Nach COVID-19-Impfung

Verstärkte Menstruationsblutungen besser den Arzneimittelbehörden melden?

Stuttgart - 18.06.2021, 16:50 Uhr

Zur Erfassung der Verträglichkeit der Impfstoffe auf breiter Datenbasis hat das Paul-Ehrlich-Institut die Smartphone-App SafeVac 2.0 entwickelt, mit der Geimpfte digital Auskunft darüber geben können, wie sie die Impfung vertragen haben. (Foto: dodotone / StockAdobe)

Zur Erfassung der Verträglichkeit der Impfstoffe auf breiter Datenbasis hat das Paul-Ehrlich-Institut die Smartphone-App SafeVac 2.0 entwickelt, mit der Geimpfte digital Auskunft darüber geben können, wie sie die Impfung vertragen haben. (Foto: dodotone / StockAdobe)


Medial kursiert schon seit einiger Zeit, dass COVID-19-Impfungen die Menstruation beeinflussen könnten – vor allem in den sozialen Netzwerken. Könnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen? DAZ.online hat sich in den Medien umgesehen und beim PEI nachgefragt.

Ein Artikel, auf den sich in den vergangenen Tagen viele Medien berufen haben, hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am 2. Juni veröffentlicht. Darin wird beschrieben, dass sich im Internet Berichte dazu häufen, welche die Frage aufwerfen, ob mRNA-Impfstoffe bei Frauen Zyklusstörungen und starke vaginale Blutungen auslösen könnten. Selbst Frauen in der Menopause sollen betroffen sein. Wie in vielen anderen Berichten, in denen Expert:innen zum Thema befragt wurden, kommt auch dieser Text zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang für möglich, aber wenig dramatisch gehalten wird. Jeder Mensch, der menstruiert, weiß, dass der Zyklus auf verschiedene Weise aus dem Takt geraten kann, was nicht immer ein Warnzeichen sein muss, aber dennoch im Auge behalten werden sollte.

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In den sozialen Medien hat die Professorin für Anthropologie an der University of Illinois, Kathryn Clancy, besondere Aufmerksamkeit erhalten. Sie startete zunächst im Februar eine Diskussion auf Twitter zur veränderten Regelblutung nach COVID-19-Impfung und hat ihr Anliegen mittlerweile auf eine Internetumfrage ausgeweitet, die sie wissenschaftlich auswerten möchte. 

PEI: Keine Meldungen, keine Beurteilung

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erklärte auf Anfrage gegenüber DAZ.online, dass das Institut nur untersuchen und beurteilen könne, was auch gemeldet werde. Bisher scheine es so, dass sich die Diskussion auf die (sozialen) Medien beschränke. Der aktuelle Sicherheitsbericht (Berichtszeitraum 27. Dezember 2020 bis 31. Mai 2021) lasse keine konkrete Beurteilung zu:


Uns wurden – insbesondere nach Vaxzevria – auch klinisch relevante Blutungen gemeldet, darunter auch vereinzelt gestörte oder verstärkte Menstruationsblutungen (ab Seite 17). Das aber nicht in einem Ausmaß, dass man es zahlenmäßig einzeln ausweisen könnte. Solange wir keine entsprechenden Meldungen erhalten, können wir das leider nicht beurteilen.“

Paul-Ehrlich-Institut


Konkret heißt es unter dem Punkt „Blutungen“ im Sicherheitsbericht: „Das Paul-Ehrlich-Institut erhielt bis zum 31. Mai 2021 Meldungen zu insgesamt 650 Fällen von Blutungen unterschiedlicher Lokalisation nach Impfung mit Vaxzevria.“ In 71 Fällen von Blutungen sei auch eine Thrombozytopenie mitgeteilt worden. Dabei geht es aber, wie vom PEI gegenüber DAZ.online geschildert, weniger um Menstruationsblutungen, sondern beispielsweise auch um zerebrale Blutungen, an denen 24 Patient:innen verstarben. In 298 der 650 Fälle wurde jedoch über leichtere Blutungen, wie Hämatome, Nasenbluten oder Zahnfleischbluten, berichtet – oder eben blutigen Urin oder verstärkte und gestörte Menstruationsblutungen. 

Nach Impfung mit Comirnaty wurden 183 Fälle von Blutungen gemeldet. Menstruationsblutungen werden dort nicht erwähnt. Leichtere Blutungen, wie Hämatome und Zahnfleischbluten, wurden in 18 Fällen berichtet, heißt es.

Nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Moderna traten 30 Fälle von Blutungen auf, auch dort werden Menstruationsblutungen nicht erwähnt. Nach Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Janssen wurde bis zum 31. Mai 2021 keine Blutung gemeldet.

„Bis zum 31. Mai 2021 wurden laut Angaben des Robert Koch-Instituts 50.541.084 Impfungen durchgeführt, davon 36.865.276 Impfungen mit Comirnaty, 3.972.764 Impfungen mit dem COVID-19- Impfstoff Moderna, 9.230.103 Impfungen mit Vaxzevria und 472.941 Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff Janssen.“ (aus dem PEI-Sicherheitsbericht)

Beim Betrachten der Sicherheitsberichte sollte man immer im Kopf behalten, dass es sich um Verdachtsfälle von Nebenwirkungen handelt, die lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang zur Impfung aufgetreten sind. Ein kausaler Zusammenhang lässt sich nicht automatisch ableiten.

