Einführung der E-Rezepte

Overwiening zeigt sich trotz Verschiebung optimistisch

04.10.2021, 09:15 Uhr

AFDA-Präsidentin Overwiening begrüßt, dass die Testphase um zwei Monate verlängert wurde. (Foto: Schelbert)

AFDA-Präsidentin Overwiening begrüßt, dass die Testphase um zwei Monate verlängert wurde. (Foto: Schelbert)


Am vergangenen Freitag hätte es eigentlich zur bundesweiten Einführung der E-Rezepte kommen sollen. Die Gesellschafterversammlung der Gematik lenkte jedoch in letzter Sekunde ein und verschob den Roll-out auf Dezember. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat Verständnis für die Entscheidung und zeigt sich optimistisch, dass die Einführungspflicht zum Januar 2022 trotzdem gelingt.

Ob es am vergangenen Freitag zu einem E-Rezept-Ansturm in den Apotheken gekommen wäre, wenn die Gematik an der bundesweiten Einführung festgehalten hätte, darf bezweifelt werden. Die E-Rezept-Tests in der Fokusregion Berlin-Brandenburg der vergangenen drei Monate brachten nämlich zu Tage, dass es vor allem an den meisten Arztpraxen scheitert, die noch über keine geeigneten Softwareversionen verfügen. Darüber hinaus halten sich bekanntlich auch Bereitschaft und Begeisterung für die E-Rezepte bei den Ärztinnen und Ärzten in Grenzen.

AOK Nordost: Testrezepete in „niedriger zweistelliger Höhe“

Ohne ein flächendeckendes Netz an betriebsbereiten Praxen kann es keine E-Rezepte geben, und ohne diese keine Ende-zu-Ende-Tests mit den Patienten, Apotheken und Krankenkassen. Wie viele E-Rezepte zwischen Juli und September in der Fokusregion tatsächlich ausgestellt wurden, darüber sprechen die Beteiligten öffentlich ungern. Einzig die AOK Nordost lässt auf Anfrage der DAZ nun durchblicken, dass es im Rahmen der Testphase Abrechnungen mit Testversicherten in bislang „niedriger zweistelliger Höhe“ gab. „Echte“ E-Rezepte von realen Versicherten dagegen wurden bisher noch nicht mit der AOK Nordost abgerechnet.

Mehr zum Thema

Auf Seiten der Apothekensoftwarehäuser ist die Affinität zu den E-Rezepten und weiteren Telematikinfrastruktur-Anwendungen dagegen deutlich größer. Die allermeisten Apotheken sind technisch bereit für die E-Rezepte. Am vergangenen Freitag, also an jenem Tag, der ursprünglich als kleiner Startschuss für die bundesweite, freiwillige Einführung der E-Rezepte vorgesehen war, lud Pharmatechnik zum virtuellen Presseevent in die Apotheke am Borkener Klinikum ein. In derselben Apotheke installierte das Starnberger Softwareunternehmen bereits im Juli 2020 den ersten Anschluss an die Telematikinfrastruktur, vor den Augen der zugeschalteten Pressevertreter und sehr zur Freude der Inhaberin Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sowie der ABDA.

E-Rezept-Führerschein und Übungs-E-Rezepte

Neben Awinta ist Pharmatechnik mit seiner IXOS-Apothekensoftware bei den E-Rezept-Testdurchläufen in der Fokusregion dabei. Nun sollen auch die Kunden im Bundesgebiet mit dem E-Rezept in Berührung kommen können: Ab sofort können alle IXOS-Nutzer einen „E-Rezept-Führerschein“ absolvieren. Dazu gehören eine digitale Fortbildung in Form einer mobilen App sowie Übungs-E-Rezepte, anhand derer das gesamte Apothekenteam „praktische Erfahrungen vor Ort direkt in IXOS sammeln“ kann. Gleichzeitig soll es auch prinzipiell möglich sein, dass alle IXOS-Apotheken E-Rezepte aus der Fokusregion empfangen und bearbeiten können. Per Upgrade würden dazu alle Apotheken „zeitnah“ befähigt. Daher begrüße man, dass die Testphase um zwei Monate verlängert wurde.

Overwiening hält Verlängerung der Testphase für notwendig

Diese Meinung vertritt auch ABDA-Präsidentin Overwiening. Man müsse mehr reale Erfahrungswerte sammeln und die Ende-zu Ende-Tests müssten mehrfach wiederholt werden. Ein- bis dreimal reiche nicht aus. Overwiening hält es daher für notwendig, die Testphase zwei Monate zu verlängern.

Gleichzeitig signalisierte sie, dass es nicht primär an den Apotheken gelegen habe. Es sei falsch, nach Schuldigen zu suchen, doch es sei gut, dass die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nochmal in intensiven Austausch mit den Anbietern der Praxisverwaltungssysteme getreten sei. Die Apotheken seien sehr digitalaffin, und viele Betriebe hätten bereits an Schulungen teilgenommen.

Mehr zum Thema

Softwarehäuser oder Gematik und KBV

Wer hat den schwarzen Peter beim E-Rezept?

Neben den Softwarehäusern sollen auch Kammern und Verbände entsprechende Angebote aufgestellt haben. Oberwienings Heimatkamner Westfalen-Lippe bietet seit Ende September Live-Online-Vorträge für die Mitglieder an. Die Geschäftsstelle meldete in der vergangenen Woche einen „enormen Zulauf“ auf die E-Rezept-Webinare. Die ersten fünf Veranstaltungen seien mit insgesamt gut 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer weitestgehend ausgebucht. Weitere Veranstaltungen sollen wieder ab Ende Oktober angeboten werden.

Vor diesem Hintergrund hält Overwiening die Einführungspflicht der E-Rezepte ab dem 1. Januar 2021 für kein Problem. Dies würden ihr auch die Kolleginnen und Kollegen zurückmelden. Sorgen machten dem Berufsstand eher die „politischen Implikationen“, die mit E-Rezept verbunden sind - wie beispielsweise die Stärkung des Arzneimittelversandhandels.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Ohne Test in die heiße Phase?

von AGr am 04.10.2021 um 19:13 Uhr

Es scheint, dass es hier noch viele Baustellen gibt. Angefangen bei dem Willen/Akzeptanz aller Beteiligten (Patient/Kunde/Versicherte/Ärzte/Apotheken/KK), FHIR-Profilen, Datenannahme bei Apotheken oder KK sowie rechtliche Fragestellen bei Signatur und Korrektur der Daten. Wie realistisch ist, dass ohne eine hinreichende Testphase mit Echtdaten und ohne einer rechtlichen Klärung der Start zum 01.01.2022 gelingen mag?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.