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Unerlaubte Arzneimittelherstellung
Bewährungs- und Geldstrafen für Apotheker
Das Landratsamt Günzburg hatte im Herbst 2019 die sofortige Schließung der St. Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach angeordnet. Die dort angebotenen selbst hergestellten Procain- und „Roter-Reisschalen-Extrakt“-Kapseln wurden als gesundheitlich bedenklich eingestuft. Dem Inhaber wurde in der Folge die Betriebserlaubnis entzogen. Nun stand noch ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht Günzburg an. Mit auf der Anklagebank: Seine Frau und sein Schwager, die ebenfalls Pharmazeuten sind. Medieninformationen zufolge hat man sich allerdings bereits am ersten Prozesstag auf einen „Deal“ geeinigt.
Im Sommer 2019 geriet die St. Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach ins Visier der Behörden. Der Grund: der Verkauf selbst hergestellter Procain- und „Roter-Reisschalen-Extrakt“-Kapseln. Sie sollen als Nahrungsergänzungsmittel beworben und vertrieben worden sein, obwohl die Kapseln unter das Arzneimittelgesetz fielen. Zudem wurden sie aufgrund ihrer Dosierung als gesundheitlich bedenklich eingestuft. Im Oktober 2019 ordnete das Landratsamt Günzburg die sofortige Schließung der herstellenden Apotheke an.
Es folgten der endgültige Entzug der Betriebserlaubnis und die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen, Laut Augsburger Allgemeine, die auch über den Fall berichtete, sollte sich zudem die Frage eines möglichen Entzugs der Approbation bald stellen.
Dass es an der Zuverlässigkeit des Apothekers haperte, wurde schon im verwaltungsrechtlichen Verfahren deutlich. Wörtlich hieß es im November 2019 in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Augsburg:
Im nicht zur Apotheke gehörenden Keller seines Privathauses hatte er – obwohl er dies bis zuletzt bestritt – nach der Überzeugung des Gerichts unter hygienisch untragbaren Zuständen (Staub, Schmutz, beißender Geruch) Arzneimittel hergestellt und in Verkehr gebracht. So waren im Rahmen der Durchsuchung u.a. eine Kapselfüllmaschine, ein Kompressor, eine Waage, ein Stößel, ein Sieb, Dunstabzüge, eine erhebliche Menge an Gelatine-Leerkapseln, Ausgangs- und Rohstoffe in großem Umfang, einzelne auf dem Boden und einer Werkbank verstreut liegende Kapseln sowie selbst hergestellte und mit aktuellem Datum etikettierte Arzneimittel vorgefunden worden.“
Laut Bayerischem Rundfunkt (Stand Juni 2020) überzeugten diese Zustände schon damals das Gericht: Die Kammer sei sicher gewesen, dass der Apotheker in seinem Keller Arzneimittel hergestellt und in Verkehr gebracht habe – auch wenn die Anwälte des Apothekers argumentiert hatten, dass es sich bei den Gegenständen im Keller um eine private Sammlung von Apotheker-Instrumenten gehandelt habe.
Neue Erkenntnisse in den strafrechtlichen Ermittlungen
Am vergangenen Mittwochmorgen berichtete der Bayerische Rundfunk anlässichlich des bevorstehenden Strafprozesses vor dem Amtsgericht Günzburg über weitere neue Erkenntnisse: Für die Herstellung der bedenklichen Produkte habe es keine ärztliche Verschreibung gegeben – eine behördliche Zulassung in Deutschland (Defektur) lag somit nicht vor. Dem Apothekerehepaar werfe die Anklage überdies vor, seine Promotionsurkunden gefälscht und somit unrechtmäßig Doktortitel geführt zu haben. Konkret werde den Angeklagten der Missbrauch von Titeln und unerlaubtes Inverkehrbringen von Fertigarzneimitteln zur Last gelegt
Geständnis nach Verfahrensabsprache am ersten Prozesstag
Schon im September 2019 stand außerdem der Vorwurf im Raum, dass die Tatverdächtigen die bedenklichen Produkte nicht nur über ihre drei Apotheken, sondern auch über den Online-Handel vertrieben haben. Aus dem aktuellen BR-Bericht geht nun hervor, dass der Apotheker und sein Schwager selbst hergestellte Arzneimittel sogar an eine holländische Firma verkauft und dann nach Deutschland reimportiert und hier gelagert haben sollen. Eine Erlaubnis dafür habe nicht vorgelegen.
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Doch schon am Mittwochmittag berichtete dann die „Augsburger Allgemeine“, dass der Prozess nach einem „Deal“ schnell geendet sei. Der Grund: Die Verhandlung am Amtsgericht Günzburg habe mit einem sogenannten Rechtsgespräch begonnen, „in dem Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung ausloteten, unter welchen Umständen die Angeklagten ein Geständnis ablegen würden“. Der dann geschlossene „Deal“ habe eine aufwendige Beweisaufnahme mit zahlreichen Zeugen überflüssig gemacht, denn der Apotheker und sein Schwager hätten gestanden, dass sie ohne Genehmigung Arzneimittel hergestellt und verkauft haben.
Gegen die Ehefrau wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Allerdings räumten sie und ihr Mann ein, zu Unrecht einen Doktortitel geführt zu haben. Zum Urteil hieß es schließlich: „Das Gericht verhängte gegen den Apotheker eine Bewährungsstrafe von einem Jahr, sein Schwager erhielt neun Monate. Die Ehefrau muss eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 18.000 Euro zahlen.“
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