Neue Leitlinie zur Geburtseinleitung

Das „Problem Cytotec“: Optimale Dosierung von Misoprostol weiterhin unklar

Stuttgart - 23.12.2020, 12:15 Uhr

Misoprostol ist das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund. Kontraindiziert ist es bei Frauen, die schon einmal Uterusoperationen wie Sectio (Kaiserschnitt) hatten. (Foto: Gorodenkoff / stock.adobe.com)

Misoprostol ist das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund. Kontraindiziert ist es bei Frauen, die schon einmal Uterusoperationen wie Sectio (Kaiserschnitt) hatten. (Foto: Gorodenkoff / stock.adobe.com)


Misoprostol: Im besten Fall oral, und nicht ambulant

Im März 2020 war schließlich noch ein Rote-Hand-Brief zu Cytotec® erschienen, dessen Veröffentlichung die DGGG begrüßte. Sie veröffentlichte außerdem Empfehlungen, wie mit Misoprostol umzugehen sei – bis zur Veröffentlichung der nun erschienen Leitlinie zur Geburtseinleitung, die schon seit März 2018 für März 2020 angekündigt war. (Die Begründung für die geplante Leitlinie lautete: „Eine der häufigsten Maßnahmen im geburtshilflichen Alltag. Ausreichend vorliegende Evidenz, jedoch sehr heterogenes Vorgehen in Deutschland.“) 

Schon zuvor hatte es im Februar in einer Stellungnahme der DGGG geheißen, dass nach Sichtung der Literatur die Verwendung von Misoprostol zur Geburtseinleitung in der DACH-Region im Einklang mit den anderen internationalen Leitlinien [z. B. USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich sowie der FIGO (International Federation of Gynaecology and Obstetrics)] und der Weltgesundheitsorganisation in der kommenden und nun veröffentlichten Leitlinie empfohlen werde. 

Was im Frühjahr allerdings noch fehlte, war beispielsweise eine Höchstdosis über 24 Stunden, eine solche wird auch in der neuen Leitlinie nicht genannt. Dort steht nun im Kapitel zu Prostglandin-E1-Analoga (Misoprostol):

  • Eigenhändiges Zerstückeln von Tabletten höherer Dosierung und/oder Auflösen von Tabletten in Flüssigkeit und Gabe von bestimmten Trinkmengen sind aufgrund der Ungenauigkeit der Stabilität und Wirkstoffkonzentration zu vermeiden. Eine korrekte Herstellung durch eine Apotheke ist deshalb unabdingbar. (konsensbasiertes Statement)
  • Bis zum Erhalt einer neuen Zulassung zur Geburtseinleitung soll über den Off-Label-Use aufgeklärt werden. (konsensbasierte Empfehlung)
  • Misoprostol ist das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund. (konsensbasiertes Statement)
  • Die Applikation von Misoprostol sollte oral erfolgen. (konsensbasierte Empfehlung)
  • Misoprostol-Dosierungen von 25 µg gelten auch bei vaginaler Applikation als sicher. (konsensbasiertes Statement)
  • Misoprostol in einer Dosierung von 50 µg oral entspricht dem Sicherheitsprofil einer vaginalen Applikation von 25 µg. (konsensbasiertes Statement)
  • Erstgaben von > 50 µg und Einzelgaben von > 100 µg sollten vermieden werden. (konsensbasierte Empfehlung)

Orales/vaginales Misoprostol in einer Dosierung ab 50 µg pro Tablette führte zwar im Vergleich zu Placebo zu mehr Überstimulationen, heißt es, die Rate an Verlegungen in die Kinderklinik sei aber nicht verschieden. Eine Nebenwirkung wie eine uterine Überstimulation führe nicht zwangsläufig zu einem pathologischen CTG (Kardiotokografie, Herztonwehenschreibung), einem Kaiserschnitt und/oder einem schlechten kindlichen Outcome. 

Doch gelöst ist das „Problem Cytotec“ mit Erscheinen der Leitlinie noch nicht. Denn als „problematisch“ wird beschrieben, dass die optimale Dosierung weiterhin unklar ist.

Höchstdosis in Schweizer Expertenbrief

Für die Schweiz wird innerhalb der Leitlinie weiterhin prioritär auf den Expertenbrief der SGGG Nr. 63 verwiesen. Dort heißt es beispielsweise zusätzlich zur Dosierung: Bei oraler Verwendung von Misoprostol oral ist die Dosierung auf 20–50 µg alle 2-4 Stunden mit maximal 200-300 µg/d zu beschränken. 

Nicht vergessen werden sollte auch, dass Misoprostol absolut kontraindiziert ist, wenn Frauen schon einmal Uterusoperationen wie Sectio (Kaiserschnitt) hatten. Dem Zustand nach Sectio caesarea ist in der gemeinsamen  Leitlinie ein extra Kapitel gewidmet.

Nebenwirkungsrate bei mechanischem Verfahren deutlich geringer

Neben den medikamentösen Methoden zur Geburtseinleitung ist auch an die mechanischen zu denken. So heißt es in der Leitlinie beispielsweise, dass Ballonkatheter in ihrer Effektivität der medikamentösen Gabe von Prostaglandinen wie Misoprostol und Dinoproston entsprechen. Die Nebenwirkungsrate sei bei dem mechanischen Verfahren aber deutlich geringer. Auch die simultane Anwendung von Ballonkathetern und medikamentösen Verfahren wie Oxytocin, Dinoproston und Misoprostol resultierte in kürzeren Einleitung-Geburt-Intervallen und weniger Überstimulationen im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Gabe.

Schließlich heißt es noch zum Setting der Geburtseinleitung, dass Prostaglandine im ambulanten Bereich ausschließlich im Rahmen von Studien zum Einsatz kommen sollten.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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