Der Zeitplan der STIKO

Corona-Impfung: Wie geht es weiter mit den (Klein)kindern?

Stuttgart - 20.10.2021, 17:50 Uhr

Die STIKO will im November/Dezember über die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren beraten – wohlgemerkt ergebnisoffen. (c / Foto: Aron M - Austria / AdobeStock)

Die STIKO will im November/Dezember über die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren beraten – wohlgemerkt ergebnisoffen. (c / Foto: Aron M - Austria / AdobeStock)


Kinder sind zwar nicht die Treiber der Corona-Pandemie. Dennoch gehören Kinder (unter 12 Jahren) weiterhin zu der Gruppe der Bevölkerung, die noch keine COVID-19-Impfung erhalten haben. Auf dem (virtuellen) Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021 gab es deshalb auch einen Blick in die Zukunft der Impfung von Kindern gegen Corona.

Erst vergangenen Freitag meldete die Nachrichtenagentur dpa, dass es laut RKI (Robert Koch-Institut) „teils sehr hohe Corona-Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen“ gibt. In acht Landkreisen und einer kreisfreien Stadt liege die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei den 10- bis 19-Jährigen bei mehr als 500, twitterte das RKI am Donnerstagabend zu einer Auswertung im neuen Corona-Wochenbericht. Bundesweit sei die Sieben-Tage-Inzidenz vergangene Woche in den Altersgruppen unter 20 Jahren allerdings im Vergleich zur Woche zuvor leicht gesunken, hieß es zusammenfassend.

Am 6. Oktober hatte die dpa außerdem berichtet, dass der Corona-Impfstoff von Moderna in Schweden vorerst keinen Menschen unter 30 Jahren mehr verabreicht wird, in Dänemark zudem niemandem unter 18. Grund dafür sind Anzeichen eines erhöhten Risikos von Nebenwirkungen: die Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) oder Herzbeutels (Perikarditis), wie die schwedische Gesundheitsbehörde mitteilte. Das Risiko, davon betroffen zu sein, sei äußerst gering. Die betroffene Altersgruppe sollte dennoch stattdessen den Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten, hieß es.

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Vergangenen Montag berichtete nun die DAZ, dass Pfizer und Biontech die Zulassung ihres COVID-19-Impfstoffs für Kinder ab einem Alter von fünf Jahren anstreben – sie haben bei der EMA die Zulassungserweiterung für Comirnaty® beantragt. Geimpft werden sollen Kinder mit einem Drittel der Jugendlichen- und Erwachsenendosis – 10 µg statt 30 µg –, zweimal im Abstand von 21 Tagen.

Am Dienstag zeigten sich nun Mediziner laut dpa „besorgt wegen Infektionen bei Jüngeren“. Schwere COVID-19-Verläufe würden bei Kindern nach Einschätzung des Leiters der Jenaer Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, James F. Beck, aber eher seltener auftreten. Er machte jedoch auf Fälle aufmerksam, bei denen COVID-19 Autoimmunerkrankungen nach sich zieht (siehe unten: PIMS). Offenbar würden davon betroffene Kinder mit der richtigen Behandlung aber wieder vollständig gesund werden. Währenddessen bereitet eher ein starker Anstieg der Krankenhaus-Einweisungen wegen Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) Sorgen – bei Ein- bis Vierjährigen. Gefährlich kann dieser Infekt der oberen Luftwege insbesondere für Frühgeborene sowie vorerkrankte Kinder im ersten Lebensjahr werden.

Nach der vierten Welle kaum noch PIMS-Fälle?

Anlässe gibt es also genug, dass sich auch der Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021 am 8. Oktober mit SARS-CoV-2 auseinandergesetzt hat. So machte dort Professor Reinhard Berner (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus) in seinem Vortrag deutlich, dass von Beginn der Pandemie an junge Kinder kaum (schwer) von COVID-19 betroffen waren. Neu generierte Daten auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie würden dies zeigen: So gibt es bereits seit März 2020 ein COVID-19-Survey, seit Mai 2020 ein PIMS-Survey (Pädiatrisches Inflammatorisches Multiorgan-Syndrom) und seit April 2021 auch ein Post-COVID-19-Survey. Zudem zeichne sich ab, dass es nach der vierten COVID-19-Welle aktuell kaum noch PIMS-Fälle gebe. Es stünde die Frage im Raum, ob das vielleicht auf ein verändertes Spikeprotein der neuen Virusvariante zurückzuführen sein könnte.

Weil Kinder von Beginn an durch COVID-19 weniger gefährdet waren als Erwachsene, hatte sich die STIKO auch in ihrer Impfempfehlung zunächst zurückhaltend gezeigt: Erst im August riet sie zur generellen Impfung – mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs – ab 12 Jahren, nachdem die Politik bereits vorgeprescht gewesen war. Zuvor hatten die Impfexperten nur Kindern mit Vorerkrankungen ab 12 Jahren die Impfung empfohlen.

Kinder mit Adipositas aktiv einbestellen, aber kein Impf-Mobbing!

Dr. Martin Terhardt ist Kinder- und Jugendarzt und seit 2011 STIKO-Mitglied. Von Dezember 2020 bis Juli 2021 war er Impfarzt in Berliner Corona-Impfzentren und mobilen Impfteams. In seinem Vortrag auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin gab er einen Überblick über die Historie der COVID-19-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die im Dezember 2020 mit der Corminaty®-Zulassung ab 16 bereits begonnen hatte. 

