Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.07.2021, 07:30 Uhr

Die Unwetter-Katatstrophe überschattet alles. (Foto: Alex Schelbert)

Die Unwetter-Katatstrophe überschattet alles. (Foto: Alex Schelbert)


Die Woche ist überschattet von Bildern, die wir nicht vergessen werden. Wir sind fassungslos, was diese Unwetter-Katastrophe anrichtete. Hunderte Menschen sind in den Fluten umgekommen, Hunderte von Existenzen vernichtet. Bilder von gefluteten Apotheken machen sprachlos. Dagegen sind all die anderen Nachrichten nahezu unbedeutend. Und dennoch, das Leben geht weiter. Es gibt ein Euro pro Vial mehr für die Impfstoffversorgung der Praxen, viel viel weniger als die ABDA berechnet hatte. Und es gibt einen kleinen juristischen Lichtblick vom EuGH: Das deutsche Heilmittelwerbegesetz gilt auch für EU-Versender. Das bedeutet: Keine DocMorris-Gewinnspielchen mit Rezepten. Aber dieser Versender will noch lieber Rx-Boni geben und sieht sich darin sogar bestätigt. Da kommt noch was. 

12. Juli 2021

Eigentlich, ja eigentlich sollten Apotheken ab heute 1 Euro mehr pro Vial für die COVID-19-Impfstoffversorgung der Arztpraxen erhalten: statt 6,58 Euro sollten es ab 12. Juli 7,58 Euro sein. Nun ja, mein liebes Tagebuch, die Änderungsverordnung der Coronavirus-Impfverordnung wurde allerdings bisher noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht. Und nun? Da ist wohl Geduld angesagt. Allerdings: Mit der Erhöhung um 1 Euro ist die ABDA, sind wir alle nicht wirklich zufrieden. Will das Bundesgesundheitsministerium vielleicht noch nachbessern? Nö, das ist Wunschdenken, wie wir am 14. Juli feststellen müssen, als die Änderungsverordnung dann mit zwei Tagen Verspätung im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Es bleibt dabei: Es gibt 1 Euro mehr, Basta. Das ist bei weitem nicht so viel, wie die ABDA für den Aufwand des Impfstoff-Handlings und -Logistik für nötig hält. Immerhin, den 1 Euro gibt’s rückwirkend ab 12. Juli.

13. Juli 2021

Seit der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen in der Sendung „hart aber fair“ der Öffentlichkeit seine Meinung wissen ließ, die Apotheken hätten sich an der Maskenabgabe gesundgestoßen, ist das Verhältnis zwischen Apothekers und Hirschhausen nicht ungetrübt, es gibt da von Apothekersseite einige Störgefühle und Irritationen. Kein Wunder, dass da einige Apothekers nun wenig Gefallen daran finden, das u. a. vom Robert Koch-Institut herausgegebene „Impfbuch für alle“, das kostenlos auch über Apotheken verteilt werden soll, unter die Leute zu bringen: Auf der Titelseite prangt werbewirksam der Hinweis: „Mit Beiträgen von Dr. med. Eckart von Hirschhausen“ – da sind so manche Apothekers ein bisschen nachtragend. Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen ging den Störgefühlen nach und schrieb von Hirschhausen an, ob er denn wirklich so über die Apothekers denke, wie es damals in der Sendung überkam. Also mein liebes Tagebuch, von Hirschhausen hat geantwortet! Und klar, seine Äußerung in „hart aber fair“ sei falsch überkommen (haben wir uns schon gedacht, mein liebes Tagebuch), er wisse zu schätzen, „was die Apotheken alles an zusätzlichen Aufgaben, Gesprächen und Herausforderungen in der Pandemie bereits geleistet haben und leisten“. Ja, vielen Dank. Und zum Impfbuch: Es sei wirklich kein „Hirschhausen-Buch“, sein Beitrag umfasse nur sieben kurze „Randnotizen“. Und er freue sich, wenn die Apotheken bei dieser wichtigen Aktion der Buch-Verteilung mit an Bord seien. Tja, mein liebes Tagebuch, gut dass wir miteinander geredet haben. Und jetzt hoffen wir mal, der Herr Arzt-Kabarettist wird sich seine kessen Sprüche auf unsere Kosten in Zukunft sparen – und wir verteilen natürlich gerne das Impfbuch mit sieben kurzen Hirschhausen-Randnotizen. Ist ja für eine gute Sache.

