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Interview mit DAZ-Herausgeber Benjamin Wessinger
Das unmögliche Urteil
Es fehlten Alternativen
Im Nachgang hat sich die ABDA gemeinsam mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln starkgemacht. War sie damit auf dem richtigen Weg?
Zunächst fand ich es bemerkenswert, wie stark und kämpferisch die ABDA nach dem Bekanntwerden des EuGH-Urteils aufgetreten ist. Die klare Sprache des damaligen ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt, der sagte, man werde jetzt ‚aus allen Rohren feuern‘, die Kampagnen, die folgten, all das hat mich beeindruckt. Beeindruckt hat mich auch, wie lange die ABDA bei ihrer Haltung geblieben ist, das RxVV sei alternativlos. Und es war rückblickend auch völlig richtig, nach außen hin zu signalisieren, man werde nicht über andere Wege diskutieren, denn das RxVV sei die einzige Lösung, mit der alle entstandenen Probleme in den Griff zu kriegen sind. Problematisch war, dass irgendwann klar wurde, dass man auch intern nicht über Alternativen nachgedacht hatte. Die Alternativlosigkeit war offenbar keine Kommunikationsstrategie, sondern man hatte wirklich keine anderen Vorschläge erarbeitet.
In der politischen Kommunikation folgte alsbald der Kurswechsel – das RxVV sei politisch nicht durchzusetzen. War dieser Strategiewechsel die richtige Wahl?
Der Umschwung kam sehr abrupt von einem Tag auf den nächsten. Dabei wäre es gar nicht nötig gewesen, das RxVV komplett fallen zu lassen, wie es die ABDA getan hat. Sie hätte lieber etwas früher umschwenken sollen hin zu der Haltung: Ja, das Rx-Versandverbot ist und bleibt die beste Lösung, aber es gibt noch andere Möglichkeiten mit entsprechenden Vor- und Nachteilen. Stattdessen hat sie sich mehr oder weniger plötzlich vom RxVV abgewandt und sich dann genauso alternativlos hinter Spahns Pläne gestellt, die inzwischen im VOASG aufgegangen sind – also das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht plus honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Zudem hat die ABDA es versäumt, ausreichend zu erklären, wie es zu diesem Stimmungswechsel kam. Das haben ihr nicht nur viele Kolleginnen und Kollegen übel genommen, sondern auch Politikerinnen und Politiker, die an der Seite des Berufsstands für das RxVV gekämpft haben. Vielleicht war dieser radikale Umschwung auch nötig, es soll ja viele Gespräche zwischen Spahn und der ABDA-Spitze gegeben haben. Wer weiß, was der Minister angedroht oder versprochen hat. Aber auch das hat man nicht kommuniziert.
Im Ergebnis steht jetzt die Rx-Preisbindung im Sozialrecht und GKV-Versicherte haben ab dem kommenden Jahr ein Anrecht auf pharmazeutische Dienstleistungen. Ist das zufriedenstellend oder bleibt ein fahler Beigeschmack?
Ja, es bleibt schon deswegen ein Beigeschmack, weil das Rx-Boni-Verbot im SGB V nicht für alle Versicherten gilt, sondern nur für diejenigen in der GKV. Zudem bleibt abzuwarten, ob es überhaupt halten wird – es gibt ja Versender, die seinerzeit angekündigt haben, juristisch dagegen vorgehen zu wollen. Und es ist fraglich, ob Verstöße tatsächlich sanktioniert werden. Denn im Rahmenvertrag steht schon lange, dass wer sich nicht an die Preisbindung hält, mit Strafen rechnen muss bis hin zum Ausschluss von der Arzneimittelversorgung. Das hat die Krankenkassen, die letztlich Sanktionen aussprechen könnten, bisher allerdings wenig interessiert.
1 Kommentar
Was ist schiefgelaufen?
von Thomas Eper am 19.10.2021 um 11:59 Uhr
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