Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

13.06.2021, 07:45 Uhr


10. Juni 2021

Ja klar, nicht nur die Maskenbeschaffung, auch die von Spahn initiierte Möglichkeit, mal eben so ohne große Nachweise einige Testzentren auf die Beine zu stellen, war so eine Art Schnellschuss: nicht konsequent durchdacht und damit anfällig für schwarze Schafe, die mit Testzentren aufs schnelle Geld aus waren und bei den Abrechnungen betrogen. Die Quittung kommt jetzt und trifft auch die Anständigen, die rechtschaffenen Teststellen, also auch die Apotheken: Spahn hat angekündigt, die Vergütung für diese Bürgertests zu kürzen. Und ein entsprechender Referentenentwurf für eine neue Corona-Testverordnung folgte: Demnächst gibt es als Vergütung für den Bürgertest nur noch 12,50 Euro – 8 Euro für die Dienstleistung und pauschal 4,50 Euro für die Materialkosten. Auch wenn die Testutensilien an sich ein wenig günstiger geworden sind –  eine Vergütung von 12,50 Euro ist empfindlich weniger. Apothekerverbände, z. B. der Apothekerverband Westfalen-Lippe und der  Landesapothekerverband Baden-Württemberg, sehen in dieser Vergütungskürzung ein Risiko für das flächendeckende Teststellennetz. Die Apotheken haben mühevoll und mit viel Engagement entsprechende Teststrukturen aufgebaut, so heißt es von den Verbänden. Gerade die Apotheken seien doch ein wesentlicher Pfeiler der Teststrategie. Und ja, es sei zu befürchten, dass gerade diese Apotheken ihre Angebote für Bürgertests einstellten. Mein liebes Tagebuch, wie wahr. Mit der gekürzten Vergütung ist es für viele Apotheken schwer, das Testangebot aufrecht zu erhalten. Und überhaupt kann man auch dem Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, nur zustimmen: Er hält es nicht für sinnvoll, dass bisher jeder ein bisschen Geschulte ein Corona-Testzentrum eröffnen darf – dies gehöre in die Hände der Heilberufler.

 

Pandemiebedingt fand das Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands in diesem Jahr auf Youtube und Facebook statt. Allzu viele Teilnehmer (es waren nur wenige mehr als 100) hatten sich nicht eingeklinkt, wie auch, wer außer den Funktionären hat tagsüber schon Zeit von 10 bis 13 Uhr, dieser Veranstaltung beizuwohnen. Vielleicht wäre es eine Idee, so ein Forum mal abends zu veranstalten von 19 bis 22 Uhr? Nun denn, in den drei Stunden war alles gesagt, wie es den Apotheken im vergangenen Jahr ging, nämlich gut: mehr Umsatz und ein höheres Betriebsergebnis. 56,71 Milliarden Umsatz machten unsere Apotheken im ersten Corona-Jahr, mehr als je zuvor. Die „durchschnittliche Apotheke“, wie sie immer so nett genannt wird, hatte 2020 einen Umsatz von rund 2,78 Mio. Euro, allerdings: Mehr als 60 Prozent der Apotheken liegen mit ihren Umsätzen unter dem Durchschnitt. Aber nicht nur die Umsätze glänzten, auch die Betriebsergebnisse: Es lag im Durchschnitt bei 168.068 Euro im Vergleich zu 148.436 Euro im Vorjahr. Mein liebes Tagebuch, mit solchen Umsatzzuwächsen und gestiegenen Betriebsergebnissen lässt sich schlecht nach Honorarerhöhungen rufen. Und daher war es für die ABDA besonders wichtig, auf die einmaligen Faktoren hinzuweisen, denen die gestiegenen Umsätze zu verdanken sind. Laut Eckart Bauer, ABDA-Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, ist diese Entwicklung u.a. den pandemiebedingten Sonderfaktoren zu verdanken. Die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Packungen ging dagegen zurück, der Anteil der GKV-Versorgung am Betriebsergebnis blieb nahezu konstant bei etwas mehr als 84.000 Euro. Also, mein liebes Tagebuch, man kann es nicht deutlich genug sagen: „Ohne Erhöhung der Notdienstpauschale, ohne die Botendienstgebühr und die Masken-Pauschale wäre das Betriebsergebnis unverändert geblieben“, so Bauer. Und die Prognose fürs laufende Jahr: Bauer erwartet ein Ergebnis zwischen dem von 2019 und 2020. Also, mein liebes Tagebuch der Höhenflug des letzten Jahres wird sich kaum fortsetzen. Allerdings, alle Apotheken, die es schaffen, auch weiterhin am Markt zu bleiben, werden von den Schließungen all derjenigen Apotheken profitieren, die in diesem Jahr warum auch immer aufgeben müssen. Vermutlich werden es wieder 300 Apotheken sein, die auch in diesem Jahr für immer schließen. Mittlerweile haben wir nur noch rund 18700 Apotheken, davon sind 4600 Filialen. Tendenz weiterhin fallend. Mein liebes Tagebuch, die großen Unbekannten für die Entwicklung der Apothekenzahlen werden das E-Rezept und der Versandhandel sein. Wie werden es unsere Apotheken schaffen, ihren Kunden zu erklären, dass das E-Rezept am besten in der Vor-Ort-Apotheke eingelöst wird? Und dass E-Rezepte nichts mit Versand zu tun haben? Wie kann man die Kunden von ihrem in der Pandemie gelernten Verhalten, vieles online zu erwerben, abbringen und zwar dann, wenn es um Arzneimittel geht, weil bei dieser Ware der Beratungsbedarf sehr hoch ist? Das sind echte Herausforderungen! Denn, so zeigte es Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie bei der ABDA, ein großer Profiteur der Pandemie war der Versandhandel, der sogar im Rx-Bereich deutlich zulegte.