 

Der Markt der Plattform-Kooperationen ist weiter im Aufbau – und immer für Überraschungen gut. So nehmen wir aktuell zur Kenntnis: Nach Pharmatechnik und CGM Lauer tritt mit ADG ein drittes großes Apothekensoftwarehaus dem Zukunftspakt (Noweda und Burda) bei. Apotheken mit ADG-Wirtschaftssystemen können nun direkt an die Plattform "IhreApotheken.de" (ia.de) angebunden werden. Das Überraschende dabei ist, dass ADG eine Tochter der Phoenix Group ist, die mit dem IT-Haus Noventi eine eigene Apothekenplattform (gesund.de) aufbaut. Ob und was hinter dem kleinen Fremdgang steckt, wissen wir nicht. Und, mein liebes Tagebuch, wir wissen auch nicht, wie sich der Plattform-Markt weiterentwickeln wird, da ist noch einiges im Fluss, wenngleich sich (laut einer DAZ.online-Umfrage) rund 40% der Apotheken bereits der einen bzw. der anderen Plattform angeschlossen haben. Aber die restlichen 60% sind noch unentschlossen, ob sie sich auf eine Plattform begeben wollen und wenn ja welcher oder lieber keiner. Oder etwa gar auf alle beiden? Der Plattform-Hype fängt gerade an.

14. Juli 2021

Wer hat sich in der Pandemie für die Gesundheits- und Arzneimittelversorgung eingesetzt? Das waren nicht die Versender – die haben nur Päckchen gepackt und Arzneimittel nur eingepackt. Es waren unsere Apotheken vor Ort – und die haben angepackt. „Anpacken statt einpacken“  heißt denn auch die Kampagne der Pharmagroßhandlung Noweda, die gerade die Phase ihrer Aktion zündet. Zum Auftakt der Kampagne hatte die Noweda die Plakate auf Werbe-Trucks vor der DocMorris-Zentrale platziert und dem Versender gezeigt. Die Motive waren dann in der vergangenen Woche im Nachrichtenmagazin „Focus“ zu sehen. Und nun kommen sie in die Apotheken. Der Großhändler stellt den Apotheken die passenden Plakate ab sofort zur Verfügung – für Kunden ebenso wie für Nicht-Kunden. Dem Noweda-Chef Michael Kuck ist es wichtig, „dass wir jetzt möglichst vielen Menschen die enorme Bedeutung der stationären Apotheken während der Corona-Impfkampagne vermitteln“. Er lädt alle Apotheken ein, die Plakate zu nutzen, um die Kunden direkt in der Apotheke anzusprechen. Mein liebes Tagebuch, wir finden, das ist doch eine Super-Idee, also gleich die Plakate bestellen. Der Slogan „Anpacken statt einpacken“ wird sicher so manche Kunden und Passanten zum Nachdenken anregen, wer hier eigentlich den Betrieb am Laufen hält. Die Einpacker sind es sicher nicht.

15. Juli 2021

Bleiben wir bei DocMorris: Es geht um eine Doc Morris-Werbeaktion aus dem Jahr 2015, bei der der EU-Versender ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro und neun elektrische Zahnbürsten auslobte. Teilnehmen konnte, wer ein Rezept (!) bei DocMorris einlöste. Der Apothekerkammer Nordrhein gefielen solche Spielchen vor dem Hintergrund des Heilmittelwerberechts so gar nicht und klagte dagegen. Der Rechtsstreit ging durch mehrere Instanzen. Letztlich rief der Bundesgerichtshof (BGH) den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Jetzt liegt die EuGH-Entscheidung vor und siehe da: Der niederländische Arzneimittelversender muss auch die Zugabeverbote des deutschen Heilmittelwerbegesetzes beachten, sie stehen dem europäischen Recht nicht entgegen.Mein liebes Tagebuch, wie gut klingt das denn! Der EuGH stellt klar: Das Heilmittelwerbegesetz gilt unterschiedslos für alle Apotheken, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen – unabhängig davon, ob sie in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Mit dem EuGH-Urteil in der Tasche kann der Bundesgerichtshof nun seine abschließende Entscheidung über ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel treffen – und dass der Karlsruher Senat dieses Gewinnspiel kritisch sieht, hat er bereits deutlich gemacht. Mein liebes Tagebuch, das stimmt uns hoffnungsfroh. Denn wir wissen doch: Beim Thema E-Rezept sieht DocMorris nur noch Euro-Zeichen, für den EU-Versender ist das E-Rezept das Objekt seiner Begierde und er wird versuchen, die Menschen mit allerlei Mitteln dazu zu bewegen, ihre E-Rezepte an ihn zu schicken. Mit dem Lockmittel Gewinnspiel wird das wohl nicht mehr möglich sein.

