Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

27.06.2021, 07:45 Uhr

Nicht nur die große Welt, auch unsere kleine Pharmawelt ist manchmal ein richtiges Tollhaus. (Foto: Alex Schelbert)

Nicht nur die große Welt, auch unsere kleine Pharmawelt ist manchmal ein richtiges Tollhaus. (Foto: Alex Schelbert)


Die Digitalisierung der Impfzertifikate in den Apotheken läuft auf Hochtouren, und schon schaut unser Freund, der Datenschützer, uns argwöhnisch über die Schulter. Was müssen wir, was dürfen wir da dokumentieren? Deutlicher geht es bei der neuen Testverordnung zu, die ab 1. Juli kommt: Vieles wird klarer geregelt. Und ganz klar: Mehr Arbeit, weniger Geld. Ums Geld geht’s auch bei den Megadeals der Pharmahändler. Vorerst nur Gerücht: Will McKesson seine Celesio und Gehe an Phoenix verkaufen? Fakten gibt es dagegen beim E-Rezept: Es startet bundesweit nicht am 1. Juli, sondern frühestens im vierten Quartal ein bisschen und dann ab 1. Januar 2022 ein bisschen mehr. Und dann wohl erstmal als feiner Papierausdruck. Schöne neue Welt! 

21. Juni 2021

Puh, ist das kompliziert. Eigentlich. Und dabei tun es die Apotheken bereits seit einer Woche: Sie stellen digitale Impfzertifikate aus anhand von Unterlagen (Impfpass), die ihnen gegen Covid-19 geimpfte  Personen vorlegen. Nun, mein liebes Tagebuch, das Dokumentieren an sich ist ein Kinderspiel. Das Komplizierte daran ist die Frage: Was muss, was genau darf die Apotheke dokumentieren, um nachweisen zu können, dass sie ihren gesetzlich aufgegebenen Prüfpflichten hinreichend nachgekommen ist? Und da wird’s höchstjuristisch, das Stichwort ist, Sie ahnen es, der Datenschutz. Wie sagt ein Datenschützer so nett: „Optimal wäre gewesen, vorab klare Informationen an alle Akteure und an die Aufsichtsbehörden zu geben. Das ist leider noch nicht geschehen.“ Tja, und jetzt haben wir den Datenschutz-Salat. Das Dilemma für die Apotheken: Einerseits müssen sie für die digitalen Impfzertifikate keine personenbezogenen Daten speichern oder aufbewahren und auch nicht digital weiterverarbeiten oder speichern. Andererseits sieht das Infektionsschutzgesetz ausdrücklich vor, so Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, dass die Durchführung der Überprüfung, die ordnungsgemäße Belehrung des Kunden und die Ausstellung des Impfzertifikats zu dokumentieren sind. Was nun, mein liebes Tagebuch? Das Bundesgesundheitsministerium lässt wissen: Verboten ist diese Dokumentation aus seiner Sicht nicht. Allerdings empfiehlt der Rechtsanwalt, dass sich die Apotheke die ordnungsgemäße Belehrung von der Person bestätigen lässt, was dann aber auch zugleich bedeutet, dass diese Bestätigung eine Verarbeitung personenbezogener Daten in Form der Speicherung derselben beinhaltet. Und fragt man Behörden und Datenschützer in den Bundesländern, so wird so manche Frage dazu noch differenzierter betrachtet. Mein liebes Tagebuch, vielleicht kommen wir hier weiter, wenn wir uns in diesem Fall an die vor Kurzem aktualisierten ABDA-Vorgaben halten. Auf den Punkt gebracht: Doku nicht erforderlich, QMS empfehlenswert.

