Superfoods-Beratungswissen – Teil 17

Buchweizen – das heimische Powerfood

05.07.2021, 10:45 Uhr

Ernährungswissenschaftlich betrachtet ist das nahrhafte Buchweizenkorn mit seinem für den Menschen vorteilhaften Proteinmuster gesund und eine Bereicherung des Speisezettels. Doch es ist keinesfalls ein Wundermittel, das zahlreiche Beschwerden lindern kann. (Foto: Maryna Osadcha / stock.adobe.com)

Ernährungswissenschaftlich betrachtet ist das nahrhafte Buchweizenkorn mit seinem für den Menschen vorteilhaften Proteinmuster gesund und eine Bereicherung des Speisezettels. Doch es ist keinesfalls ein Wundermittel, das zahlreiche Beschwerden lindern kann. (Foto: Maryna Osadcha / stock.adobe.com)


Buchweizen – das klingt nach Öko-Romantik und Landliebe-Kochbuch. Trotz seines deutschen Namens und fehlender Exotik hat das Pseudogetreide aus regionalem Anbau heimlich den Olymp der Superfoods erklommen. Als „glutenfreies Kraftpaket“ mit hochwertigen Proteinen erobern die kleinen, nussig schmeckenden Buchweizensamen den Speisezettel von Abnehmwilligen und Gesundheitsbewussten. Buchweizen-Keimlinge und Buchweizenkraut sollen vor allem durch ihren Gehalt an Rutin vielfältige Beschwerden lindern.

Von der regionalen Spezialität zum Superfood – das ist eine bemerkenswerte Karriere für eine Nahrungspflanze, die aus ihrer ursprünglichen Heimat in Zentralasien bereits im Mittelalter nach Europa gelangte und den Menschen lange Zeit hier als Grundnahrungsmittel diente. Verdrängt wurde Buchweizen ab dem 18. Jahrhundert vor allem durch den Anbau der nährstoffreicheren Kartoffel. Doch auf den kargen Böden der Lüneburger Heide, einigen Regionen Frankreichs und in Osteuropa überlebte der Buchweizenanbau. In den letzten Jahrzehnten entdeckten insbesondere Vegetarier den Buchweizensamen als Proteinquelle. Zusätzlich rückte das Buchweizenkraut als traditionelle Arzneipflanze in den Blickpunkt.

Gesund – aber kein Wundermittel

In einschlägigen Internetforen werden dem Buchweizen, wie jedem Superfood, gesundheitliche Wirkungen zugeschrieben, die vor allem auf den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln abzielen. Ernährungswissenschaftlich betrachtet ist das nahrhafte Buchweizenkorn mit seinem für den Menschen vorteilhaften Proteinmuster gesund und eine Bereicherung des Speisezettels. Doch es ist keinesfalls ein Wundermittel, das den Blutzucker, den Cholesterinspiegel und den Blutdruck senkt, die Gehirnleistung fördert sowie gegen Krampfadern und Hämorrhoiden wirkt, wie es dem Laien in Erfahrungsberichten vermittelt wird. Vor allem eine vermeintliche Wirkung gegen Diabetes wird immer wieder herausgestellt, wofür der Gehalt an Inositol verantwortlich sein soll. Dabei werden in vielen Werbetexten Buchweizenkörner und Buchweizenkraut noch in einen Topf geworfen, beziehungsweise in ihren Unterschieden nicht erklärt.

Fakten über die Pflanze

Der Echte Buchweizen, Fagopyrum esculentum, ist trotz seines Namens kein Getreide, sondern ein einjähriges, aufrecht und schnell wachsendes Kraut aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) und gilt als Pseudogetreide. Die Stängel werden bis zu 60 Zentimeter hoch und tragen herzförmige, weiche Blätter. Die traubigen Blütenstände bestehen aus vielen kleinen weiß-rosafarbenen Blüten, die reichlich Nektar enthalten und von Bienen bestäubt werden. Aus jeder Blüte bildet sich ein dreikantiges Nüsschen als Frucht heraus. Die kleinen Nüsschen erinnern in der Form an Bucheckern, die – entsprechend dem traubigen Blütenstand – von der Anordnung her an eine Weizenähre denken lassen. Vom Aussehen abgeleitet entstand der Name „Buchweizen“ beziehungsweise Fagopyrum (fagus = Buche, pyros = Weizen).

Was steckt drin im Korn?

