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Weiteres Urteil zur Opiumtinktur
Landgericht Düsseldorf stuft an Apotheken gelieferte Opiumtinktur als Fertigarzneimittel ein
In der langen Geschichte der Rechtsstreitigkeiten um Opiumtinktur gibt es ein neues Urteil. Das Landgericht Düsseldorf stuft Opiumtinktur, die an Apotheken geliefert wird und zur Abfüllung an einzelne Patienten bestimmt ist, als Fertigarzneimittel ein. Die beklagte Firma hat angekündigt, gegen diese Entscheidung in Berufung zu gehen. Zuvor hatten andere Gerichte die Tinktur auf dieser Vertriebsebene nicht als Fertigarzneimittel gesehen.
Bei den Rechtsstreitigkeiten zur Opiumtinktur, die in Apotheken abgefüllt wird, sind Gerichtsverfahren zu den verschiedenen Vertriebsebenen zu unterscheiden. Auf der Ebene der Hersteller oder Vertreiber geht es um die Ware, die an Apotheken geliefert wird. Wenn Apotheken beklagt werden, geht es um Arzneimittel, die dort abgegeben werden. Zuletzt hatte DAZ.online über ein solches Verfahren auf der Apothekenebene berichtet. Doch nun gibt es ein neues Urteil zur Herstellerebene.
Darum zunächst ein Rückblick auf die bisherigen Entscheidungen zu dieser Ebene: Dabei standen sich bisher die dänische Firma Pharmanovia als Herstellerin des Opiumtinktur-Fertigarzneimittels Dropizol® und die Firma Maros als Herstellerin von Opiumtinktur zu Rezepturzwecken gegenüber. Pharmanovia hatte die von Maros an Apotheken gelieferte Opiumtinktur als Fertigarzneimittel betrachtet. Das Landgericht (LG) Hamburg war dieser Sicht jedoch nicht gefolgt und hatte einen Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hatte die Entscheidung des LG Hamburg bestätigt. Das OLG hatte zur Fertigarzneimitteldefinition in § 4 Abs. 1 AMG erklärt, ein Mittel sei nur dann zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt, „wenn es von demjenigen, der es in den Verkehr bringt, mit einer entsprechenden Zweckbestimmung versehen wird“. Das OLG hatte weiter erklärt, bei dem Produkt dürfte es sich um ein Zwischenprodukt handeln. Dass dies vom Apotheker auch ohne eine maßgebliche weitere Verarbeitung abgegeben werden könne, stehe dem nicht entgegen.
Neues Verfahren - neue Sichtweise
Um die an Apotheken gelieferte Opiumtinktur der Firma Maros geht es nun auch in einem Rechtsstreit zwischen der dänischen Firma Atnahs Pharma Nordics, die den Hersteller Pharmanovia inzwischen übernommen hat, und der Firma Maros vor dem LG Düsseldorf. Das LG Düsseldorf sieht in dem strittigen Produkt ein Fertigarzneimittel und untersagte der Firma Maros am 9. Juni, Opiumtinktur Ph. Eur. „als fertig hergestellte eingestellte Opiumtinktur zur Abgabe an Apotheken in Verkehr zu bringen“ oder in Verkehr bringen zu lassen (Aktenzeichen: 12 O 193/20). Auf Anfrage von DAZ.online kündigte die Firma Maros jedoch an, Berufung gegen das Urteil einzulegen, sodass dies nicht rechtskräftig werde.
Fertigarzneimittel oder Zwischenprodukt?
In seiner Begründung erklärt das LG Düsseldorf, die Bestimmung „zur Abgabe an Verbraucher“ müsse nicht auf eine unmittelbare Abgabe an Verbraucher gerichtet sein. Wie weit eine mittelbare Abgabe reiche, lasse sich durch den Gegenbegriff des Zwischenprodukts konkretisieren. Nach Einschätzung des LG Düsseldorf sei es „von vornherein irrelevant“, dass die Opiumtinktur nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung in Verkehr gebracht werde. Entscheidend sei vielmehr, dass in der Apotheke keine weitere „Verarbeitung“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 AMG erfolge. In dieser Vorschrift geht es um die Unterscheidung zwischen einem Fertigarzneimittel und einem Zwischenprodukt. Demnach sind Zwischenprodukte für eine weitere „Verarbeitung“ bestimmt. Dazu erklärt das LG Düsseldorf, dass die Begriffe der „Verarbeitung“ und des „Abfüllens“ und „Abpackens“ zwar jeweils Unterfälle des „Herstellens“ gemäß § 4 Abs. 14 AMG darstellen, „der Begriff ‚Verarbeitung‘ jedoch etwas anderes als das Abfüllen bzw. Abpacken meinen muss“.
Ausstehende Entscheidung des BfArM
Allerdings räumt das LG Düsseldorf die Möglichkeit ein, dass das Inverkehrbringen durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt sein könnte. Doch ein solcher Verwaltungsakt könnte keine Herstellungserlaubnis, sondern allenfalls eine Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 21 Abs. 4 AMG sein, erklärt das Gericht. Gemäß dieser Vorschrift entscheidet das BfArM auf Antrag einer Landesbehörde über die Frage der Zulassungspflicht. Die Regierung Oberfranken habe einen solchen Antrag zur strittigen Opiumtinktur gestellt, aber im Rahmen einer Ermessensentscheidung hat das Gericht von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Denn mit einer baldigen Entscheidung der Verwaltung sei nicht zu rechnen.
Folgen für andere Arzneimittel?
Damit nimmt die Komplexität des Themas weiter zu. Außerdem gibt es unterschiedliche Sichtweisen zu den möglichen Konsequenzen. Bei den Gerichtsverfahren geht es stets nur um das jeweilige Produkt. Doch aus Apothekersicht ist auch zu bedenken, dass die Sachverhalte bei anderen Arzneimitteln ähnlich sind und Entscheidungen bei künftigen Verfahren zu anderen Produkten herangezogen werden könnten. Insbesondere zum rechtlichen Status von Cannabisblüten fanden bereits Gerichtsverfahren statt. Das Hanseatische OLG urteilte am 22. Dezember 2020, dass Cannabisblüten, die an Apotheken geliefert werden, ein Ausgangsstoff und kein Arzneimittel sind.
3 Kommentare
Außenseiterurteil
von Andreas P. Schenkel am 23.06.2021 um 21:03 Uhr
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AW: Außenseiterurteil
von Stefan Haydn am 24.06.2021 um 9:14 Uhr
Bürokratie gegen Bevölkerung und Apotheken
von ratatosk am 23.06.2021 um 18:47 Uhr
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