22. Juni 2021

Eigentlich sollte die neue Corona-Testverordnung schon in dieser Woche in Kraft treten. Doch daraus wurde nichts. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat seinen Referentenentwurf überarbeitet und weiter daran gefeilt, bevor es den Entwurf dem Bundeskabinett vorlegte. Auch das Kabinett hat noch an einigen Schräubchen gedreht. Und das ist herausgekommen: Die gute Nachricht ist: Apotheken sind bei den PoC-Schnelltests auf Staatskosten den Arztpraxen gleichgestellt und nicht beliebigen Dritten, die ebenfalls mit Testungen beauftragt werden können. In diesem Punkt hat das BMG die Forderung der ABDA erhört. Apotheken müssen also nicht nachweisen, dass sie infektionsschutzrechtliche und weitere Anforderungen gewährleisten können. Auch ihre Zuverlässigkeit müssen sie nicht unter Beweis stellen. Mein liebes Tagebuch, alles andere wäre auch ein Unding gewesen. Weniger schön: Die PoC-Test-Vergütung sinkt auf 11,50 Euro (8 Euro für die Durchführung und 3,50 Euro für Materialkosten). Und für die geringere Vergütung gibt’s allerdings mehr Arbeit: Bis Ende 2024 ist die für den Nachweis der korrekten Abrechnung notwendige Auftrags- und Leistungsdokumentation aufzubewahren – und die ist umfangreich. Die Angaben müssen nur lokal dokumentiert, aber nicht an die Kassenärztlichen Vereinigungen übermittelt werden. Auch neu: Ab 1. August muss die Apotheke das Covid-19-Testzertifikat auf Wunsch des Getesteten in die Corona-Warn-App übermitteln. Die neue Testverordnung gilt übrigens ab 1. Juli 2021. Mein liebes Tagebuch, unterm Strich wird das für die eine oder andere Apotheke wohl bedeuten, keine Schnelltests mehr anbieten zu können oder zu wollen. Der Preis ist niedrig, die Arbeit deutlich mehr – das lohnt sich vermutlich nur bei größeren Testzentren.

23. Juni 2021

Der Markt der Pharmagroßhändler ist immer wieder für Überraschungen gut. Wir erinnern uns noch an die Fusion der Anzag und Alliance Boots zur Alliance Healthcare Deutschland, einer Tochter der Walgreens Boots Alliance (WBA). Walgreens ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Apothekenkonzern, zu dessen Geschäftsbereich ein internationaler Versandhandel mit Arzneimitteln und Drogerieartikeln gehört. Wir erinnern uns auch an die Übernahme der Celesio mit ihrer Tochter Gehe durch den US-amerikanische Pharmahandelskonzern McKesson. Erst 2019 vereinbarten dann Walgreens Boots Alliance (WBA) und McKesson Corporation, ihre deutschen Pharmagroßhandels-Aktivitäten zusammenlegen zu wollen, es entstand, oh Wunder, ein Joint Venture ihrer beiden deutschen Töchter Gehe Pharma Handel (McKesson) und Alliance Healthcare Deutschland (AHD). Anfang dieses Jahres drehte sich das Pharmahandels-Karussell weiter: Walgreens Boots Alliance verkauft in einem Milliardendeal Teile seines  Pharmagroßhändlers Alliance Healthcare an den US-Pharmahändler AmerisourceBergen. Und nun gibt es Gerüchte: Angeblich erwägt McKesson, sein Europageschäft verkaufen zu wollen und somit die erst im Jahr 2014 erfolgte milliardenschwere Übernahme der deutschen Celesio AG rückgängig zu machen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge soll der deutsche Pharmahändler Phoenix mit Sitz in Mannheim Kaufinteresse gezeigt haben. Aber klar, weder McKesson noch Phoenix wollen das derzeit kommentieren. Mein liebes Tagebuch, da ist richtig Musik drin im Markt – ob das mehr Dur- oder eher Moll-Klänge sind, wird sich noch zeigen. Was durchschimmert: Das deutsche Pharmahandelsgeschäft ist für die US-amerikanischen Firmen wohl nicht ganz so lukrativ.

 

So manche Geimpfte hatten es in der Tat gut gefunden, sich einen digitalen Impfnachweis via Internet zu besorgen: Man braucht nicht in die Apotheke, sondern geht auf „zimpfen.de", einer von einem Arzt betriebenen Internetseite, lädt ein selbsterstelltes Video seines Impfpasses hoch und füllt einen Onlineantrag aus – und flugs erhält man einen offiziellen digitalen Impfnachweis als Link zum Download. Denkste! So geht’s nicht. Denn: Für das Ausstellen der Zertifikate ist ein unmittelbarer persönlicher Kontakt nötig, stellt das Bundesgesundheitsministerium klar, also der Gang in die Apotheke, wo eine umfassende optische und haptische Kontrolle der vorgelegten Dokumente erfolgen muss. Tja, mein liebes Tagebuch, manches geht wirklich nur vor Ort und persönlich. Mittlerweile ist das Angebot nicht mehr im Netz.

