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Beeindruckende Genauigkeit
Hunde können Coronavirus riechen
Einmal schnuppern – und schon ist der SARS-CoV-2-Infizierte erkannt. Das wäre eine Super-Idee für Umgebungen, in denen schnelle Kontrollen größerer Menschenmengen nötig sind, wie etwa bei Veranstaltungen oder an Flughäfen. Hunde könnten diese Dienstleistung erbringen. Ein neue Proof-of-Concept-Studie hat den Beweis erbracht, dass das tatsächlich mit einer hohen Trefferquote funktioniert, aber nur nach einer aufwendigen Schulung.
Krankheiten durch chemische oder biologische Sensoren über den Geruch zu detektieren, ist prinzipiell nichts Neues. Die Voraussetzung dafür ist, dass diese über eine spezifische flüchtige organische Substanz-Signatur (volatile organic compound (VOC) signature) verfügen, was für einige Krebserkrankungen bereits bekannt ist.
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Auch eine SARS-CoV-2-Infektion produziert ein solches eindeutiges VOC-Profil, und der „beste Freund des Menschen“, der Hund, kann dieses offenbar tatsächlich aus verschiedenen Absonderungen des Körpers wie Urin, Schweiß oder Speichel beziehungsweise Trachealproben erschnüffeln. Verschiedene Forschergruppen arbeiten daran, Hunden das dafür nötige spezielle Know-how anzutrainieren, zum Beispiel an der London School of Hygiene & Tropical Medicine und an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Keine einfache Sache für die Hunde
Eine kürzlich in der Zeitschrift „PLOS ONE“ veröffentlichte Proof-of-Concept-Studie zeigt die speziellen Herausforderungen auf, die damit verbunden sind, und sie bringt weitere Klarheit. „Dies ist keine einfache Sache, die wir von den Hunden verlangen“, sagt Cynthia Otto, leitende Autorin der Arbeit und Direktorin des Working Dog Center der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität von Pennsylvania.
„Die Hunde müssen den Geruch der Infektion spezifisch erkennen, aber sie müssen auch die Hintergrundgerüche verschiedener Menschen verallgemeinern können, und zwar von Männern und Frauen, Erwachsenen und Kindern und Menschen unterschiedlicher Ethnien und Regionen.“
Virus vorher inaktiviert
Über das Working Dog Center haben Otto und ihre Kollegen jahrelange Erfahrung in der Ausbildung von Hunden für diagnostische Zwecke, sogenannte medical-detection dogs, gesammelt, zum Beispiel für die Erkennung von Eierstockkrebs. Als die Pandemie kam, nutzten sie dieses Fachwissen, um eine Coronavirus-Erkennungsstudie zu entwerfen. Ian Frank von der Perelman School of Medicine und Audrey Odom John vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia stellten SARS-CoV-2-positive Proben von erwachsenen und pädiatrischen Patienten sowie Proben von negativ getesteten Patienten zur Verfügung, die als Kontrollen dienten. Damit die Hunde „sicher“ schnüffeln konnten, wurde das Virus in allen Trainingsproben entweder mit Detergenzien oder Wärmebehandlung inaktiviert. Auch die SARS-CoV-2-negative Proben wurden entsprechend behandelt, um eine etwaige Verfälschung der Ergebnisse durch diesen Eingriff auszuschalten.
Genauigkeit von 96 Prozent
In der Studie wurden acht Labrador-Retriever und ein belgischer Malinois eingesetzt, die zuvor noch nicht für medizinische Erkennungsaufgaben herangezogen worden waren. Zuerst trainierten die Forscher sie darauf, eine synthetische Substanz zu erkennen, die als Universal Detection Compound (UDC) bekannt ist. Sie verwendeten ein „Duftrad“, in dem jeder der zwölf Ports mit einer anderen Probe beladen ist, und belohnten den Hund, wenn er auf den Port mit dem UDC reagierte.