PEI: Bei Blutungen Thrombozytenzahl untersuchen

Insgesamt scheinen also für Vaxzevria mehr Blutungen als bei den mRNA-Impfstoffen gemeldet worden zu sein. Das PEI gibt jedoch die mediale Aufmerksamkeit zu bedenken, die der Impfstoff in der Vergangenheit aufgrund von TTS (Thrombosen mit Thrombozytopenie-Syndrom) erfahren hat. Dadurch könnte die Melderate erhöht worden sein. 

Das PEI weist in seinem Sicherheitsbericht darauf hin, dass in der überwiegenden Mehrzahl der gemeldeten Fälle von Blutungen, die nicht lebensbedrohlich waren, keine Information zu den Thrombozytenwerten vorhanden seien. „In diesem Zusammenhang ist zu erwägen, bei Blutungsereignissen, die über unmittelbare Lokalreaktionen, d.h. kurz nach der Impfung, hinausgehen, auch die Thrombozytenzahl zu untersuchen und zu berichten, um frühzeitig eine mögliche Thrombozytopenie festzustellen“, erklärt es weiter. 

Das erscheint sinnvoll, wenn man einen Brief aus dem BMJ (British Medical Journal) zu den in den (sozialen) Medien berichteten veränderten Menstruationsblutungen liest. Im April schrieb der Pharmazeut Hamid Merchant von der University of Huddersfield aus Großbritannien an die Redaktion, dass viele Frauen weltweit nach COVID-19-Impfungen über Unregelmäßigkeiten ihrer Menstruationsblutungen klagen. Das Spektrum reiche von verstärkten Blutungen, über verfrühte Blutungen und gehäufte Blutungen bis hin zu Blutungen in der Menopause. Unter Berufung auf die britische Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines & Healthcare products Regulatory Agency) berichtet er bis zum 5. April von circa 958 solcher Fälle. Dabei war der Impfstoff von AstraZeneca offenbar doppelt so häufig betroffen wie der von Biontech/Pfizer. 

Merchant geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl solcher Ereignisse noch größer sein dürfte und erwähnt in diesem Zusammenhang die in der Vergangenheit bekannt gewordenen Fälle von TTS – sowie, dass Thrombozytopenie eine häufige Nebenwirkung von Vaxzevria ist und sich ebenfalls bei den mRNA-Impfstoffen eine Häufung von Thrombozytopenien andeute. Dabei schlägt er eine Brücke dazu, dass starke Menstruationsblutungen schon früher bei Frauen berichtet wurden, wenn diese unter Thrombozytenstörungen litten. 

Impfstoffinduzierte Thrombozytopenie – eine Erklärung?

In diesem Zusammenhang hält er es für plausibel, dass eine impfstoffinduzierte Thrombozytopenie eine Erklärung für die berichteten ungewöhnlichen Menstruationsblutungen liefern könnte. Er erkennt darin eine realistische Gefahr: erheblicher Blutverlust könne zu einer schweren Anämie führen, die Thrombozytopenie weiter verschlimmern und so das Risiko von Blutungen und Gerinnseln erhöhen. Seine Befürchtung ist, dass solche verstärkten Menstruationsblutungen in einzelnen Fällen in die gefürchteten Hirnvenenthrombosen münden könnten. Sie könnten also ein frühes Zeichen für die Ausbildung einer TTS sein, vor allem wenn andere Risikofaktoren zusätzlich vorliegen. Gesundheitsberufen und Arzneimittelbehörden empfiehlt der Pharmazeut also, die Fälle ernst zu nehmen und entsprechend zu melden und zu untersuchen.

MHRA: Kein erhöhtes Risiko für Menstruationsstörungen

Zuletzt hat die britische MHRA ihren wöchentlichen Sicherheitsreport am 17. Juni aktualisiert. Darin gehen Daten ein vom 9. Dezember 2020 bis zum 9. Juni 2021.

Unter dem Abschnitt „Menstruationsstörungen (Periodenprobleme) und unerwartete vaginale Blutungen“ heißt es, dass die Behörde entsprechende Berichte aufmerksam verfolge. Derzeitige Erkenntnisse würden jedoch nicht auf ein erhöhtes Risiko für Menstruationsstörungen hindeuten. Zu allen drei Impfstoffen seien Periodenprobleme berichtet worden, jedoch sei die Anzahl der Berichte gering – sowohl im Verhältnis zur Anzahl der Frauen, die bisher geimpft wurden, als auch im Verhältnis zur Häufigkeit von Menstruationsstörungen im Allgemeinen.

Konkrete Fall-Zahlen aus Großbritannien

Für Vaxzevria werden im Detail 181 postmenopausale Blutungen gelistet. 363 Mal wurde Dymenorrhoe und 275 Mal wurden Menstruationsbeschwerden gemeldet. Aber auch 523 Mal Menstruationsstörung und 685 Mal unregelmäßige Menstruation. Eine verspätete Menstruation wurde wiederum 885 Mal gemeldet, Amenorrhoe 190 Mal, Hypomenorrhoe 160 Mal und Oligomenorrhoe 37 Mal.