 

Die Zur Rose-Gruppe mit Töchterlein DocMorris ist richtig heiß, fiebrig heiß und angefixt: Denn die  Einführung des E-Rezepts steht bevor – und das ist aus Zur Rose-Sicht eine Gelegenheit, die sich nur „einmal im Leben“ bietet. So ließ es der Schweizer Konzern vor Investorenvertretern beim „CapitalMarket Day“ vor Kurzem durchblicken. Das Zur Rose-Management geht nämlich davon aus, dass der Marktanteil des Rx-Versands in Deutschland innerhalb von drei bis fünf Jahren von aktuell rund 1 auf etwa 10 Prozent steigen und langfristig weiteres Potenzial haben wird. Realistisch? Mein liebes Tagebuch, in die Zukunft schauen kann noch keiner. Aber ein Finanzmarktbeobachter, der die Aktivitäten der Zur-Rose-Gruppe seit Jahren verfolgt, äußert sich da eher skeptisch. In einem DAZ-Interview meint dieser Experte, der anonym bleiben möchte, dass der deutsche Gesetzgeber z. B. Fragen, wie letztlich mit dem E-Rezept-Token und dem Rezeptemakeln umgegangen wird, viel zu wenig beachtet. Nach seiner Einschätzung versteht der Gesetzgeber nicht, dass der Versandhandel die Marktstruktur, die durch das Apothekengesetz im Interesse der öffentlichen Gesundheitsversorgung definiert wird, zerstören wird. Mein liebes Tagebuch, klare Worte: Die EU-Versender werden den Wettbewerb innerhalb des deutschen Apothekenmarktes verzerren und die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung auf längere Sicht in Gefahr bringen. Und deutliche Worte findet der Marktbeobachter auch für Vor-Ort-Apotheken, die sich den Marktplatz-Plattformen von DocMorris oder Shop Apotheke anschließen wollen: „Das scheint mir ziemlich pervers.“ Das lesenswerte Interview finden Sie hier.

24. Juni 2021

Gute Nachrichten für Apotheken hält der aktuelle Gesundheitsmonitor des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bereit: Am sichersten vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 fühlen sich die Bundesbürgerinnen und -bürger – na klar, in der Apotheke. Auch dass Apotheken digitale Impfnachweise bereitstellen, schätzen viele. Der BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz kommentiert das Ergebnis so: „Die aktuelle Umfrage belegt erneut das große Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheken vor Ort. Zu Recht, denn hier werden seit Beginn der Pandemie strenge und verlässliche Hygienekonzepte umgesetzt. Apotheken bieten insbesondere in der Coronakrise wohnortnah ein kompetentes und umfassendes Beratungsangebot und sind zu allen Gesundheitsfragen persönlich ansprechbar.“ Mein liebes Tagebuch, diese Ergebnisse sollten wir mit Rahmen an unseren Bundesgesundheitsminister schicken, damit er sie sich in seinem Büro an die Wand hängt, Überschrift: Auf die Apotheken ist Verlass. Die Apotheken sind jeden Cent wert.

 

Die LAK Ba-Wü, die Kammer mit der Geld-zurück-Garantie. Mein liebes Tagebuch, Corona hat auch seine guten Nebenreaktionen: Da die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg aufgrund der Corona-Pandemie weniger Ausgaben hatte als ursprünglich geplant, beschloss die Delegiertenversammlung den Haushaltsüberschuss in Höhe von 1,2 Millionen Euro noch in diesem Jahr zur Reduzierung der Mitgliedsbeiträge und der Umlage zu verwenden. Im Klartext: Es gibt Geld zurück, d.h., Mitgliedsbeiträge und die Umlagen der Apotheken werden in diesem Jahr gekürzt. Die Kosteneinsparungen entstanden vor allem im Bereich Fort- und Weiterbildung (durch Umstellung auf Webinare) sowie bei der Gremienarbeit und bei standespolitischen Terminen. Vor allem die Ausgaben für Reisen, Räume, Druck und Porto fielen deutlich geringer aus. Fein, so geht’s auch.

