Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

27.06.2021, 07:45 Uhr

Nicht nur die große Welt, auch unsere kleine Pharmawelt ist manchmal ein richtiges Tollhaus. (Foto: Alex Schelbert)

Nicht nur die große Welt, auch unsere kleine Pharmawelt ist manchmal ein richtiges Tollhaus. (Foto: Alex Schelbert)


23. Juni 2021

Der Markt der Pharmagroßhändler ist immer wieder für Überraschungen gut. Wir erinnern uns noch an die Fusion der Anzag und Alliance Boots zur Alliance Healthcare Deutschland, einer Tochter der Walgreens Boots Alliance (WBA). Walgreens ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Apothekenkonzern, zu dessen Geschäftsbereich ein internationaler Versandhandel mit Arzneimitteln und Drogerieartikeln gehört. Wir erinnern uns auch an die Übernahme der Celesio mit ihrer Tochter Gehe durch den US-amerikanische Pharmahandelskonzern McKesson. Erst 2019 vereinbarten dann Walgreens Boots Alliance (WBA) und McKesson Corporation, ihre deutschen Pharmagroßhandels-Aktivitäten zusammenlegen zu wollen, es entstand, oh Wunder, ein Joint Venture ihrer beiden deutschen Töchter Gehe Pharma Handel (McKesson) und Alliance Healthcare Deutschland (AHD). Anfang dieses Jahres drehte sich das Pharmahandels-Karussell weiter: Walgreens Boots Alliance verkauft in einem Milliardendeal Teile seines  Pharmagroßhändlers Alliance Healthcare an den US-Pharmahändler AmerisourceBergen. Und nun gibt es Gerüchte: Angeblich erwägt McKesson, sein Europageschäft verkaufen zu wollen und somit die erst im Jahr 2014 erfolgte milliardenschwere Übernahme der deutschen Celesio AG rückgängig zu machen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge soll der deutsche Pharmahändler Phoenix mit Sitz in Mannheim Kaufinteresse gezeigt haben. Aber klar, weder McKesson noch Phoenix wollen das derzeit kommentieren. Mein liebes Tagebuch, da ist richtig Musik drin im Markt – ob das mehr Dur- oder eher Moll-Klänge sind, wird sich noch zeigen. Was durchschimmert: Das deutsche Pharmahandelsgeschäft ist für die US-amerikanischen Firmen wohl nicht ganz so lukrativ.

 

So manche Geimpfte hatten es in der Tat gut gefunden, sich einen digitalen Impfnachweis via Internet zu besorgen: Man braucht nicht in die Apotheke, sondern geht auf „zimpfen.de", einer von einem Arzt betriebenen Internetseite, lädt ein selbsterstelltes Video seines Impfpasses hoch und füllt einen Onlineantrag aus – und flugs erhält man einen offiziellen digitalen Impfnachweis als Link zum Download. Denkste! So geht’s nicht. Denn: Für das Ausstellen der Zertifikate ist ein unmittelbarer persönlicher Kontakt nötig, stellt das Bundesgesundheitsministerium klar, also der Gang in die Apotheke, wo eine umfassende optische und haptische Kontrolle der vorgelegten Dokumente erfolgen muss. Tja, mein liebes Tagebuch, manches geht wirklich nur vor Ort und persönlich. Mittlerweile ist das Angebot nicht mehr im Netz.

 

Die Zur Rose-Gruppe mit Töchterlein DocMorris ist richtig heiß, fiebrig heiß und angefixt: Denn die  Einführung des E-Rezepts steht bevor – und das ist aus Zur Rose-Sicht eine Gelegenheit, die sich nur „einmal im Leben“ bietet. So ließ es der Schweizer Konzern vor Investorenvertretern beim „CapitalMarket Day“ vor Kurzem durchblicken. Das Zur Rose-Management geht nämlich davon aus, dass der Marktanteil des Rx-Versands in Deutschland innerhalb von drei bis fünf Jahren von aktuell rund 1 auf etwa 10 Prozent steigen und langfristig weiteres Potenzial haben wird. Realistisch? Mein liebes Tagebuch, in die Zukunft schauen kann noch keiner. Aber ein Finanzmarktbeobachter, der die Aktivitäten der Zur-Rose-Gruppe seit Jahren verfolgt, äußert sich da eher skeptisch. In einem DAZ-Interview meint dieser Experte, der anonym bleiben möchte, dass der deutsche Gesetzgeber z. B. Fragen, wie letztlich mit dem E-Rezept-Token und dem Rezeptemakeln umgegangen wird, viel zu wenig beachtet. Nach seiner Einschätzung versteht der Gesetzgeber nicht, dass der Versandhandel die Marktstruktur, die durch das Apothekengesetz im Interesse der öffentlichen Gesundheitsversorgung definiert wird, zerstören wird. Mein liebes Tagebuch, klare Worte: Die EU-Versender werden den Wettbewerb innerhalb des deutschen Apothekenmarktes verzerren und die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung auf längere Sicht in Gefahr bringen. Und deutliche Worte findet der Marktbeobachter auch für Vor-Ort-Apotheken, die sich den Marktplatz-Plattformen von DocMorris oder Shop Apotheke anschließen wollen: „Das scheint mir ziemlich pervers.“ Das lesenswerte Interview finden Sie hier.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Datenschutz

von Michael Folk am 27.06.2021 um 12:21 Uhr

ich bin Datenschutzbeauftragter (IHK) und bitte, man möge den Datenschutz auf keinen Fall unterschätzen, in dieser Zeit, in der der Staat sich unserer Freiheitsrechte mehr und mehr bemächtigt ist der Datenschutz besonders wichtig

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.