Beste Antikörperantwort nach zweifacher Biontech-Impfung

Heterologe Impfserien auch „hochwirksam“

Stuttgart - 30.06.2021, 07:00 Uhr

Der primäre Endpunkt – die Nichtunterlegenheit einer heterologen Impfserie verglichen mit einer homologen Prime-Boost-Impfung – wurde wenigstens für eine der beiden gemischten Impfserien erreicht. (x / Foto: IMAGO / Sven Simon)

Der primäre Endpunkt – die Nichtunterlegenheit einer heterologen Impfserie verglichen mit einer homologen Prime-Boost-Impfung – wurde wenigstens für eine der beiden gemischten Impfserien erreicht. (x / Foto: IMAGO / Sven Simon)


Wie gut schützen gemischte Impfserien vor COVID-19? Die Universität Oxford liefert Ergebnisse zur Com-COV-Studie, wie wirksam heterologe Impfserien sind: Wichtig könnte die Reihenfolge der Impfungen sein, ob zuerst mit einem Vektor- oder einem mRNA-Impfstoff geimpft wird. Allerdings erzeugte kein heterologes Impfschema höhere Antikörpertiter als eine zweifache Biontech-Impfung. Bei der T-Zell-Antwort hatte jedoch die heterologe Impfung die Nase vorn.

Bereits im Mai veröffentlichte die Universität Oxford erste Daten zur Verträglichkeit von heterologen Impfserien: Diesen zufolge verursachten gemischte Impfserien in der Com-COV-Studie vor allem mehr systemische Nebenwirkungen als wenn die Teilnehmer zweimal mit dem gleichen Impfstoff geimpft worden waren. Geimpft wurde entweder mit zweimal Comirnaty® (BNT) von Biontech/Pfizer, zweimal Vaxzevria® (ChAd) von AstraZeneca, einmal mit Vaxzevria® und dann mit Comirnaty® oder zuerst mit Comirnaty® und danach mit Vaxzevria®. Unabhängig vom Impfschema waren alle unerwünschten Wirkungen nur von kurzer Dauer, keiner der Studienteilnehmer musste deswegen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

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Wie bereits im Mai versprochen, hat die Universität Oxford nun auch die Wirksamkeitsdaten ausgewertet. Rechtfertigt eine vielleicht bessere Impfeffektivität die etwas häufigeren Nebenwirkungen? Noch ist die Studie nicht wissenschaftlich begutachtet, die Ergebnisse liegen jedoch als Preprint vor.

Höchste Antikörpertiter nach zweifacher Biontech-Impfung

Alle untersuchten Impfschemata induzierten bei 28-tägigem Impfabstand Antikörper gegen das Spikeprotein, die mindestens so hoch waren wie nach zugelassener Zweifachimpfung mit Vaxzevria® mit Impfabstand von vier bis zwölf Wochen. Dabei scheint dem mRNA-Impfstoff beim Impfschutz eine wichtige Rolle zuzukommen, denn es fiel auf: Alle Impfschemata, die mindestens eine Dosis Comirnaty® enthielten, wirkten immunogener als eine zweifache reine Vaxzevria®-Impfung. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler:innen fest, dass keine der heterologen Impfserien höhere neutralisierende Antikörpertiter erzielte als eine doppelte Comirnaty®-Impfung. Kurz gesagt: Die höchste Antikörperkonzentration wurde nach zweifacher Biontech-Impfung erreicht.

Com-COV-Studie

Bei Com-COV handelt es sich um eine im Februar 2021 gestartete, randomisierte, einfach verblindete (Teilnehmer), multizentrische Prime-Boost-COVID-19-Impfstudie (Phase 2). Insgesamt wurden 830 Teilnehmer:innen rekrutiert. Davon sollten 463 ihre Impfungen im Abstand von 28 Tagen, 367 im Abstand von zwölf Wochen erhalten. Die Impfserien umfassten entweder je

  • zwei Dosen Vaxzevria®,
  • eine erste Dosis Vaxzevria® gefolgt von Comirnaty®,
  • zwei Dosen Comirnaty® oder
  • eine erste Dosis Comirnaty® gefolgt von Vaxzevria®.