Wie in der aktuellen COVID-19-Impfempfehlung nachzulesen, sind Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Vorerkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, trotz der allgemeinen Empfehlung ab zwölf seit August dennoch bevorzugt zu berücksichtigen. An dieser Stelle machte Terhardt in seinem Vortrag nochmals auf die Liste der Vorerkrankungen aufmerksam, mit denen auch Kinder einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe ausgesetzt sind: Speziell erinnerte er daran, dass dazu auch Adipositas (> 97. Perzentile des BMI) zählt. Man solle betroffene Kinder aktiv einbestellen, forderte er: „Mein Eindruck ist, dass hier noch viele ungeimpft sind.“

Akzeptieren, dass man nicht jeden überzeugen kann

Wie ebenfalls in der aktuellen STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung nachzulesen ist, sollen durch die Impfung nicht nur COVID-19-Erkrankungen und Hospitalisierung bei Kindern und Jugendlichen verhindert werden. Auch indirekte Folgen, wie Einschränkungen der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, sollen dadurch abgemildert werden. Deshalb mahnte Terhardt, dass kein „Mobbing“ stattfinden dürfe. Man müsse akzeptieren, dass man nicht jeden von der Impfung überzeugen könnte. 


Die STIKO spricht sich jedoch explizit dagegen aus, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird.“ 

STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung Aktualisierung vom 18. August 2021


Man könne Kinder auch passiv (durch die Impfung der Erwachsenen) schützen und solle daran denken, wodurch Eltern in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst werden – beispielsweise durch die auf Seite eins zitierten Medienmeldungen, dass Moderna in Schweden und Dänemark nicht mehr bei jungen Menschen eingesetzt wird. 

Auch die aktuelle STIKO-Empfehlung geht auf die Myokarditis-Fälle ein, die nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen „in sehr seltenen Fällen“ – in den ersten 14 Tagen nach der 2. Dosis – aufgetreten sind. Betroffen seien bisher überwiegend männliche Kinder und Jugendliche sowie junge Männer. Die Erkrankungen verliefen dabei meist mild, über theoretisch denkbare Spätfolgen dieser Nebenwirkung könnten jedoch zurzeit „naturgemäß“ keine Aussagen gemacht werden, heißt es.

Auch für Deutschland noch mehr Myokarditisfälle erwartet

Terhardt erklärte in seinem Vortrag, dass bislang in Deutschland nur wenig über (Peri-)Myokarditis-Fälle nach COVID-19-Erkrankung bei Kindern bekannt sei. US-amerikanische Registerdaten würden jedoch darauf hindeuten, dass Myokarditiden durchaus auch nach SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Terhardt geht jedenfalls davon aus, dass es auch in Deutschland noch mehr Myokarditisfälle – auch nach Impfung – geben wird. Er erläuterte, dass es – bezogen auf die Gesamtheit von 4.000.000 Jugendlichen (12-17 Jahre) und die Zahlen aus den USA – bei einer von 46.242 Impfungen zur einer Myo-/Perikarditis kommen könnte. 

Impfung ab fünf Jahren – und die Altersgruppe sechs Monate bis vier Jahre 

Wie geht es nun also weiter mit den Impfungen für Kinder? Terhardt erwartet, dass die EMA im Oktober/November über den Zulassungsantrag von Comirnaty® in der 10 µg-Dosierung ab 5 Jahren beraten wird – und befürchtet, dass die Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) bereits im Oktober/November erneut vorpreschen könnte. Die STIKO selbst werde jedenfalls im November/Dezember über die Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren beraten – wohlgemerkt ergebnisoffen. Bisher würden keine Studiendaten vorliegen (Stand 8.Oktober). 

Für November/Dezember sei außerdem zu erwarten, dass die EMA auch über den Zulassungsantrag von Spikevax® (Moderna) ab fünf Jahren berät, die Dosis sei dabei noch unklar.

Impfung für Kleinkinder Anfang nächstes Jahr?

Zwischen Januar und März im neuen Jahr erwartet laut Terhardt die EMA entsprechende Zulassungsanträge für Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren. Die STIKO wolle eine entsprechende Empfehlung zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 beraten. Comirnaty® befinde sich mit einer Dosierung von 2x3 µg für die Altersgruppe zwischen zwei und vier in Phase 3, zwischen sechs Monaten und einem Jahr in Phase 2/3. Auch von Moderna seien für die Altersgruppe zwischen sechs Monaten und elf Jahren Zulassungsanträge angekündigt.

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Und auch für den Novavax-Impfstoff sind laut Terhardt pädiatrische Studien geplant. Ebenso für den von Sanofi (Vidprevtyn). Bei beiden handelt es sich um rekombinant hergestellte adjuvantierte Protein-Impfstoffe. 

Die Impfung für kleinere Kinder nähert sich also in großen Schritten – der Druck, jüngere Kinder zu impfen, sollte sich dadurch aber nicht automatisch erhöhen. Terhardt erklärte auf dem Kongress, dass es mittlerweile auch Arztpraxen gebe, die „die Nase voll haben“ vom COVID-19-Impfen. Offenbar kann er das nachempfinden, denn auch die STIKO sei seit der Pandemie „ressourcentechnisch“ am Limit, viele andere wichtige Themen seien „on hold“.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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