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15. Juli 2021
Bleiben wir bei DocMorris: Es geht um eine Doc Morris-Werbeaktion aus dem Jahr 2015, bei der der EU-Versender ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro und neun elektrische Zahnbürsten auslobte. Teilnehmen konnte, wer ein Rezept (!) bei DocMorris einlöste. Der Apothekerkammer Nordrhein gefielen solche Spielchen vor dem Hintergrund des Heilmittelwerberechts so gar nicht und klagte dagegen. Der Rechtsstreit ging durch mehrere Instanzen. Letztlich rief der Bundesgerichtshof (BGH) den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Jetzt liegt die EuGH-Entscheidung vor und siehe da: Der niederländische Arzneimittelversender muss auch die Zugabeverbote des deutschen Heilmittelwerbegesetzes beachten, sie stehen dem europäischen Recht nicht entgegen.Mein liebes Tagebuch, wie gut klingt das denn! Der EuGH stellt klar: Das Heilmittelwerbegesetz gilt unterschiedslos für alle Apotheken, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen – unabhängig davon, ob sie in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Mit dem EuGH-Urteil in der Tasche kann der Bundesgerichtshof nun seine abschließende Entscheidung über ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel treffen – und dass der Karlsruher Senat dieses Gewinnspiel kritisch sieht, hat er bereits deutlich gemacht. Mein liebes Tagebuch, das stimmt uns hoffnungsfroh. Denn wir wissen doch: Beim Thema E-Rezept sieht DocMorris nur noch Euro-Zeichen, für den EU-Versender ist das E-Rezept das Objekt seiner Begierde und er wird versuchen, die Menschen mit allerlei Mitteln dazu zu bewegen, ihre E-Rezepte an ihn zu schicken. Mit dem Lockmittel Gewinnspiel wird das wohl nicht mehr möglich sein.
Und ja, ganz klar, natürlich ist die Apothekerkammer happy und zufrieden, dass der EuGH im Sinne der Kammer entschieden hat. Was den Kammerpräsidenten Dr. Armin Hoffmann sogar zu der schönen Wertung hinreißen ließ: „Ein kleiner Schritt für die Apothekerkammer Nordrhein, aber ein großer Schritt für die Versorgungssicherheit der Menschen mit Arzneimitteln“. Nun hat aber der BGH das letzte Wort. Aber da ist Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking frohen Mutes: Die dortigen Richterinnen und Richter hätten bereits zu verstehen gegeben, was sie von unsachgemäßer Beeinflussung halten und welchen Stellenwert sie der Beratungsleistung des Apothekers beimessen“.
Noch einen Schritt weiter gehen sogar Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas und Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert, die die Kammer Nordrhein in dem Verfahren vertreten haben. Für sie ist das Urteil mehr als erfreulich und sie gehen sogar davon aus, dass das EuGH-Urteil vom 16. Oktober 2016, mit dem die Preisbindung für Rx-Arzneimittel für ausländische Versender gekippt wurde, in seiner Bedeutung nun geringer einzustufen sei. Ja, mein liebes Tagebuch, da kann man doch darauf aufbauen…
DocMorris sieht das aktuelle Urteil des EuGH dagegen ganz anders. In seiner Erklärung zum aktuellen Urteil geht der EU-Versender so gar nicht auf den eigentlichen Grund des Rechtsstreits und die damit verbundene EuGH-Entscheidung ein. Gewinnspiele mit E-Bikes und Zahnbürsten sind für den Versender sichtlich Schnee von gestern. Er führt anderes im Schilde und liest aus dem Urteil lediglich das, was ihn auch in Zukunft interessiert: Man sehe sich durch die aktuelle Entscheidung „darin gestärkt, dass die Festschreibung des Bonusverbots im SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) europarechtswidrig ist“. Und somit geht das Versandhaus davon aus, dass „Rx-Boni von EU-Versandapotheken aus Sicht des EU-Rechts weiterhin gewährt werden dürfen“. Nun, mein liebes Tagebuch, das könnte dann wohl der nächste große Rechtsstreit vor dem EuGH werden, denn das ist doch das eigentliche Anliegen von DocMorris: Gewinnspielchen sind Pillepalle, der Versender will lieber Rx-Boni geben, um die E-Rezept-Kunden zu locken – und mit dieser Strategie wird er langfristig wohl nicht locker lassen.
Wie werden E-Rezepte eigentlich mit den Krankenkassen abgerechnet? Natürlich, mein liebes Tagebuch, die Apotheke schickt es an ihren Rezeptabrechner. Wirklich? Mag sein, aber da gibt es doch noch etwas anderes: Das E-Rezept erleichtert auch den Weg zu einer möglichen Direktabrechnung. Und damit wäre doch die Gefahr, dass der Rezeptabrechner Pleite macht (wir erinnern uns ans AvP-Desaster) vom Tisch. Die Apotheke schickt die Rezepte direkt an die Krankenkassen zur Abrechnung – das ginge sogar täglich, und das Geld könnte früher fließen. Aber ist das dann wirklich besser und vorteilhafter für die Apotheke? Oder gibt es da doch ein paar Vorteile, wenn ein Rezeptabrechner dazwischengeschaltet ist. Im Schwerpunkt-Thema der DAZ Nr. 28 gibt’s dazu einiges zum Nachlesen.
1 Kommentar
…das Leben geht weiter
von Conny am 18.07.2021 um 8:19 Uhr
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