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Die Tagebuch-Themen in dieser Woche: Ein Apotheker kämpft gegen die Präquali, Apothekerkammern gegen die Verquickung von Telemedizinern und EU-Arzneiversandhaus. Und Fahrradkuriere als Bote fahren im Graubereich. Ganz verzwickt: Was können wir tun, wenn Kunden uns einen gefälschten Impfpass vorlegen? Nur das Risiko tragen? Und was hilft gegen Fachkräftemangel? Bessere Gehälter? Vielleicht hilft mehr Ehrlichkeit bei den Tarifverträgen, wünscht sich die Tarifpartei TGL. Und schon sorgen sich die niedergelassenen Doctores um sinkende Apothekenzahlen und wollen dispensieren. Ganz schön knitz.
25. Oktober 2021
Nein, es muss nicht immer Plattform-Gedöns sein, es geht auch ohne. Wer keine Lust hat, monatlich ein paar hundert Euro an Plattformen zu bezahlen, sollte mal das Angebot des Gemeinschaftsunternehmens der beiden Großhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Gehe anschauen. AHD und Gehe haben bereits Anfang September bekanntgegeben, dass man sich als einziger der großen Pharmagroßhändler nicht einer Plattform anschließt, sondern auf das eigene Online- und Webshop-Angebot setzt, offen für alle Kooperations- und Großhandelskunden. Mein liebes Tagebuch, das ist doch mal ein Angebot! Derzeit haben sie eine Online-Kampagne unter dem Slogan „So geht Apotheke im Internet: Online verkaufen, vor Ort Kunden binden“ gestartet, die auf das Online- und Webshop-Angebot aufmerksam macht. Das Angebot kann sich sehen lassen: z. B. die Möglichkeit, eine digitale Apotheken-Filiale aufzubauen, Anbindung an die Warenwirtschaft der Apotheke, Zustelloptionen wie Botendienststeuerung und Abholung zum Wunschzeitpunkt oder Komfort-Checkout mit Online-Bezahlmöglichkeiten via PayPal plus und mehr. Mein liebes Tagebuch, wer in Zukunft seine Apotheke hybrid ausrichten will, also seiner Vor-Ort-Apotheke einen Online-Shop hinzufügen möchte (angesichts des E-Rezepts muss man ernsthaft darüber nachdenken) ohne den teuren Überbau von Plattformen, kann seinen Kundinnen und Kunden ein zukunftsweisendes Angebot präsentieren.
Na, wie knitz ist das denn! Unsere lieben Heilberufsbrüder und -schwestern, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, vertreten durch den NAV-Virchowbund, sie verabschiedeten auf ihrer Bundeshauptversammlung des Verbands einen Antrag, das Dispensierrecht in einem Modellprojekt zu erproben. Sie wollen also selbst Arzneimittel abgeben. Als Grund geben sie an: die sinkenden Apothekenzahlen – der Gang zur Apotheke werde für Patientinnen und Patienten zur zusätzlichen Belastung. Der Modellversuch soll zeigen, „ob die Versorgung und die Zufriedenheit der Patienten verbessern wird“. Mein liebes Tagebuch, echt putzig, oder? Haben die Niedergelassenen noch nichts von unseren perfekten Botendiensten gehört? Oder von Rezeptsammelstellen? Oder von den Versandaktivitäten unserer Vor-Ort-Apotheken? Sicher, es gibt ein paar Apotheken weniger als noch vor fünf Jahren, aber dass deswegen die Hausärzte ihre Arzneischränke auffüllen müssen, um die Versorgung sicherzustellen, ist ein Witz. Apotheken-Botendienst und -versand bringen unseren Patientinnen und Patienten ihre Arzneimittel nach Hause. Mein liebes Tagebuch, mal offen unter uns: Hinter dem Antrag der Niedergelassenen steckt doch vermutlich der heimliche Groll darüber, dass Jens Spahn die Apotheken mit in die Grippeschutzimpfung eingebunden hat und dass die Apotheken sich sogar vorstellen können, gegen andere Infektionskrankheiten, auch gegen Covid-19 zu impfen. Dieses Mal versuchen’s die Niedergelassenen halt mal mit dem Hinweis auf sinkende Apothekenzahlen. Dumm nur, dass die Patienten trotz sinkender Apothekenzahlen wirklich bestens versorgt werden.
Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister ist bald Geschichte. Da bietet es sich an, mit Apothekers-Augen schon mal einen kleinen Blick zurück auf seine Amtszeit zu werfen mit dem Fokus auf Digitalisierung und Apotheke: Was hat er erreicht, was nicht und was wartet da noch auf die Person, die sein Ministerium übernehmen wird? DAZ.online sprach darüber mit Apotheker Ralf König aus Nürnberg, der als „Director Pharmacy“ des von Spahn ins Leben gerufenen Health Innovation Hub (hih) das Bundesgesundheitsministerium zur Digitalisierung in Gesundheitswesen berät. Das Gremium löst sich zum Jahreswechsel auf. Nach Meinung von König ist Spahn das Thema Digitalisierung mit viel Energie und Durchschlagskraft angegangen – geschafft hat allerdings auch er nicht alles. Was dringend noch einer Klärung bedarf, ist z. B. die angekündigte Rechtsverordnung, in der insbesondere Fragen zu Schnittstellen geklärt werden sollen, die auch für das E-Rezept wichtig sind. Zum Thema GEDISA, der eigenen Digitalisierungsgesellschaft der Apothekerverbände, äußert sich König eher zurückhaltend: „Ich weiß nicht, ob wir dafür eine eigene Gesellschaft brauchen, die viel Geld kostet.“ Chancen sieht der Apotheker bei den kommenden Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Und was das E-Rezept betrifft, so geht König davon aus, dass es zwar am Anfang des kommenden Jahres kommt, aber so nach und nach, was durchaus nicht kritisch zu sehen sei. Wichtiger sei es, sich im Vorfeld um Ausfallszenarien zu kümmern, z. B. was passiert, wenn die SMC-B-Karte oder das internet nicht funktioniert? Mein liebes Tagebuch, ein lesenswertes Interview.
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