Die Probanden waren hier im Mittel 57 Jahre alt, knapp die Hälfte (46 Prozent; 212 Teilnehmer) waren weiblich und jeder Vierte (117 Teilnehmer) gehörte einer ethnischen Minderheit an. Ziel der Studie war die Nichtunterlegenheit der heterologen Impfserie hinsichtlich der neutralisierenden Antikörper verglichen mit dem homologen Impfschema des Ersdosisimpfstoffs.

Dennoch wurde der primäre Endpunkt – die Nichtunterlegenheit einer heterologen Impfserie verglichen mit einer homologen Prime-Boost-Impfung – wenigstens für eine der beiden gemischten Impfserien erreicht, und zwar wenn zunächst mit AstraZeneca geimpft wurde und dann mit Biontech/Pfizer: 28 Tage nach der Boost-Impfung lag beim Impfschema AstraZeneca/Biontech die mittlere Antikörperkonzentration bei 12.906 ELU/ml (Elisa-Units) (95-Prozent-Konfidenzintervall: 11.404-14.604), während Teilnehmer nach zweifacher AstraZeneca-Impfung Antikörpertiter von 1.392 ELU/ml (95-Prozent-Konfidenzintervall: 1.188-1.630) aufwiesen. „Diese Ergebnisse zeigen, dass das ChAd/BNT-Schema nicht nur nicht unterlegen, sondern dem ChAd/ChAd-Schema statistisch überlegen war“, erklären die Wissenschaftler hierzu. Wurde hingegen zunächst mit Biontech geimpft und dann mit AstraZeneca, waren die induzierten Antikörper mit 7.133 ELU/ml (95-Prozent-Konfidenzintervall: 6,415-7,932) denen einer doppelten Biontech-Impfung (14.080 ELU/ml; 95-Prozent-Konfidenzintervall: 12.491-15.871) unterlegen. Ausgewertet wurde per Protokoll, und es wurden alle Probanden eingeschlossen, die zu Studienbeginn seronegativ gewesen waren.

AstraZeneca plus Biontech ist zweimal AstraZeneca überlegen

Auch die zelluläre Immunantwort war den Wissenschaftler:innen zufolge bei allen Comirnaty®-haltigen Impfschemata – homolog oder heterolog – mindestens so hoch wie nach zweifacher Impfung mit Vaxzevria®. Allerdings hatte bei der T-Zellantwort – ungleich der Antikörperantwort – die gemischte Impfserie mit der Erstimpfung Comirnaty® und der Zweitimpfung Vaxzevria® die Nase vorn: „BNT/ChAd zeigte 28 Tage nach dem Boost die größte Expansion der auf das Impfstoffantigen ansprechenden T-Zellen“, schreiben die Wissenschaftler:innen.

Ihr Fazit: Obwohl das BNT/ChAd-Schema die Nicht-Unterlegenheits-Kriterien nicht erfülle, seien die mittleren Antikörpertiter beider heterologer Schemata höher als die des zugelassenen Impfschemas (ChAd/ChAd) mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen eine COVID-19-Erkrankung und Hospitalisierung. Somit unterstützten diese Daten eine flexible Anwendung einer heterologen Erstimpfung mit ChAd- und BNT-COVID-19-Impfstoffen. Die Oxford-Wissenschaftler:innen untermauern ihre Empfehlung mit dem Zusammenhang der Antikörperantwort – und die war bei beiden heterologen Impfserien höher als bei zweifacher Vaxzevria®-Impfung – mit der Impfwirksamkeit: „In Anbetracht der etablierten Zusammenhänge zwischen humoralen Reaktionen und der Wirksamkeit des Impfstoffs deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass die beiden heterologen Schemata in dieser Studie wahrscheinlich ebenfalls hochwirksam sind und unter bestimmten Umständen für nationale Impfprogramme in Betracht gezogen werden könnten“, erklären sie.

