Weiteres Urteil zur Opiumtinktur

Landgericht Düsseldorf stuft an Apotheken gelieferte Opiumtinktur als Fertigarzneimittel ein

Süsel - 23.06.2021, 09:15 Uhr

Das Landgericht Düsseldorf stuft Opiumtinktur, die an Apotheken geliefert wird und zur Abfüllung an einzelne Patienten bestimmt ist, als Fertigarzneimittel ein. (Foto: chamillew / AdobeStock)

Das Landgericht Düsseldorf stuft Opiumtinktur, die an Apotheken geliefert wird und zur Abfüllung an einzelne Patienten bestimmt ist, als Fertigarzneimittel ein. (Foto: chamillew / AdobeStock)


Fertigarzneimittel oder Zwischenprodukt?

In seiner Begründung erklärt das LG Düsseldorf, die Bestimmung „zur Abgabe an Verbraucher“ müsse nicht auf eine unmittelbare Abgabe an Verbraucher gerichtet sein. Wie weit eine mittelbare Abgabe reiche, lasse sich durch den Gegenbegriff des Zwischenprodukts konkretisieren. Nach Einschätzung des LG Düsseldorf sei es „von vornherein irrelevant“, dass die Opiumtinktur nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung in Verkehr gebracht werde. Entscheidend sei vielmehr, dass in der Apotheke keine weitere „Verarbeitung“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 AMG erfolge. In dieser Vorschrift geht es um die Unterscheidung zwischen einem Fertigarzneimittel und einem Zwischenprodukt. Demnach sind Zwischenprodukte für eine weitere „Verarbeitung“ bestimmt. Dazu erklärt das LG Düsseldorf, dass die Begriffe der „Verarbeitung“ und des „Abfüllens“ und „Abpackens“ zwar jeweils Unterfälle des „Herstellens“ gemäß § 4 Abs. 14 AMG darstellen, „der Begriff ‚Verarbeitung‘ jedoch etwas anderes als das Abfüllen bzw. Abpacken meinen muss“.

Ausstehende Entscheidung des BfArM

Allerdings räumt das LG Düsseldorf die Möglichkeit ein, dass das Inverkehrbringen durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt sein könnte. Doch ein solcher Verwaltungsakt könnte keine Herstellungserlaubnis, sondern allenfalls eine Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 21 Abs. 4 AMG sein, erklärt das Gericht. Gemäß dieser Vorschrift entscheidet das BfArM auf Antrag einer Landesbehörde über die Frage der Zulassungspflicht. Die Regierung Oberfranken habe einen solchen Antrag zur strittigen Opiumtinktur gestellt, aber im Rahmen einer Ermessensentscheidung hat das Gericht von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Denn mit einer baldigen Entscheidung der Verwaltung sei nicht zu rechnen.

Folgen für andere Arzneimittel?

Damit nimmt die Komplexität des Themas weiter zu. Außerdem gibt es unterschiedliche Sichtweisen zu den möglichen Konsequenzen. Bei den Gerichtsverfahren geht es stets nur um das jeweilige Produkt. Doch aus Apothekersicht ist auch zu bedenken, dass die Sachverhalte bei anderen Arzneimitteln ähnlich sind und Entscheidungen bei künftigen Verfahren zu anderen Produkten herangezogen werden könnten. Insbesondere zum rechtlichen Status von Cannabisblüten fanden bereits Gerichtsverfahren statt. Das Hanseatische OLG urteilte am 22. Dezember 2020, dass Cannabisblüten, die an Apotheken geliefert werden, ein Ausgangsstoff und kein Arzneimittel sind.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Außenseiterurteil

von Andreas P. Schenkel am 23.06.2021 um 21:03 Uhr

Seltsames Urteil:
A. Es reicht schon aus, ein paar AMG-Kommentare zu sichten, um zu erkennen, wie fragwürdig und wackelig die Entscheidung konstruiert ist. Zum Beispiel

1) Rn 2, Brixius in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht 3. Auflage 2018 zur Bulkware, die an dieser Stelle nicht als Fertigarzneimttel angesehen wird.

2) Rn 20, Krüger in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 2. Auflage 2016 über die Zwischenprodukte. Zitat: "Unerheblich ist danach, ob ein Produkt auch ohne weitere Verarbeitung als Arzneimittel verwendet werden kann, wenn der Hersteller es zur weiteren Verarbeitung bestimmt hat. Die Auffassung, dass die weitere Herstellung nur eine Herstellung i. S. d. § 13 sein und daher nur durch den Inhaber einer entsprechenden Herstellungserlaubnis erfolgen könne zur Fussnote 31, ist zu eng und berücksichtigt nicht, dass ggf. eine Weiterverarbeitung auch zu anderen Produkten als Arzneimitteln möglich ist."