Dann wurden die Hunde in einem ausgeklügelten stufenweisen Verfahren darauf geschult, Urin aus SARS-CoV-2-positiven Patienten, die mit einem Detergenz behandelt worden waren, zu erkennen und ebenso behandelten Urin von SARS-CoV-2-negativen Patienten zu ignorieren. Im nächsten Schritt bekamen sie wärmebehandelte SARS-CoV-2-positive und -negative Urinproben sowie wärmebehandelte positive und negative Speichelproben von hospitalisierten SARS-CoV-2-positiven Patienten vorgesetzt. Tatsächlich konnten die Hunde unabhängig vom Inaktivierungsprotokoll erfolgreich zwischen infizierten und nicht infizierten Urin- und Speichelproben unterscheiden, und zwar mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 96 Prozent. Falsch negative Ergebnisse führten die Forscher teilweise auf die strengen Kriterien der Studie zurück. Wenn ein Hund auch nur einmal ohne Reaktion an einem Port mit einer positiven Probe vorbeiging, wurde dies bereits als „nicht erkannt“ registriert.
Klappt das Erlernte auch mit neuen Proben?
Bisherige Studien, in denen Hunden dies gelungen war, verwendeten wiederholte Präsentationen derselben Proben. Die Frage ist jedoch, ob sie danach in der Lage sind, das Erlernte auch auf vollständig neue Proben zu übertragen, eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche breite Anwendung in der Praxis. In der Studie schien dies zunächst kein Problem zu sein. Trotzdem war die Verallgemeinerung des Erlernten auf neuartige Proben begrenzt, insbesondere nach intensivem Training mit einem eingeschränkten Stichprobensatz. So tendierten die Hunde dazu, eher zwischen den tatsächlichen Patienten und nicht zwischen ihrem SARS-CoV-2-Infektionsstatus zu unterscheiden.
Geruchsprofil hält sich eventuell noch länger
Eine zusätzliche Komplikation ergab sich aus zwei Proben, die zwar SARS-CoV-2 negativ waren, aber bei der Mehrheit der Hunde trotzdem zu konsistenten und wiederholten Warnungen führten. Eine Probe stammte von einer Person, die sich kurz davor von COVID-19 erholt hatte. Die zweite Probe kam von einer Person, die kürzlich COVID-19-Symptome gehabt hatte, jedoch ebenfalls PCR-negativ war. „Die Hunde reagierten immer wieder auf diese Proben und wir sagten ihnen immer wieder nein“, berichtet Otto. Bestätigte SARS-CoV-2-negative Kontrollen könnten deswegen ein Problem sein. Eine mögliche Erklärung wäre, dass sich das COVID-19-Geruchsprofil auch nach der Genesung noch länger hält.
Jetzt schnüffeln die Hunde an T-Shirts
Nach den Ergebnissen ihrer Studie halten die Wissenschaftler es für sicher, dass es einen SARS-CoV-2-Geruch gibt, den Hunde erkennen können, aber das Training müsste ihrer Meinung nach eine erheblich größere Anzahl verschiedener Proben beinhalten. Um die Qualität, Reproduzierbarkeit und Gültigkeit ihres Ansatzes zu verbessern, sollen die Erkenntnisse nun in eine weitere Untersuchung einfließen.
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In der von Otto und Kollegen bezeichneten „T-Shirt-Studie“ sollen die Hunde darauf trainiert werden, anhand flüchtiger organischer Verbindungen zwischen den Gerüchen von COVID-19-positiven, -negativen und geimpften Personen zu unterscheiden. Dafür benutzen sie ein T-Shirt, das die Probanden über Nacht getragen haben. „Wir sammeln in dieser zweiten Studie viel mehr Proben, Hunderte oder mehr als in der ersten und wollen die Hunde damit an das heranführen, womit sie es später in der Praxis zu tun bekommen“, erklärt Otto.
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