Saarländische Studie zeigte auch erhöhte Antikörpertiter

Schon frühere Untersuchungen hatten Hinweise auf eine gute Impfeffektivität nach heterolger Impfung vermuten lassen. Eine „besonders deutliche Immunantwort bei der Impfstoffkombination von AstraZeneca und Biontech“ konnten Mitte Juni auch Wissenschaftler:innen aus dem Saarland bestätigen. So ließen sich bei zweimal mit Biontech oder gemischt mit AstraZeneca/Biontech Geimpften mehr Antikörper nachweisen als nach zweimaliger Vaxzevria®-Impfung. Waren die Teilnehmer zweimal mit Biontech/Pfizer oder gemischt – erst mit AstraZeneca, dann mit Biontech/Pfizer – geimpft worden, entwickelten sie zehnmal mehr Antikörper als zweifach mit AstraZeneca Geimpfte. Vor allem bei neutralisierenden Antikörpern scheint die heterologe Impfserie effektiver: „Bei den neutralisierenden Antikörpern zeigte die kombinierte Impfstrategie sogar noch leicht bessere Ergebnisse als eine zweifache Biontech-Impfung“, erklärten die Wissenschaftler der Saarländischen Studie. In diesem Punkt unterscheiden sich die Ergebnisse folglich zu denen der Com-COV-Studie der Universität Oxford, die die höchste Antikörperkonzentration nach homologer Biontech-Impfung feststellte.

CombivacS: heterologe Impfserien boostern Antikörper

Und eine weitere Studie, die CombivacS-Studie, haben spanische Wissenschaftler:innen bereits vor wenigen Wochen zu einer heterologen Impfserie bestehend aus AstraZeneca und Biontech/Pfizer veröffentlicht. Auch hier fanden die Wissenschaftler:innen heraus, dass eine heterologe Impfserie zu robusten Antikörpertitern führt und dass nach der Zweitdosis mit Comirnaty® die neutralisierenden Antikörpertiter um das Siebenfache stiegen und höher waren als bei homologen Impfserien. Allerdings haben die Wissenschaftler in CombivacS homologe Impfserien nicht direkt mit heterologen Impfserien verglichen (die Kontrollgruppe erhielt keine Zweitimpfung), sodass nur mit Daten aus anderen Studien verglichen werden kann.

Verhinderten zu kurze Impfabstände eine bessere Vaxzevria-Wirksamkeit?

Die Wissenschaftler:innen weisen auf die Grenzen der Studie hin. Als ersten Punkt nennen sie die Studiengröße – die Zahl der Teilnehmer reiche nicht aus, um die Wirksamkeit der Impfschemata zu bewerten. Zweitens schränken sie ein: Obwohl es Hinweise gebe, dass sowohl bindende als auch neutralisierende Antikörper gut mit dem Schutz vor symptomatischen COVID-19-Erkrankungen korrelierten, sei kaum klar, inwiefern bindende und neutralisierende Antikörper oberhalb eines bestimmten – unbekannten – Schwellenwerts den Schutz vor schweren Erkrankungen beeinflussten.

Wie sieht es bei jüngeren Menschen aus?

Eine zusätzliche Einschränkung ist den Wissenschaftlern zufolge, dass vor allem ältere Menschen zwischen 50 und 70 Jahren an der Studie teilnahmen und sich die Daten nicht einfach auf ein jüngeres Kollektiv übertragen ließen. Zwar hätten frühere Studien mit homologen Impfserien ähnliche Immunogenitäten bei jüngeren und älteren Erwachsenen gezeigt, wobei Jüngere tendenziell mehr Nebenwirkungen berichteten, und es gebe keinen Grund anzunehmen, dass dies bei gemischten Impfserien anders sei – doch umfassend nachgewiesen habe die Com-COV-Studie diesen Punkt nicht.

