INTERPHARM online 2021

Was läuft falsch im Darm bei MS?

Stuttgart - 06.05.2021, 13:45 Uhr

Propionsäure ist in Serum und Stuhl von Patienten mit Multipler Sklerose deutlich reduziert. (Foto: fotoliaxrender / AdobeStock)

Propionsäure ist in Serum und Stuhl von Patienten mit Multipler Sklerose deutlich reduziert. (Foto: fotoliaxrender / AdobeStock)


Das Mikrobiom von MS-Patienten unterscheidet sich von dem gesunder Menschen. Welche Rolle spielen kurzkettige Fettsäuren, wie Propionsäure, in der Pathogenese von Multipler Sklerose? Und kann man bereits gezielt Bakterien für ein gutes Mikrobiom substituieren, was genau ist ein gutes Mikrobiom? DAZ.online hat Professor Aiden Haghikia zu seinem Vortrag bei der diesjährigen INTERPHARM online befragt.

DAZ.online: Was läuft „falsch“ im Darm bei MS?

Professor Haghikia: Was wir sehen, ist, dass sich das gesamte Mikrobiom von MS-Patienten von dem von Kontrollgruppen unterscheidet. Und zwar nicht nur bei einzelnen Bakterien oder Bakterienstämmen. Tatsächlich sind bei MS-Patienten ganze Netzwerke an Bakterienfamilien, vor allem in ihrer Quantität, verändert. Was zudem sehr augenscheinlich ist: Diese quantitativ verminderten Bakterienfamilien produzieren unter anderem kurzkettige Fettsäuren – Propionsäure, Essigsäure und Buttersäure –, die sie aus den Zellwänden langer Pflanzenfasern abspalten. Und eben diese kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Propionsäure, sind im Serum und im Stuhl von Patienten mit Multipler Sklerose deutlich reduziert.

Prof. Dr. Aiden Haghikia ist Direktor der Universtätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg. Sein Foschungsschwerpunkt gilt der Erforschung des Darms im Hinblick auf die Entstehung von chronisch-entzündlichen ZNS-Erkrankungen wie MS und neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Alzheimer und Chorea Huntington.

Was genau macht Propionsäure? Und funktioniert das auch mit anderen kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat (Buttersäure)?

Die Propionsäure ist – und das gilt für alle kurzkettigen Fettsäuren in unterschiedlichem Maße – für unheimlich viele verschiedene Dinge verantwortlich. Die evolutionsbiologisch einfachste Aufgabe der kurzkettigen Fettsäuren ist, dass sie als Energieträger fungieren und sowohl Bakterien wie auch den Darmepithelzellen als Substrat dienen. Wir konnten zeigen, dass diese kurzkettigen Fettsäuren in der Darmwand unter anderem dazu führen, dass T-Zellen, die noch unentschieden sind, ob sie sich zu entzündlichen oder regulatorischen entwickeln, sich eher zu regulatorischen T-Zellen differenzieren.

Vom 5. bis 8. Mai 2021 findet die zweite Interpharm online statt. Ein Thema des Pharmazeutischen eKongresses: „Multiple Sklerose: Strategien gegen die gefürchtete Autoimmunerkrankung“. Das volle Programm und weitere Informationen finden Sie hier.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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