25. Juni 2021

Jetzt ist’s amtlich: Die neue Coronavirus-Testverordnung tritt am 1. Juli in Kraft. Sie ist u. a. eine Reaktion auf die vielen Coronavirus-Teststellen, die in den letzten Monaten aus dem Boden geschossen sind und deren Qualifikation und Abrechnungsgebaren nicht immer lege artis sind und waren. Die neue Verordnung bringt viel Sinnvolles und längst Überfälliges. Da kommt z. B. eine neue bundesweite Meldepflicht für positive Bürgertest-Ergebnisse. Aber sie regelt auch die Vergütung für die Bürgertests neu: Es gibt weniger Honorar für die Tests, aber mehr Doku-Pflichten. Was die neue Testverordnung sonst noch bringt, können Sie hier im Wortlaut lesen.

 

Ja, ja, unser liebes E-Rezept. Eigentliche hätte es nächste Woche, am 1. Juli,  schon bundesweit an den Start gehen solle, doch daran glaubte eh keiner mehr. Jetzt wird das E-Rezept erstmal ein paar Monate in der Fokusregion Berlin-Brandenburg erprobt. Im vierten Quartal soll’s dann so nach und nach in ganz Deutschland ausgerollt werden, um dann schließlich ab 1. Januar 2022 so richtig durchstarten zu können. Mein liebes Tagebuch, seh’ ich das richtig, dass sich da gerade einige deiner Seiten vor Lachen nach oben rollen? Wart’s nur ab, es kommt! Ja, ja, es kommt, aber mit Sicherheit – meist ausgedruckt auf Papier. Es braucht noch a bisserl Zeit, bis es routinemäßig vom Arzt-Computer auf dem Smartphone landet. Ein Grund dafür könnte z. B. die mangelnde Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte hierzulande sein, auf das E-Rezept umzusteigen – sagte der Arzt Philipp Stachwitz vom health innovation hub beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) . Dieser „Hub“ ist eine Art Think Tank, der den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Digitalisierung des Gesundheitswesen berät. Und warum zeigen sich die Doktores so zögerlich? Es sei derzeit „nicht augenfällig, dass das E-Rezept in den Praxen Vorteile bringt“, sagte Stachwitz. Derzeit laufe das Ausstellen von Muster-16-Rezepten so standardisiert und gut, da wolle man nur ungern etwas ändern, ist die Denke vieler Ärztinnen und Ärzte. Ach so, mein liebes Tagebuch, die sehen da kaum Vorteile und deswegen machen sie ungern mit. Kann man sich irgendwie nicht vorstellen, oder? Dabei ist das Ausstellen eines E-Rezepts, wenn die Technik läuft, doch vermutlich wesentlich einfacher und geschmeidiger als bei den Papierrezepten. Klar, die Hürde ist die Umstellungsphase, aber danach läuft es doch fast wie von selbst! Mein liebes Tagebuch, ich bin überzeugt, da sind wir Apothekers doch ein ganzes Stück weit technik-affiner. Und wir sehen, dass ein E-Rezept vom Handling her viele Vorteile bietet. Unser Problem ist da schon eher, wie man sicher verhindern kann, dass mit dem E-Rezept Schindluder und Geschäftemacherei getrieben wird. Wir fragen uns, ob das Makelverbot hält, was es verspricht. Der Arzt Philipp Stachwitz meinte, wenn seine Kolleginnen und Kollegen feststellen, dass ein geregeltes Arbeiten in den Praxen mit dem E-Rezept nicht möglich sei, solle man die Notbremse ziehen: „Wenn es nicht geht, dann müssen wir es halt wieder abschalten, dann geht es eben einfach nicht.“ Nun, mein liebes Tagebuch, dass es soweit kommt, glaube ich eher nicht. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Die Ärzte werden über kurz oder lang auch zum E-Rezept finden (müssen). Ich bin überzeugt, dass Spahn die ärztliche Unlust beim E-Rezept nicht akzeptieren wird. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, ob Spahn dann noch Bundesgesundheitsminister ist.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Datenschutz

von Michael Folk am 27.06.2021 um 12:21 Uhr

ich bin Datenschutzbeauftragter (IHK) und bitte, man möge den Datenschutz auf keinen Fall unterschätzen, in dieser Zeit, in der der Staat sich unserer Freiheitsrechte mehr und mehr bemächtigt ist der Datenschutz besonders wichtig

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