Tag der Epilepsie

Wo stehen wir in der Epilepsie-Therapie?

München - 05.10.2021, 16:45 Uhr

Antiepileptika der zweiten Generation brachten zwar einige Verbesserungen hinsichtlich Verträglichkeit und Sicherheit, insbesondere für ältere Patienten und für Frauen im gebärfähigen Alter. Hinsichtlich der Anfallskontrolle konnte aber keines die interaktionsträchtigen Vorgänger übertreffen. (Foto: Vera Aksionava / AdobeStock)

Antiepileptika der zweiten Generation brachten zwar einige Verbesserungen hinsichtlich Verträglichkeit und Sicherheit, insbesondere für ältere Patienten und für Frauen im gebärfähigen Alter. Hinsichtlich der Anfallskontrolle konnte aber keines die interaktionsträchtigen Vorgänger übertreffen. (Foto: Vera Aksionava / AdobeStock)


Welche Substanzen sind wirklich besser verträglich?

Eine bessere Verträglichkeit gegenüber dem Alt-Standard Carbamazepin ist für die Antiepileptika der 2. Generation nicht belegt. Ausnahme: Lamotrigin, wahrscheinlich auch Levetir­acetam, werden generell besser vertragen und seltener abgesetzt. Die beiden Substanzen kommen zunehmend als Erstlinientherapie insbesondere bei älteren, bei multimorbiden und bei depressiven Patienten zum Zuge. Die länger anhaltende Therapietreue ist nach Studiendaten tatsächlich dem Verträglichkeitsgewinn gutzuschreiben, weil die Kontrolle der Anfallsfreiheit gleich war

 

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Lamotrigin ist auch das Medikament mit den meisten Sicherheitsdaten in der Anwendung bei Schwangeren. Bei ihnen können Phenobarbital, Valproat, Primidon und Carbamazepin zu Wachstumsverzögerungen des Fetus führen. Das größte Risiko hierfür scheint indes von Topiramat auszu­gehen – einem Antiepileptikum der 2. Generation. Entsprechende Indikationseinschränkungen sowie deutlich gestiegene Verordnungen von Lamotrigin und Levetiracetam bewirkten in den letzten zwei Dekaden einen Rückgang schwerer kongenitaler Fehlbildungen um bis zu 27%.

Kein Fortschritt bei der Wirksamkeit

Vorteile lassen sich in der heterogenen Gruppe der Antiepileptika der 2. Generation also kaum generalisieren – ihre Limitation schon: Sie haben ihre Vorgänger hinsichtlich der Anfallskontrolle nicht überflügeln können. Das zeigt ein systematischer Review von randomisierten kontrollierten Studien von 1940 bis 2012: Klasse-1-Evidenz in der initialen Monotherapie fokaler Anfälle bei Erwachsenen kommt Levetir­acetam und Zonisamid (Antiepileptika der 2. Generation) zu, aber auch Phenytoin und Carbamazepin. Die höchste Evidenzbewertung bei Absencen erreichten nur die älteren Substanzen Ethosuximid und Valproat. Mehrere neue randomisierte kontrollierte Studien wurden bei fokalen Epilepsien mit dem Vergleichs-Standard Carbamazepin durchgeführt. Keine der neueren Substanzen – z. B. Eslicarbazepin, Lacosamid, Levetiracetam, Zonisamid – übertraf hinsichtlich Anfallsfreiheit die alte Substanz. Ähnliche Ergebnisse gab es in Studien mit älteren Patienten über 60 Jahren, mit Kindern, und auch in Langzeitstudien. Der Anteil von Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie hat sich in 30 Jahren neuer Antiepileptika nicht verringert. Die Nicht-Überlegenheit der Antiepileptika der 2. Generation in allen Altersgruppen bei fokalen wie generalisierten Epilepsien inklusive Absencen ist die große Enttäuschung für die antiepileptische Therapie der letzten 30 Jahre, resümieren die Experten. Was bleibt, ist eine gezieltere, individualisierte Therapie von Epilepsien und mehr Optionen für einen Switch und für Kombinationstherapien. Zum Beispiel können Lamotrigin und Valproat bei ungenügender Wirksamkeit der Einzelsubstanzen kombiniert werden.



Ralf Schlenger, Apotheker. Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Antiepileptika der 2. Generation

von Dieter Kaiser am 06.10.2021 um 8:51 Uhr

Allein bereits die relativ große Anzahl neu entwickelter Pharmaka zur Therapie von Konvulsionen lässt den Schluss zu, dass jeweils nur Teilerfolge erzielt wurden . Die Abkanzelung von Antikonvulsiva der 1. Generation mit de facto unwahren Unterstellungen halte ich für verwerflich. Die Dosis machte den Erfolg. Mir tun die Betroffenen leid, die zum Versuchsobjekt degradiert die Wirksamkeit neu entwickelter Substanzen testen müssen. Ärzte gehen auch Verträge zu Testungen mit den Herstellern ein und stehen dabei unter Erfolgszwang. Bis eine Substanz wegen Schädigungen verursachend oder als zu unwirksam als abzulehnend dann doch feststeht kann am Patienten großer Schaden entstanden sein, auch wenn Umstellungen unter klinischer Beobachtung stattfanden.

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