 

Wie hatte Spahn doch noch im vergangenen Jahr, inmitten der Pandemie gesagt: „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Und: „In dieser Pandemie gibt es keine absoluten Wahrheiten.“ Mein liebes Tagebuch, unser Bundesgesundheitsminister wird diese Sätze heute wiederholen wollen, angesichts der Kritik, die derzeit auf ihn niedergeht. Nicht nur der unausgegorene Schnellschuss Testzentrum, auch die Maskenbeschaffung und die Maskenpreise werden ihm vorgeworfen: Der Bundesrechnungshof stellt fest, dass das BMG in der Corona-Krise für Schutzmasken zeitweise überhöhte Erstattungen an Apotheken gezahlt hat. Die Maskenabgabe kostete den Staat bis Anfang April 2,1 Milliarden Euro. Und was sich laut diesem Bericht  bisher nicht aufklären ließ: Wie kam Spahns Ministerium zum bezahlten Erstattungspreis von 6 Euro pro Maske? Die Prüfer des Bundesrechnungshofs halten sogar noch den im Februar auf 3,90 Euro gesenkten Erstattungsbeitrag für eine Überkompensation. Spahn verteidigt das Vorgehen seines Ministeriums: Es habe eine zeitliche Dringlichkeit bestanden, Masken rasch zu beschaffen und sie an die vulnerablen Gruppen zu verteilen. Den Weg fand man über die Krankenkassen und die Apotheken. „Ich bin dankbar, dass die Apotheken ihn mitgegangen sind“, sagte Spahn. Mein liebes Tagebuch, genauso muss man das sehen. Was unsere Apotheken geleistet haben, war jeden Euro und Cent wert, der möglicherweise durch einen etwas höheren Maskenpreis kompensiert wurde.

 

Spahn freut sich, so manches läuft dann doch recht gut an: Der digitale Corona-Impf-Nachweis kommt! In dieser Woche wurden Covid-19-Impfzertifikate bereits in den ersten Arztpraxen und Impfzentren ausgestellt, und in der nächsten Woche kommen dann unsere Apotheken dazu, die mithelfen werden, Impfpässe zu prüfen und die Angaben nachträglich zu digitalisieren. Und wie immer mein liebes Tagebuch, es wird Schritt für Schritt gehen, nicht jede Praxis und nicht jede Apotheke werden sofort mitmachen können. Immerhin, bis Ende Juni sollen möglichst alle angeschlossen sein. Das ist doch einmal ein Lichtblick! Jetzt fragen sich die Apotheken nur noch: Was kommt auf sie zu? Werden sie mit Digitalisierungswünschen überrannt? Wird das Digitalisierungshonorar nachträglich noch gekürzt, weil wieder einige meinen, es sei zu hoch? Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Rücken stärken

von Dr. Radman am 13.06.2021 um 13:18 Uhr

Ja, Herr Spahn ist nicht perfekt und ja, er hat viele Fehler gemacht, aber er ist noch besser als möglicherweise Herr Lauterbach oder sonstwer von den Grünen. Deshalb sollten wir dem Minister gegenüber Angriffe der Sozis den Rücken stärken.

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AOK Hessen

von Dr.Diefenbach am 13.06.2021 um 10:37 Uhr

..was auch einmal die pharmazeutische Seele froh stimmen dürfte:Die AOK Hessen hat nach vorliegenden Infos ja die Forderung der Nachzahlung angeblich verlorengegangener Herstellerrabatte vergangener Jahre, welche noch eingesammelt werden sollten(2015 bis...)nach entsprechender Rechtssprechung ad acta gelegt.
Das soll ruhig auch mal erwähnt werden, ebenso die Tatsache, dass halt auch die Juristin der AOK Hessen ein klar denkender Zeitgeist ist,
Zu den MASKEN:Das überlagert ja wieder mal die Sauerei mit den Würstchenbudentestzentren.Uns wirft man allerorts massive Geldscheffelei vor,die Betrügerei !! in Testzentren in etlichen Fällen scheint informativ keine Rolle zu spielen??
und die offenbar völlig überzogene Geldgewährung in IMPFZENTREN ,hier sind sicher einige Kollegen jetzt beleidigt, spielt,da Wahlkampf ist,auch keine tragende Rolle.Dass die Systeme bald zugemacht werden,kommt dazu...

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Ist ja toll

von Karl Friedrich Müller am 13.06.2021 um 8:43 Uhr

Dass es uns gut geht. Und das so pauschal rausposaunt wird. Auch wenn es so nicht stimmt. Es stimmt gar nicht. Ohne die Masken wäre das Betriebsergebnis bei vielen zappenduster.
Diese oberflächliche Euphorie in der DAZ macht mir zunehmend Probleme.
Wir haben sehr viel Umsatz und Gewinn an die Versender verloren. Klar, es bleiben einige Apotheken, die sich „dumm und dämlich“ verdienen. Das sind die Ausnahmen.
- Gekürzt wurde auch bei der Botendienstpauschale. Schon vergessen? 2,98€ für einen Botendienst ist zwar besser als nichts, trotzdem eine Unverschämtheit, schon wegen der Denke, die dahinter steckt.

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