Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz

VOASG tritt am 15. Dezember in Kraft

Berlin - 14.12.2020, 11:15 Uhr

Die Apotheken vor Ort sollen gestärkt werden. Ob und wie das VOASG tatsächlich wirkt, muss sich noch zeigen. (p / Foto: imago images / Eibner)

Die Apotheken vor Ort sollen gestärkt werden. Ob und wie das VOASG tatsächlich wirkt, muss sich noch zeigen. (p / Foto: imago images / Eibner)


Das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz ist am heutigen Montag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit tritt das neue Boni-Verbot, das auch EU-Versender erfassen soll, morgen in Kraft. Geduld ist dagegen bei den vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen angesagt. Hier müssen Kassen und Apotheker zunächst noch Näheres vereinbaren. Das Geld für die neuen Aufgaben in der Apotheke wird erst in einem Jahr fließen.

Vier Jahre und fast zwei Monate nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Rx-Boni wird morgen die Antwort des deutschen Gesetzgebers auf die seitdem bestehende Schieflage zwischen EU-Versendern und deutschen Offizinapotheken in Kraft treten: das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz. Über seine lange Entstehungszeit hinweg hat sich im VOASG so manches gewandelt. Was steckt nun wirklich drin?

Die neue Preisbindung im Sozialgesetzbuch 5. Buch

Änderungen gibt es vor allem in § 129 Sozialgesetzbuch V, der Grundlage für den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Hier ist ab dem morgigen 15. Dezember in Absatz 3 geregelt, dass Apotheken zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung verordnete Arzneimittel nur abgeben dürfen und unmittelbar mit den Krankenkassen abrechnen können, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Diese „Rahmenvertrags-Apotheken“ wiederum werden verpflichtet, die festgesetzten Preisspannen und Preise einzuhalten und keine Zuwendungen an gesetzlich Versicherte zu gewähren. Für Privatversicherte gilt diese Regelung nicht.

Die Rahmenvertragspartner Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband müssen nun allerdings ihren Vertrag nacharbeiten: Bei Verstößen gegen die neue Preisbindung sollen nämlich Sanktionen drohen: Im Rahmenvertrag sind bei einem groben oder einem wiederholten Verstoß Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro für jeden Verstoß vorzusehen. Dabei darf die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 Euro nicht überschreiten. Die Berechtigung zur weiteren Versorgung kann ausgesetzt werden, bis die Vertragsstrafe vollständig beglichen ist.

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Zudem bestimmt das VOASG, dass das Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium bis zum 31. Dezember 2023 die Auswirkungen der neuen sozialrechtlichen Preisbindung auf die Marktanteile von Apotheken und des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln evaluiert.

Flankierend – und gegen den entschiedenen Widerstand der Apothekerschaft – wird aus dem Arzneimittelgesetz die Regelung gestrichen, nach der die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die von Versandhändlern mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland verbracht werden (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG).

Pharmazeutische Dienstleistungen: DAV und GKV-SV sind am Zug 

Die zweite bedeutende Neuregelung in § 129 SGB V betrifft die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, auf die Versicherte künftig Anspruch haben. Dazu heißt es im Gesetz:

Auszug aus dem neuen § 129 Abs. 5e SGB V

Diese pharmazeutischen Dienstleistungen umfassen insbesondere Maßnahmen der Apotheken zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie, insbesondere bei

1. der Anwendung bestimmter Wirkstoffe, die nur in besonderen Therapiesituationen verordnet werden,

2. der Behandlung chronischer schwerwiegender Erkrankungen,

3. der Behandlung von Patienten mit Mehrfacherkrankungen und Mehrfachmedikation und

4. der Behandlung bestimmter Patientengruppen, die besondere Aufmerksamkeit und fachliche Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie benötigen.

Diese pharmazeutischen Dienstleistungen können auch Maßnahmen der Apotheken zur Vermeidung von Krankheiten und deren Verschlimmerung sein und sollen insbesondere die pharmazeutische Betreuung von Patientinnen und Patienten in Gebieten mit geringer Apothekendichte berücksichtigen.

DAV und GKV-Spitzenverband sind nun verpflichtet, diese Dienstleistungen im Benehmen mit der PKV zu vereinbaren. Auch das Nähere zu den Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung und Abrechnung ist noch zu klären – und zwar bis zum 30. Juni 2021. Klappt das nicht, entscheidet die Schiedsstelle.

Es wird also noch eine Weile dauern, bis die Apotheken die neuen Dienstleistungen tatsächlich erbringen und auch abrechnen können. Die Finanzierung erfolgt durch eine Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittelpackungen um 20 Cent. Diese Änderung in der Arzneimittelpreisverordnung tritt allerdings erst am 15. Dezember 2021 in Kraft. 

Botendienstvergütung 

Zum 1. Januar 2021 wirksam wird die nun ebenfalls in § 129 SGB V verstetigte Botendienstvergütung. Apotheken können dann bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen zusätzlichen Zuschlag von 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben. Die bisherige Regelung in der SARS-CoV-2-Arzneimittelverordnung, die auch Botendienste für PKV-Versicherte erfasst, läuft zum Jahresende aus.

Abgabeautomaten, Temperaturbedingungen und mehr

Eine weitere Neuerung gibt es in § 130a SGB V, in dem es um die Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer geht, die bekanntlich die Apotheken für die Kassen einziehen. Klargestellt wird hier zum einen, das sich die Preisbindung der fraglichen Arzneimittel auch nach der bereits genannten neuen Regelung in § 129 Abs. 3 SGB V ergeben kann.

Zudem gibt es in § 130a Abs. 1 eine Ergänzung zum von den Apotheken abzuführenden Herstellerabschlag für aus Fertigarzneimitteln entnommene und abgegebene Teilmengen. Bisher ist hier nur von Fertigarzneimitteln in parenteralen Zubereitungen die Rede. Doch die Unterscheidung, ob die aus einem Fertigarzneimittel entnommenen Teilmengen in einer parenteralen Zubereitung verwendet werden oder nicht, sei nicht sachgerecht, hieß es im Gesetzentwurf.

Weitere Änderungen gibt es im Apothekengesetz (§ 21 Abs. 2) und der Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 2a), die gemeinsam sicherstellen sollen, dass sich auch EU-Versender an die Transport- und Temperaturanforderungen halten.

Automatisierte Ausgabestationen für Arzneimittel

Zudem werden in einem neuen § 17 Abs. 1b ApBetrO Regelungen für automatisierte Ausgabestationen geschaffen. Diese sollen nur zulässig sein, wenn sie sich in den Betriebsräumen einer Apotheke befinden und durch diese bestückt werden, nachdem zuvor die Bestellung bei dieser Apotheke erfolgt ist, eine Beratung (auch im Wege der Telekommunikation) stattgefunden hat und das Rezept im Original geprüft und abgezeichnet wurde. Die Arzneimittel aus diesen Stationen sind zudem „für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift des Empfängers zu versehen“. Auch automatisierte Ausgabestationen von Versandapotheken sollen grundsätzlich unter diesen Bedingungen zulässig sein. 

Nicht zuletzt gibt es eine Klarstellung im Zugabe-Paragrafen des Heilmittelwerbegesetzes (§ 7 HWG). Demnach liegt künftig auch ein Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot vor, wenn diese Zuwendungen entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Sozialgesetzbuchs V gelten. Bisher gilt dies bei geldwerten Zuwendungen nur für den Fall, dass diese entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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