Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.04.2021, 07:45 Uhr

Zwischen Brücken-Lockdown und Bundes-Notbremse: Nur Biontech für die Niedergelassenen (Foto: Alex Schelbert)

Zwischen Brücken-Lockdown und Bundes-Notbremse: Nur Biontech für die Niedergelassenen (Foto: Alex Schelbert)


16. April 2021

Löblich: Die ABDA veranstaltete ein Symposium zum Thema Generation Z und Nachwuchsprobleme für die Offizin. Also, die Fragen lautete: Wie ticken die jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden und von Soziologen und Jugendforschern als Generation Z bezeichnet werden? Schon irgendwie anders als die Generationen davor. Sie kennen nur eine Welt mit Internet und all den Möglichkeiten dieser Technologie. Wie eine Soziologin anmerkte, sind diese jungen Menschen z. B. darauf getrimmt, wichtige Informationen in kürzester Zeit von unwichtigen zu trennen. Mehr als je zuvor haben sie die Wahl, wie sie sich beruflich orientieren möchten. Und was sie auch sagte: Wer Menschen der Generation Z erreichen will, muss schnell sein. Bewerbungen sollten nicht lange unbeantwortet bleiben. Das könnte sie verprellen, denn im Gegensatz zu älteren Semestern sind sie schneller frustriert und verunsichert. Polemisch wird diese Generation auch schon mal „Generation Snowflake“ genannt: Diese jungen Menschen seien hochemotional und so beständig wie Schneeflocken. Mein liebes Tagebuch, das könnte für die Offizin problematisch werden. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) bestätigte dies im ABDA-Symposium: Viele Pharmazeut:innen im Praktikum (PhiPs) – etwa die Hälfte –  fühlen sich in der öffentlichen Apotheke überfordert und gestresst! Mein liebes Tagebuch, man muss sie vor allem in den ersten Tagen in der Apotheke quasi behutsam an die Hand nehmen. Und was die Umfrage auch zeigte: Karriere scheint ihnen nicht so wichtig zu sein, die Höhe des Gehalts ist wohl zweitrangig, Hauptsache, die Arbeit ist sinnstiftend und man hilft anderen Menschen. Besonders problematisch sei, so ein BPhD-Vertreter der Generation Z, dass das derzeitige Pharmaziestudium die Studierenden nicht auf die in der Apotheke geforderten kommunikativen Fähigkeiten vorbereitet. Mein liebes Tagebuch, da kann man ihm nur Recht geben. Es ist doch tatsächlich so: Die Hochschulen sehen eine Ausbildung in Kommunikation nicht als ihre Aufgabe an, sie sagen, das gehöre in den Dritten Ausbildungsabschnitt. Hier aber ist eine zielführende Ausbildung und Förderung kommunikativer Fähigkeiten bis heute nicht recht umgesetzt – warum eigentlich nicht? Da dieser Ausbildungsabschnitt in den Zuständigkeitsbereich der Kammern fällt, müsste da wohl mal die Bundesapothekerkammer ran, den Stoff für den Dritten Prüfungsabschnitt überarbeiten und Grundlagen der Kommunikation aufnehmen. Vor 45 Jahren wurde der Dritte Prüfungsabschnitt eingeführt – damals war das Thema Kommunikation noch nicht so im Bewusstsein wie heute. Da wird es doch mal Zeit, die Ausbildung anzupassen. Mein liebes Tagebuch, das Symposium zeigte auch: Es wird nicht einfacher, junge Menschen für die Arbeit in der Offizin zu begeistern. Nach wie vor gibt es auch in der Generation Z eine hohe Fixierung auf die Work-Life-Balance. Und viele von ihnen sind zwar technisch und digital gut versiert, aber, wie auch der BAK-Präsident Thomas Benkert sagte: Der Patient und seine Krankheit sind analog. Die menschliche Komponente sei wichtig, und an dieser Stelle müssen Apotheker den Nachwuchs mitnehmen. So ist es, mein liebes Tagebuch, und daher sollten sich auch die Kammern überlegen, wie man Kommunikation in der Ausbildung umsetzen kann. Was auf dem ABDA-Symposium nicht zur Sprache kam: Wie kann man den Nachwuchs für die Berufspolitik begeistern? Aber das, mein liebes Tagebuch, ist in der Tat wohl ein eigenes  Kapitel.