Und ja, ganz klar, natürlich ist die Apothekerkammer happy und zufrieden, dass der EuGH im Sinne der Kammer entschieden hat. Was den Kammerpräsidenten Dr. Armin Hoffmann sogar zu der schönen Wertung hinreißen ließ: „Ein kleiner Schritt für die Apothekerkammer Nordrhein, aber ein großer Schritt für die Versorgungssicherheit der Menschen mit Arzneimitteln“. Nun hat aber der BGH das letzte Wort. Aber da ist Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking frohen Mutes: Die dortigen Richterinnen und Richter hätten bereits zu verstehen gegeben, was sie von unsachgemäßer Beeinflussung halten und welchen Stellenwert sie der Beratungsleistung des Apothekers beimessen“.

Noch einen Schritt weiter gehen sogar Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas und Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert, die die Kammer Nordrhein in dem Verfahren vertreten haben. Für sie ist das Urteil mehr als erfreulich und sie gehen sogar davon aus, dass das EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2016, mit dem die Preisbindung für Rx-Arzneimittel für ausländische Versender gekippt wurde, in seiner Bedeutung nun geringer einzustufen sei. Ja, mein liebes Tagebuch, da kann man doch darauf aufbauen…

 

DocMorris sieht das aktuelle Urteil des EuGH dagegen ganz anders. In seiner Erklärung zum aktuellen Urteil geht der EU-Versender so gar nicht auf den eigentlichen Grund des Rechtsstreits und die damit verbundene EuGH-Entscheidung ein. Gewinnspiele mit E-Bikes und Zahnbürsten sind für den Versender sichtlich Schnee von gestern. Er führt anderes im Schilde und liest aus dem Urteil lediglich das, was ihn auch in Zukunft interessiert: Man sehe sich durch die aktuelle Entscheidung „darin gestärkt, dass die Festschreibung des Bonusverbots im SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) europarechtswidrig ist“. Und somit geht das Versandhaus davon aus, dass „Rx-Boni von EU-Versandapotheken aus Sicht des EU-Rechts weiterhin gewährt werden dürfen“. Nun, mein liebes Tagebuch, das könnte dann wohl der nächste große Rechtsstreit vor dem EuGH werden, denn das ist doch das eigentliche Anliegen von DocMorris: Gewinnspielchen sind Pillepalle, der Versender will lieber Rx-Boni geben, um die E-Rezept-Kunden zu locken – und mit dieser Strategie wird er langfristig wohl nicht locker lassen.

 

Wie werden E-Rezepte eigentlich mit den Krankenkassen abgerechnet? Natürlich, mein liebes Tagebuch, die Apotheke schickt es an ihren Rezeptabrechner. Wirklich? Mag sein, aber da gibt es doch noch etwas anderes: Das E-Rezept erleichtert auch den Weg zu einer möglichen Direktabrechnung. Und damit wäre doch die Gefahr, dass der Rezeptabrechner Pleite macht (wir erinnern uns ans AvP-Desaster) vom Tisch. Die Apotheke schickt die Rezepte direkt an die Krankenkassen zur Abrechnung – das ginge sogar täglich, und das Geld könnte früher fließen. Aber ist das dann wirklich besser und vorteilhafter für die Apotheke? Oder gibt es da doch ein paar Vorteile, wenn ein Rezeptabrechner dazwischengeschaltet ist. Im Schwerpunkt-Thema der DAZ Nr. 28 gibt’s dazu einiges zum Nachlesen.