Das Buchweizennüsschen wird durch eine derbe Schale geschützt, die vor der weiteren Nutzung entfernt werden muss. Sie ist nicht nur unverdaulich, sondern enthält den photodynamisch wirksamen Farbstoff Fagopyrin, der ähnlich wie Hypericin in Johanneskraut zu Hautirritationen führen und die Haut gegen Sonnenlicht empfindlicher machen kann. Die geschälten Buchweizensamen eignen sich sehr gut für den menschlichen Verzehr. 100 Gramm Körner haben einen Energiegehalt von 340 kcal. Sie enthalten ca. 70 Prozent Kohlenhydrate in Form von Stärke und circa 13 Prozent Proteine mit einer hohen biologischen Wertigkeit, denn sämtliche für den Menschen essenziellen Aminosäuren stehen darin bereit. Das Klebereiweiß Gluten ist in Buchweizen nicht enthalten. Der Fettgehalt ist mit circa 3 Prozent sehr gering, Ballaststoffe machen circa 10 Prozent aus. An Mineralstoffen punktet der Buchweizensamen mit Eisen, Zink, Kalium, Calcium, Magnesium und Selen, an Vitaminen vor allem mit denen aus der B-Gruppe, zum Beispiel Folsäure, aber auch die Vitamine A, E und K sind zu finden. Außerdem sind kleine Mengen des Polyphenols Rutin enthalten. Rutin ist ein Farbstoff, den viele Pflanzen zum Schutz vor UV-Strahlung bilden und der hauptsächlich in oberirdischen Pflanzenteilen zu finden ist.

Blickpunkt Buchweizenkraut und Rutin

Entsprechend der Monografie im Europäischen Arzneibuch „Fagopyri herba“ besteht Buchweizenkraut aus den oberirdischen, ganzen oder zerkleinerten Teilen von Fagopyrum esculentum, die während der frühen Blütezeit und vor der Fruchtbildung geerntet und sofort getrocknet wurden. Sie müssen einen bestimmten Mindestgehalt an Rutosid (= Rutin) aufweisen. Buchweizenkraut hat den rechtlichen Status eines „traditionellen pflanzlichen Arzneimittels“ mit dem Anwendungsgebiet „traditionell zur Besserung des Befindens bei müden Beinen“. Entsprechende Produkte sind in Form von Tabletten und Tee auf dem Markt. Aus der langen Anwendung in der Volksmedizin und der ärztlichen Erfahrungsheilkunde liegen Hinweise darauf vor, dass eine Wirksamkeit bei der Verbesserung der Mikrozirkulation, bei Hämorrhoiden, Schwellungen der Beine, Venenschwäche und Krampfadern gegeben ist. Es gibt dafür aber keine wissenschaftlichen Beweise. Auch die Wirksamkeit des Flavonoids Rutin ist durch klinische Studien nicht belegt. 

Die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln vermarkten Rutin aber exakt mit den genannten volksmedizinischen Anwendungsgebieten. In Erfahrungsberichten und Marketing-Stories wird dabei nicht unterschieden zwischen dem relativ hohen Rutin-Gehalt im Buchweizenkraut und dem eher niedrigen in den Samen,  die – verborgen in ihrer harten Samenschale – diesen pflanzlichen UV-Schutz auch weniger brauchen.

Blickpunkt Inositol

Im Zusammenhang mit Buchweizenkörnern oder anderen Buchweizenprodukten wird auch immer auf den Gehalt an Inositol (= myo-Inosit) abgehoben. Inositol ist ein Zuckeralkohol, den der menschliche Körper selbst herstellt und dem eine Rolle bei der Übertragung von Botenstoffen im Gehirn, aber auch ganz allgemein bei der Kommunikation der Zellen untereinander zukommt. Als Strukturelement von Phospholipiden dient Inositol als eine Art Anker für verschiedene Enzyme. Inositol wurde in den vergangenen Jahren unter verschiedenen therapeutischen Aspekten untersucht. So konnte bei einer kleinen Gruppe von Patienten mit Diabetes mellitus durch Einnahme von Inositol eine Verminderung der Insulinresistenz im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt werden. Auch bei verschiedenen psychischen Erkrankungen wurde die Wirkung der Substanz untersucht. Die vorliegenden Daten rechtfertigen jedoch keine Empfehlung für eine gezielte Supplementierung. Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln verwandeln jedoch gerne jeden noch so kleinen Hinweis in Marketingkampagnen, die unkritische, wundergläubige Verbraucher als Wirksamkeiten interpretieren. 

Risotto, Grütze, Mehl – wirklich super

Im Vergleich zu der breiten Palette an Nahrungsergänzungsmitteln, die sich auf Bestandteile aus Buchweizen berufen, sind die geschälten Buchweizenkörner wirklich ein Superfood, nicht nur für Vegetarier und Veganer. Super nämlich, was den Gehalt an essenziellen Aminosäuren angeht, dazu reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien. Die komplexen Kohlenhydrate und der hohe Proteingehalt sorgen für ein super Sättigungsgefühl. Wer auf Gluten verzichten will und muss, kann bedenkenlos zu Buchweizen greifen. Auch wenn Buchweizenmehl zum Backen mit glutenhaltigem Mehl gemischt werden muss – beim Backen dünner Fladen liefert es beste Ergebnisse, wie die vor allem in Frankreich so beliebten Galettes oder die russischen Blinis beweisen. Geschrotet schmecken die Buchweizenkörner als Grütze, herzhaft oder süß. Die ganzen, geschälten Samen lassen sich wie Reis oder Risotto zubereiten und sind fein-nussig im Geschmack. 