Eine starke Menstruationsblutung („heavy menstrual bleeding“) wurde ganze 1.478 Mal gemeldet, Polymenorrhoe 216 Mal. Vaginale Blutungen wurden 609 Mal gemeldet, Unterleibsschmerzen 119 Mal. Todesfälle wurden in diesem Zusammenhang jedoch keine bekannt.

Bei Biontech/Pfizer wurde 254 Mal Dysmenorrhoe, 149 Mal Zwischenblutung, 241 Mal Menstruationsstörung und 341 Mal unregelmäßige Menstruation gemeldet. Eine verspätete Menstruation wurde 367 Mal berichtet, Amenorrhoe 90 Mal, Hypomenorrhoe 71 Mal und Oligomeorrhoe 12 Mal. Eine starke Menstruationsblutung wurde 640 Mal berichtet, Polymenorrhoe 95 Mal. Auch hier gab es keinen Todesfall.

Bei Moderna sind die Zahlen auffallend niedriger, eine starke Menstruationsblutung wurde beispielsweise 84 Mal gemeldet. Auch hier gab es keinen Todesfall.

Bis zum 9. Juni gab es in Großbritannien schätzungsweise 15,6 Millionen Erstdosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer und 24,6 Millionen Erstdosen des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca, sowie etwa 10,8 Millionen Zweitdosen von Biontech/Pfizer bzw. bzw. 17,7 Millionen Zweitdosen des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca. Etwa 0,56 Millionen Erstdosen des COVID-19-Impfstoffs Moderna wurden verabreicht.

Bislang kann man also keinen direkten Zusammenhang zwischen einer Corona-Impfung und veränderter Regelblutung herstellen. Dennoch werden in den Medien bereits Fragen diskutiert, wie beispielsweise: „Könnte der COVID-19-Impfstoff die Entwicklungszyklen von Kindern im Vorpubertätsalter beeinflussen?“ Am Ende könnte ein auch anderweitig häufig beobachteter indirekter Zusammenhang bestehen: Stress.

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Wer sucht, der findet auch einen britischen Preprint vom 8. Juni mit dem Titel „The COVID-19 pandemic and the menstrual cycle: research gaps and opportunities“. Die Arbeit schaut sich den Zyklus nicht nur impfstoffbezogen, sondern im Kontext der gesamten Pandemie an. Und zeigt auf, dass es bezüglich der Menstruation ganz unabhängig von Corona viele Wissenslücken gibt. 

Studien erheben keine Daten zur Menstruation

So wurden demnach in den meisten COVID-19-Studien keine Daten zur Menstruation erhoben. In der Schlussfolgerung des Preprints heißt es, dass die medial anekdotischen Berichte und eine kleine Anzahl wissenschaftlicher Studien unterschiedlicher Qualität darauf hindeuten, dass viele Frauen während der Pandemie Veränderungen in ihrem Zyklus erfahren haben. Die Gründe könnten jedoch pandemiebezogen sein – wie Stress und Verhaltensänderungen – und/oder aufgrund einer COVID-19-Erkrankung selbst. Forschung zur Menstruationsgesundheit sei dringend erforderlich, oder um es mit den Worten eines Kommentars aus der „New York Times“ (vom 20. April) zu sagen: „No, we don’t know if vaccines Change your period – We do know that researchers do not study menstruation enough.“

Entsprechende Beobachtungen zu melden, kann also nicht schaden – umso mehr, wenn am Ende herauskommt, dass kein Zusammenhang besteht und so das Vertrauen in die Impfungen gestärkt wird.

Zur Erfassung der Verträglichkeit der Impfstoffe auf breiter Datenbasis hat das Paul-Ehrlich-Institut die Smartphone-App SafeVac 2.0 entwickelt, mit der Geimpfte digital Auskunft darüber geben können, wie sie die Impfung vertragen haben. Die SafeVac 2.0 App kann kostenlos in den App Stores von Google und Apple heruntergeladen werden. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.

von Irissa am 25.06.2021 um 18:38 Uhr

Egal wo ich schaue und google, es wird negiert, das die Menstruation nach der Impfung verändert sein kann. Ich selbst bin nun 4 Wochen überfällig. Mein Arzt meinte, es scheint ziemlich eindeutig der Fall zu sein, da ich durchweg gesund bin. Und Sorry, ich hatte bisher so viel Stress in meinem Leben aber 4 Wochen ..?
Natürlich können Männer nicht nachempfinden, wie es ist eine Frau zu sein und den Körper gut einschätzen zu können, sonst würde die Sache nämlich anders aussehen.
Die Savevac gibt uns ja auch nicht die Option dies zu melden, wie soll es also ans Licht kommen?
Es macht mich wütend und gibt mir das Gefühl von Ohnmacht und hinterlässt den Geschmack von Misstrauen. Könnte da etwas anderes hinterstehen? ?

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