Die Wissenschaftler:innen geben zudem zu bedenken, dass bei Com-COV im Abstand von 28 Tagen geimpft wurde – die Weltgesundheitsorganisation WHO rät bei AstraZeneca jedoch zum Impfabstand von acht bis zwölf Wochen. Könnte dies ein Grund gewesen sein, dass Vaxzevria® bei der Antikörperantwort am schlechtesten abschnitt? „Es gibt Hinweise darauf, dass ein längeres Prime-Boost-Intervall zu einer höheren Post-Boost-SARS-CoV-2-Anti-Spike-IgG-Antwort für ChAd/ChAd und für BNT/BNT führt, aber es ist nicht bekannt, wie sich eine Verlängerung des Prime-Boost-Intervalls auf die heterologen Schemata in dieser Studie auswirken wird.“ Diese Frage könne jedoch später beantwortet werden, wenn die Immunogenitätsdaten für das 84-Tage-Boosting vorlägen. Dann könne man auch sagen, ob initial höhere Antikörpertiter auch nachhaltig höhere Antikörperspiegel bedeuteten.

Com-COV – das Studienprotokoll

Bei Com-COV handelt es sich um eine im Februar 2021 gestartete, randomisierte, einfach verblindete (Teilnehmer), multizentrische Prime-Boost-COVID-19-Impfstudie (Phase 2). Insgesamt nehmen an Com-COV 820 Probanden teil (Mindestalter 50 Jahre, keine oder nur leichte bis mittelschwere, gut kontrollierte Vorerkrankungen), die sich auf zwei große Kohorten verteilen: eine Immunologie-Kohorte (100 Teilnehmer) zur detaillierten Impfwirksamkeit und eine Allgemein-Kohorte (720 Teilnehmer). Primäres Ziel der Studie ist es, herauszufinden, ob die Immunantwort auf eine heterologe Impfserie (erste Dosis Vaxzevria® und zweite Dosis Comirnaty®) gleich gut ist wie auf die homologen Impfserien (zwei Dosen Vaxzevria® oder zwei Dosen Comirnaty®). Zwischen der ersten und zweiten Impfdosis liegen 28 Tage, die Immunantwort – gemessen an Antikörpern gegen das Spikeprotein – wird 56 Tage (acht Wochen) nach der ersten Dosis bestimmt (beim primären Endpunkt).

Die 100 Teilnehmer der Immunologie-Kohorte werden laut Protokoll zu je 25 Teilnehmern in vier Impfgruppen aufgeteilt. Sie erhalten folgende Impfserie im Abstand von 28 Tagen:

  • Vaxzevria® + Vaxzevria®
  • Vaxzevria® + Comirnaty®
  • Comirnaty® + Comirnaty®
  • Comirnaty® + Vaxzevria®

Die 720 restlichen Teilnehmer der Allgemeinkohorte bilden dem Studienprotokoll zufolge acht weitere Impfgruppen zu je 90 Teilnehmern. Vier Gruppen erhielten eines der oben genannten Impfschema (Impfabstand 28 Tage), die vier anderen Gruppen werden in einem größeren Abstand von 84 Tagen (zwölf Wochen) geimpft.

Com-COV untersucht einen weiteren interessanten und wichtigen Punkt: Wie wirkt sich eine prophylaktische oder bedarfsorientierte Gabe (erst bei Fieber, Schmerzen) von Paracetamol auf die Verträglichkeit und Immunogenität der zweiten Impfdosis aus? In dieser Sub-Studie wird den Teilnehmern entweder empfohlen, vorbeugend bis zu vier Dosen Paracetamol innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Zweitimpfung anzuwenden oder nur bei Auftreten von Symptomen, wie Fieber und Schmerzen. Die Teilnehmer gehören zur Allgemeinkohorte und erhalten ihre Booster-Impfung im Abstand von zwölf Wochen zur Erstdosis.

Com-COV wird unter anderem von der Universität Oxford durchgeführt, die Studie wird vom National Institute for Health Research und der UK Vaccine Task Force gefördert.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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