 

Nachdem nun auch die niedergelassenen Vertragsärzte in die Impfstrategie mit einbezogen sind, könnte derzeit eigentlich noch viel rascher geimpft werden. Eigentlich. Aber es gibt einfach zu wenig Corona-Impfstoff – und einer von den Impfstoffen hat auch noch ein Imageproblem und wird von den Imfberechtigten abgelehnt. Das Image wurde auch nicht dadurch besser, dass sich unsere Bundeskanzlerin mit dem AstraZeneca-Impfstoffs Vaxzevria impfen ließ. Hausarztpraxen spüren deutlich eine Ablehnung von Vaxzevria durch ihre Patienten – sie bestellten daher bei den Apotheken nur den Biotech-Impfstoff Comirnaty. Doch sollen, dürfen, können die Apotheken diese Wunschbestellungen ausführen? Mein liebes Tagebuch, das war der Auftakt für eine unruhige Woche in Sachen Impfstoffbestellung durch Hausärzte. Zunächst versuchten ABDA, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) und das Paul-Ehrlich-Instituts eine Lösung zu finden: Wer gegen COVID-19 impfen will, muss generisch bestellen und beide Impfstoffe akzeptieren. Die Apotheke sollte auf jene Arztpraxen zugehen, die nur Comirnaty bestellten, die Lage erklären und sie umstimmen – oder eben nicht beliefern. Aber, mein liebes Tagebuch, diese Ansage war nicht von Bestand. Schon zwei Tage später informiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung, dass ab kommender Woche wieder alles anders ist. Die Hausarztpraxen sollen dann doch impfstoffspezifisch bestellen dürfen, allerdings Comirnaty plus  zusätzlich Vaxzervia. Doch auch diese Ansage hielt keinen Tag. Die Hausärzte sahen sich mehr und mehr dem Druck der Patienten ausgesetzt, die diesen Impfstoff ablehnen. Dänemark beispielsweise erlaubt sich, diesen Impfstoff vorerst gar nicht mehr einzusetzen. Und nun wird es auch für unsere Hausarztpraxen ganz anders kommen. Die jüngste Meldung dazu: In der Kalenderwoche 17 (26. April bis 2. Mai) wird es nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung keinen Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca für die Niedergelassenen geben, sondern nur noch Comirnaty von Biontech. Das betrifft die Bestellungen, die bis 20. April in den Apotheken eingegangen sein müssen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat kurzfristig die Lieferung des AstraZeneca-Impfstoffs für die Kalenderwoche 17 abgeblasen. Aufgrund höherer Liefermengen von Comirnaty können „Vertragsärzte nunmehr vier bis acht Vials und damit 24 bis 48 Impfstoffdosen für die Woche vom 26. April bis 2. Mai ordern“, verkündet die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Mein liebes Tagebuch, wie schön, dass wir alle so flexibel sind, nicht wahr?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

Zum Kern zurück

von Reinhard Rodiger am 18.04.2021 um 17:05 Uhr

Es ist in der Tat ein Zielkonflikt, es einerseits bequem haben zu wollen und andererseits das fordernde Lernen und das sich voll Einbringen abzulehnen.Das wiederum fällt leicht, weil der Zeitgeist Elitäres höher schätzt als den "banalen" Alltag . Nur ohne dessen Bewältigung gibt es keinen Raum für Elitäres mehr.Elitär ist das "nur" Anspruchsvolle und Selektive ohne "Flächendeckung".

Seit 50 Jahren besteht der Widerspruch zwischen Studium und Realität.Es gibt kein Studium, das schlechter auf die Kernaufgabe vorbereitet.Das Spektrum der Wahlmöglichkeiten ist zudem heute erheblich enger.Deutschland ist nicht mehr die Apotheke der Welt.Sie ist vielmehr degradiert zum Handlanger der Kassen-ohne grossen Widerstand.Und die vielfältige Industrie wurde eingeschmolzen.Und Handlanger und Bürokratieakrobat will eben niemand sein und die Industrie braucht viel weniger Leute.

Notwendig ist die Rückbesinnung auf die Kernaufgabe und deren gesellschaftlichen Wert.Ein Projekt smarter Entkrustung und Realitätsnäherung.. Selten war die Bedeutung der Verteilung und der Flächendeckung klarer nachvollziehbar. Und dennoch erkennbar vernachlässigt. Selektiv Elitäres wird dem Anspruch des Projekts nicht gerecht.Es verengt in Gemeinschaft mit Bequemlichkeit den Blickwinkel zu stark.

