die Versorgung vor Ort sicherstellen.

Die vier Thesen von ABDA-Vize Mathias Arnold

  1. Das dezentrale Arzneimittelsystem hat eine hohe Krisenresilienz. Unternehmerische Fantasie wird erst durch unternehmerische Freiheit möglich.
  2. Wir brauchen pharmazeutische Beinfreiheit.
  3. Die Apotheken nehmen in der Krise auch eine psychosoziale Funktion ein, relativieren Ängste und klären über Fake News auf.
  4. Die Krise katalysiert digitale Entwicklungen. Das hat auch Nachteile und kann zur Erosion der Verschreibungspflicht beitragen, wenn zum Beispiel Online-Portale anhand von Fragebögen Rezepte ausstellen.

Ob Spahn die Erleichterungen bei der Abgabe von (Rabatt-)Arzneimitteln beim Auftreten von Lieferengpässen, die er mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung eingeführt hat, verlängern oder gar entfristen wird, ließ der Minister offen. „Wir brauchen die Rabattverträge, um zu sparen“, sagte er. Denn: „Wir brauchen das Geld auch an anderer Stelle, zum Beispiel für die Finanzierung pharmazeutischer Dienstleistungen.“

Schmidt betonte hingegen das Verantwortungsbewusstsein, das die Kolleg:innen offenbar angesichts der neuen Möglichkeiten gezeigt haben. Sie haben demnach davon nur Gebrauch gemacht, wenn eine Belieferung gemäß Rabattvertrag tatsächlich nicht möglich gewesen sei. Mit einer Entfristung ließe sich in den Apotheken Arbeitszeit einsparen und vor allem die Freude am Beruf fördern – ein Argument, das auch mit Blick auf den Fachkräftemangel in den Offizinen von Bedeutung ist.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Nicht angekommen

von Reinhard Rodiger am 07.12.2020 um 21:21 Uhr

. „Wir brauchen die Rabattverträge, um zu sparen“,

Offensichtlich ist bei Spahn noch nicht angekommen, dass die Rabattverträge nicht in Frage gestellt werden.Vielmehr haben Apotheken das Wirksamwerden erst ermöglicht. Als Ergebnis bestimmt der herrschende Machtmissbrauch der Krankenkassen das Geschehen.Es geht nicht um die Rabattverträge, sondern angemessene Handlungsfreiheit und Ende des Machtmissbrauchs der Krankenkassen und die sittenwidrige Gängelung.

Das wurde wohl jetzt von Friedemann Schmidt wie schon Jahre vorher nicht so richtig vermittelt oder Spahn hat wie üblich nur selektiv zugehört.Wir brauchen Handlungsfreiheit,um arbeiten zu können.Darum geht es.Und Spahn benutzt das als Faustpfand gegen die "neuen unbekannten Dienstleistungen"
Deutlicher geht es nicht.

Die Exzesse der Krankenkassen sind nur politisch vom BMG zu unterbinden und sie bleiben erhalten,weil FS das so ausgehandelt hat.

Nicht angekommen ist bei Spahn und ABDA auch, dass die Einführung des e-Rezepts in den Musterländern über 10 Jahre gedauert hat und zu starke Beschleunigung nur die Missbrauchspraxis fördert bei erhöhtem Risiko.Dies wird potenziert durch den drastischen Anstieg von Versandpraktiken, die aller Rechtsprechung entgehen.

Dem ist ein solides System VorOrt nicht gewachsen.Es wird eine Zeit für Raubritter und Ausputzer.Politik sollte die Risiken erkennen, sonst wird sie mit Recht später die Quittung erhalten.Leider noch nicht heute.Aber eben gewollt.Schade.

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genau

von Karl Friedrich Müller am 07.12.2020 um 16:00 Uhr

damit Spahn das gesparte Geld für seine digitalen Projekte wieder verballern kann.
Seine Digitalisierung bringt Kompliziertheit, Unsicherheit und Onlinekriminalität, politisch gewollter Datenklau und Handel. Überwachung jeden Handgriffs bei Ärzten und Apotheken. Unfreiheit. Gängelung auch der Patienten.
Analog ist nicht immer schlecht, nur schlecht für Geschäftemacher und ihre Amigos.

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