16. Juli 2021

Google streckt seine Datenfühler in den Gesundheitsbereich aus. Wie der Hauptautor des Google-Watch-Blogs, Jens Minor, in einem Gastbeitrag für den Digital-Health-Newsletter des Handelsblattes schreibt, sei bereits 2019 ein Testlauf für eine Art Cloud-Angebot für Kliniken zur Verwaltung der Patientenakten ankündigt worden. Google Health wolle aber nicht nur Daten verwalten, sondern mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz auch analysieren, um fehlerhafte Daten und Diagnosen zuerkennen und Behandlungen oder gar Arzneimittel vorzuschlagen. Auch die Patienten will Google mit einer App gewinnen, mit der man dann auf sein Diagnosen, Rezepte und die eigenen Daten zugreifen kann. Mein liebes Tagebuch, wir erinnern uns: Es gab bereits mal „Google Health“, aber der erste Anlauf wurde 2013 eingestellt. Dieser erste Versuch war lediglich eine Plattform, auf der die User lediglich die eigenen Vitalwerte wie Größe, Gewicht, bekannte Krankheiten oder auch eingenommene Arzneimittel verwalten konnten. Der geplante zweite Anlauf scheint dagegen eine andere Qualität zu haben – ob er freilich Erfolg haben wird, ist offen. Es wird vermutlich auch davon abhängen, wie gut die hiesigen Patientenakten und Daten-Plattformen im Gesundheitswesen sein werden. Auf alle Fälle: Da kommt was auf uns zu.

 

Mein liebes Tagebuch, die Bilder und Nachrichten von der Unwetter-Katastrophe im Westen Deutschlands gehen einem nicht aus dem Kopf. Kleinste Bäche entwickelten sich in kürzester Zeit zu reißenden Fluten, überschwemmten zahlreiche Ortschaften, zerstörten über 130 Menschenleben und vernichteten Hunderte von Existenzen. Auch zahlreiche Apotheken sind in den betroffenen Gebieten regelrecht geflutet. Ein Nachrichtensprecher, der eine überschwemmte Apotheke in der Nähe der Wupper zeigte: „Die Wupper fließt jetzt durch die Apotheke.“ Und Apothekerin Linda Wnendt von der Ahrtor-Apotheke in Bad Neuenahr-Ahrweiler postete auf Facebook ein kurzes Video von ihrer einstigen Apotheke, von der nun nichts mehr übriggeblieben ist, nachdem sie geflutet wurde. Mein liebes Tagebuch, man schaut fassungslos hin und ist sprachlos. Apotheker Christian Fehske von der Rathaus-Apotheke in Hagen hatte dagegen Glück: Die Fluten der Volme stoppten nur wenige Meter vor der Apotheke, vor den Kellerfenstern. Wieder andere Apotheken mussten temporär schließen, weil z. B. Wasser in den Keller gelaufen war, in dem die EDV oder der Kommissionierer steht und alles dagegen tun, damit die Geräte nicht „absaufen“. Die für die betroffenen Gebiete zuständigen Apothekerkammern von Rheinland-Pfalz und Nordrhein haben mitgeteilt, dass sie alles dafür tun wollen, praktische und unbürokratische Lösungen zu finden, vor allem was die Fragen der Öffnungen der Apotheken und der Notdienstbereitschaft betrifft. Notwendige Schließungen werde man natürlich unbürokratisch genehmigen, heißt es. Außerdem sei man natürlich dabei, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu organisieren. Verschont geblieben sind dagegen die Niederlassungen von Sanacorp, Noweda, Gehe und Phoenix in den Katastrophengebieten. Aber man wolle alles Menschenmögliche tun, so ließ z. B. die Noweda wissen, die Arzneimittelversorgung in den Gebieten aufrecht zu halten. Und Gehe teilte mit, dass man eine Task Force eingerichtet habe, um den leidtragenden Apotheken zur Seite zu stehen. Mein liebes Tagebuch, bei allem Leid ist es schön zu hören, dass der Zusammenhalt in der Krise so gut ist. Ganz konkret: „Apotheker helfen“ und das Hilfswerk der Baden-Württembergischen Apothekerinnen und Apotheker haben bereits Spendenaufrufe gestartet, um Betroffenen zu helfen. Auch der Abrechnungsdienstleister Scanacs sammelt Spenden für betroffene Apotheken.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

…das Leben geht weiter

von Conny am 18.07.2021 um 8:19 Uhr

Der Baerbockmoment des Herrn Laschet könnte ihm die Kanzlerschaft kosten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.