Gleichzeitig wird deutlich, dass es sich um ein Richtungsproblem handelt, das führungsseitig Impulse braucht, um aus der Enge in die Weite zu weisen.Wenn das Vorbild elitär und bürokratisch ist, gibt es keine Weite.Die ist jedoch entscheidend.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nun ja ...

von Reinhard Herzog am 18.04.2021 um 11:18 Uhr

"Wer Bürokratie anfordert, soll dafür bezahlen – eine smarte Idee."

... smart ist daran nur, dass die Kosten anders adressiert und verlagert werden. Kein Wort von konsequenter Abschaffung oder Entrümpelung entsprechender Vorschriften und des Arbeitsmarktes von nicht-wertschöpfenden, ja diese sogar verhindernden Tätigkeiten. Denn das würde die Arbeitslosenstatistik ganz empfindlich in die Höhe treiben und ganze Geschäftsmodelle zum Erliegen bringen ...

"Der Konsum von Cannabis soll für volljährige Personen erlaubt und der Verkauf in lizensierten Geschäften gestattet werden. Mein liebes Tagebuch, was soll das bringen?"

... eine Menge Umsatz, Steuern und (legale) Gewinne!

„Generation Z“: Karriere scheint ihnen nicht so wichtig zu sein, die Höhe des Gehalts ist wohl zweitrangig …

... wie schön - die braven "working poor" von morgen. Schafherde als Zukunftsmodell. Die Bilanzen der wenigen verbliebenen Cleveren und Mutigen wird es freuen. Und die Chinesen; in nicht allzu langer Zeit näht Generation Schneeflöckchen dann denen die Hosen und produziert (billig!) 0815-Medikamente, denn mit High-Tech wird es halt bei dieser Einstellung immer schwieriger - womit wir beim letzten Punkt wären:

"Und viele von ihnen sind zwar technisch und digital gut versiert …"

... definitiv nein. Die klimpern zwar mit der beneidenswerten Schnelligkeit eines Affen auf den Gerätschaften herum, aber was sich darunter verbirgt? Mal eine Zeile programmiert? Technisches Grundlagenwissen? Harte Mathematik?
Nein - ist doch alles viel zu viel Stress (30 Jahre [Hochschul-]-Lehrerfahrung!). Wie ja auch in der Apotheke ...

Wir leben tatsächlich in einer www-Gesellschaft:
wohlstandsverweichlicht, wohlstandsverängstlicht, wohlstandsverwahrlost.
Klare Tendenzen zur Verflachung und Verblödung (die Intelligenz in den saturierten Ländern nimmt seit einigen Jahren wieder ab!). (Bildungs-)Niveau sinkt trotz Rekordaufwendungen.

Das kann man aber jetzt nicht einer Generation in die Schuhe schieben, die passen sich eben nur an. Das ist ein schon lange währender gesamtgesellschaftlicher Prozess. Somit ist Generation Z vielleicht eher Generation A wie Anfang, denn irgendwie werden sie die überkommenen Strukturen und irren Altlasten unserer Generationen abstreifen müssen und einen Neuanfang wagen müssen. Ob auf- oder absteigend, wird man sehen.

Unternehmer dürften jedoch einstweilen ihren Spaß daran haben, durchaus ambivalent und keinesfalls nur negativ zu sehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nur noch Biontech

von Conny am 18.04.2021 um 9:24 Uhr

Die Ärzte haben sich durchgesetzt. Wäre uns nie passiert.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Unerreichbarkeit der Generation Z

von Ulrich Ströh am 18.04.2021 um 9:02 Uhr

Herr Ditzel , Sie fragen:
Wie kann man den Nachwuchs für. die Berufspolitik
begeistern ?
Wird weiterhin gar nicht nicht mehr möglich sein.

Die jungen Kollegen*Innen werden sich auch zukünftig nicht für entsprechende Abläufe und Inhalte von Kammerversammlungen und Apothekertage interessieren.
Mit Recht.

Work-Life -Balance lässt dafür keinen Raum.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

FDP

von K. Srülcken am 18.04.2021 um 8:56 Uhr

"Wer Bürokratie anfordert, soll dafür bezahlen"
Das ist wirklich eine smarte Idee der FDP. Manche Vorschriften und Merkwürdigkeiten der Krankenkassen scheinen oft nur der dortigen Arbeitsplatzsicherung zu dienen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.