Abnehmen mit Buchweizen?

Auf einigen Internetportalen wird Buchweizen als „Abnehm-Glück“ oder „Russische Diät“ dargestellt – „Abnehmen ohne Verzicht“ heißt es weiter. Begründet wird der diätetische Einsatz zur Gewichtsreduktion durch den sättigenden Eiweißanteil, durch die ebenfalls gut sättigenden komplexen Kohlenhydrate und den nur gering ansteigenden Insulinspiegel, der zugleich noch durch Inositol unter Kontrolle gehalten werden soll. Außerdem soll Buchweizen ganz allgemein den Hormonhaushalt positiv beeinflussen. Mit Sicherheit ist Buchweizen ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel, das im Rahmen eines Ernährungskonzepts auch bei der Gewichtskontrolle hilft. Garantiert ist es jedoch kein Wundermittel, das allein für sich die Pfunde purzeln lässt. 

Warnhinweise

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat vor einigen Jahren Hinweise darauf gefunden, dass Buchweizen mit Samen des Stechapfels verunreinigt sein kann, was zu einer Kontamination von Buchweizenprodukten mit Tropanalkaloiden führen kann. Gesundheitliche Beeinträchtigungen werden als möglich erachtet. Deshalb wird empfohlen, dass bei Buchweizen – genauso wie bei den Pseudogetreiden Amaranth und Quinoa – grundsätzlich nur Produkte verwendet werden, deren Qualität und Reinheit ausreichend belegt und die nachweislich frei von Gerbstoffen, Saponinen und/oder Fagopyrin sind. Das gilt vor allem für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern. 

Buchweizen ist wie jeder andere Samen auch potenziell allergen. Er gehört aber nicht zu den kennzeichnungspflichtigen Allergenen. 

Herkunft und Erntemenge

Die Anbauländer mit der weltweit größten Erntemenge sind Russland, China und Ukraine. In Deutschland und in der Alpenregion gibt es auch Anbauflächen. Die globale Buchweizenernte umfasste 2019 insgesamt 1,6 Millione Tonnen. Im Vergleich zu der weltweiten Weizenproduktion von rund 770 Millionen Tonnen ist Buchweizen ein Nischenerzeugnis.  

Aus ökologischer Sicht vorteilhaft ist der Kauf von Buchweizen und Buchweizenprodukten aus Deutschland beziehungsweise Europa. Aktuell erlebt der Buchweizen auch in der heimischen Biolandwirtschaft eine Renaissance. Buchweizenfelder sind ideale Bienenweiden und schon deshalb für die Umwelt ein Gewinn. 

Auf einen Blick

  • Buchweizensamen sind aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein wertvolles Nahrungsmittel mit einem für die menschliche Ernährung hervorragendem Proteinmuster, Ballaststoffen, Mineralien und Vitaminen. Sie enthalten kein Gluten. Im Rahmen eines vollwertigen Ernährungskonzepts eignet sich der Einsatz von Buchweizenprodukten aufgrund ihrer guten Sättigung auch zur Gewichtskontrolle.
  • Buchweizen ist als heimische bzw. in Europa angebaute Nahrungspflanze aus ökologischer Sicht sinnvoll. Buchweizenfelder ernähren nützliche Insekten und vor allem Bienen und leisten damit einen Beitrag zum Umweltschutz.
  • Buchweizenkraut gilt als traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das zur Besserung des Befindens bei müden Beinen eingesetzt werden kann.
  • Das Flavonoid Rutin ist in sehr kleinen Mengen im Buchweizensamen bzw. Keimlingen enthalten, in größerer Menge in den Blättern und Blüten des Buchweizenkrauts. In der ärztlichen Erfahrungsheilkunde und Volksmedizin gibt es Hinweise auf eine Wirksamkeit bei der Verbesserung der Mikrozirkulation, bei Hämorrhoiden, Schwellungen der Beine, Venenschwäche und Krampfadern. Es gibt jedoch keine klinischen Studien, mit denen die Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist.
  • Für den Zuckeralkohol Inositol, der in Buchweizensamen enthalten ist, konnte bei einer kleinen Gruppe von Patienten mit Diabetes mellitus eine Verminderung der Insulinresistenz im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt werden. Auch bei verschiedenen psychischen Erkrankungen wurde die Wirkung der Substanz untersucht. Die vorliegenden Daten rechtfertigen jedoch keine Empfehlung für eine gezielte Supplementierung.
  • Nahrungsergänzungsmittel mit Inhaltsstoffen aus Buchweizen oder aus gemahlenen Buchweizenkeimlingen sollten hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und der verarbeiteten Ausgangsstoffe kritisch hinterfragt werden.

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Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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