3) Rn 115-116, Kügel in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 2. Auflage 2016 zum Begriff "Herstellen": Zitat: "Abs. 14 benennt die Arbeitsschritte, die aufgrund gesetzlicher Anordnung zum Herstellen zählen. Die Reihenfolge ihrer Benennung gibt den zeitlichen Ablauf des Herstellungsprozesses wieder. Er umfasst sämtliche Tätigkeiten des Produktions- und Verarbeitungsprozesses bis hin zum verkaufsfertig verpackten Arzneimittel zur Fussnote 137. Der BGH ging – allerdings in einem strafrechtlichen Verfahren – von einem weiten Herstellungsbegriff aus und begründete dies damit, dass sichergestellt werden müsse, dass die nach dem AMG vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen, insbes. die Überwachung der an der Arzneimittelherstellung beteiligten Personen (§ 13), lückenlos bleiben."
Man stelle sich vor, was für "kreative" Möglichkeiten zur Umgehung der Arzneimittelherstellungs-Sicherheitsvorschriften sich ergeben hätten, wäre dieses befremdliche Urteil rechtskräftig geworden!

B. Elementarer Fehler ist auch die fehlende „Auslegung aus dem Zusammenhang“, immerhin eine der nur vier klassischen, "kanonischen" Auslegungsmethoden des preuß. Rechtsgelehrten Friedrich Carl von Savigny, bis heute eminent wichtig in der Rechtsanwendung. Sonst wäre nämlich aufgefallen, dass im selben Paragraphen, im Absatz 11 steht: "1Arzneimittel-Vormischungen sind Arzneimittel, die ausschließlich dazu bestimmt sind, zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln verwendet zu werden. 2Sie gelten als Fertigarzneimittel."
Wenn der Gesetzgeber hier eindeutig die Geltung als Fertigarzneimittel vorgibt (Fiktion), dies jedoch sonst nirgendwo anders in gleicher Weise tut, ist die Auslegung des LG sehr befremdlich. Unterstützt wird die Nichteinstufung zum FAM hierbei auch durch den Kommentar Rehmann, Arzneimittelgesetz (AMG)
5. Auflage 2020 Rn. 13 Zitat: "Herstellen ist die Herstellung (gewinnen, anfertigen, zubereiten, be- oder verarbeiten), aber auch das Abpacken, Abfüllen, Umfüllen, das Kennzeichnen eines Arzneimittels sowie seine Freigabe. Der Herstellungsbegriff ist also umfassend und erstreckt sich auf alle Vorgänge, die zur Herstellung eines Fertigarzneimittels erforderlich sind, einschließlich der abschließenden Freigabe zum Inverkehrbringen. Im Hinblick auf die weite Fassung des Begriffs wurde das Mischen von Futtermitteln mit Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren Verabreichung durch den Tierhalter an von ihm gehaltene Tiere ausgenommen. [..]" und weiter sogar "[..] Allein die Beschriftung eines Arzneimittels nur mit dem Namen des pharmazeutischen Unternehmers nach § 9 ist kein Herstellungsvorgang (Kloesel/Cyran § 4 Anm. 49), wohl aber die erforderliche nachfolgende Freigabe zum Inverkehrbringen. [..]". Nach Rehmann ist allein schon die Freigabe des Arzneimittels eine Herstellungshandlung. Die Freigabe der Rezeptur in der Apotheke aus der vom Hersteller Maros erzeugten Opiumtinktur reicht demnach aus und führt dazu, dass die Apotheke "ein Arzneimittel herstellt".

Verwunderlich, wie fahrlässig diese Querurteiler hier mit der gut konstruierten Verbraucherschutz-Rechtsarchitektur der Arzneimittelsicherheit im AMG herumhantieren. Das ist juristische Grobmotorik.

("Sorry for dullness" - Pardon für die vielen Quellen und die Langatmigkeit, das ist für eventuell mitlesende Rechtskundige zum Schnelleinstieg gedacht.)

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AW: Außenseiterurteil

von Stefan Haydn am 24.06.2021 um 9:14 Uhr

Nein, vielen Dank für die Mühe diesen Kommentar zu erstellen.

Ich finde solche Urteile, aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar, werfen ein denkbar schlechtes Licht auf die verantwortlichen Richter bzgl. Kenntnis oder Beschäftigung mit verfügbarer Literatur (auch Maskenurteile von Familienrichtern).

Da fragt man sich immer mehr wie weit man Richtern noch bzgl. unabhängiger Rechtsprechung oder Expertise vertrauen kann und solche Urteile lassen einen mit ungutem Bauchgefühl zurück.

Bürokratie gegen Bevölkerung und Apotheken

von ratatosk am 23.06.2021 um 18:47 Uhr

Groteske Preistreiberei und weitreichende Folgen für viele Produkte möglich. Dann "Denn mit einer baldigen Entscheidung der Verwaltung sei nicht zu rechnen." das ist deutsche Bürokratie in Reinkultur, keine weiteren Fragen mehr nötig, evt. nur noch die, was machen die Tausenden von Leuten im Barm eigentlich ?

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