Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

31.10.2021, 07:30 Uhr

Apothekers Leben ist ganz schön knifflig – voll mit Risiken (Foto: Alex Schelbert) 

Apothekers Leben ist ganz schön knifflig – voll mit Risiken (Foto: Alex Schelbert) 


29. Oktober 2021

Es war ihre letzte Jahreshauptversammlung: Dr. Heidrun Hoch, Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter in Nordrhein (TGL) stellte sich nicht mehr zur Wahl als TGL-Vorsitzende, ein Amt, das sie 15 Jahre lang ausübte. Sie übergab ihr Amt an Constantin Biederbick, der zuvor ihr Stellvertreter war. Neuer Stellvertreter ist Sebastian Berges. Heidrun Hoch wurde zugleich Ehrenvorsitzende. Mein liebes Tagebuch, 15 Jahre Tarifpolitik im Apothekenbereich zu machen – das muss man wollen, dafür braucht man eine Menge berufspolitisches Engagement. Heidrun Hoch hat es – sie war auch als Delegierte in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv, zeitweise auch im Kammervorstand. Gehälter für Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter auszuhandeln war bekanntlich noch nie einfach, erst recht nicht in den letzten Jahren. Denn das Apothekenhonorar unterliegt keiner dynamischen Anpassung und schon gar nicht einer jährlichen.    Das apothekerliche Fixhonorar wurde in 17 Jahren nur ein einziges Mal, nämlich 2013, um 25 Cent erhöht, während die Kosten überproportional gestiegen sind. Und aus diesem Apothekenfestzuschlag sind bekanntlich die gesamten Betriebskosten der Apotheke zu decken, auch die Personalkosten. In diesem Dilemma stecken die Tarifparteien, die Apothekengewerkschaft Adexa und die beiden Arbeitgebervertretungen, der ADA (Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken) und die TGL Nordrhein, zuständig für den Kammerbereich Nordrhein. Die Frage ist: Wie lassen sich Apothekengehälter nach oben anpassen, obwohl das Apothekenhonorar unverändert bleibt? Mein liebes Tagebuch, letztlich hat diese Frage auch mit dem Fachkräftemangel zu tun, ein Thema, das Heidrun Hoch in den Mittelpunkt ihres Berichts zur Jahreshauptversammlung stellte. Hoch ist sich bewusst, dass für eine Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter Geld zwar nicht alles ist, aber eine wesentlich Grundlage. Wenn sich junge Menschen für einen Beruf entscheiden, schauen sie nicht nur interessengerichtet, sondern sie informieren sich auch über Verdienstmöglichkeiten. Mein liebes Tagebuch, wie wahr – Fakt ist, dass die Apothekengehälter sicher nicht auf den vorderen Plätzen liegen. Wie Hoch berichtete, entscheide sich nur ein Drittel der Approbierten für eine Tätigkeit in der Apotheke. Laut einer Umfrage unter TGL-Mitgliedern vertritt mehr als die Hälfte von ihnen eher nicht die Meinung, dass dem Fachkräftemangel durch Lohnerhöhungen zu begegnen sei. Aber, so Hoch, „wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann“? Gute Frage, mein liebes Tagebuch. Da mittlerweile fast alle Apotheken „über Tarif“ zahlten, so Hoch, „könnten wir einen positiven Effekt erreichen, wenn wir die tarifliche Tabelle an die tatsächlich gezahlten Löhne schrittweise annähern würden“, allerdings ginge das nur, wenn die übertariflichen Anteile in gleicher Weise zurückgefahren würden. Hoch: „Vielleicht wäre es tatsächlich klüger, sich ein wenig ‚ehrlicher‘ zu machen.“ Mein liebes Tagebuch, wir wünschen Heidrun Hoch alles Gute und freuen uns, wenn sie die Berufspolitik weiterhin kritisch begleitet.

 

Es kommt häufiger vor, als man anfangs dachte: Nahezu täglich ist derzeit in den Medien von Geschäften mit gefälschten Covid-19-Impfzertifikaten zu lesen. Apotheken sind immer wieder mit zweifelhaften Impfbüchern konfrontiert, die es gewissenhaft zu überprüfen gilt. Wer Als Apothekerin, als Apotheker wissentlich falsche Zertifikate ausstellt, dem drohen Strafen. Wer aber als Patient. als Kunde mit einem gefälschten Impfbuch ein echtes digitales Zertifikat erhalten will, wird wohl straffrei davon kommen – denn es scheint hier nach Auffassung des Landgerichts Osnabrück eine Strafbarkeitslücke zu geben: Das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erlangen, ist nach derzeitiger Rechtslage kein strafbares Handeln. Andererseits kann aber der Gebrauch eines gefälschten Gesundheitszeugnisses, wie es der Impfpass darstellt, durchaus strafbar sein, aber nur, wenn man es einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft vorlegt, heißt es im Strafgesetzbuch. Mein liebes Tagebuch, die Apotheke ist weder das eine noch das andere. Immerhin, die Apotheke darf einen gefälschten Impfausweis sicherstellen, da vom Gebrauch dieses gefälschten Dokuments aufgrund der bestehenden Ansteckungsgefahr eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Und nun? Darf die Apotheke dann auch Anzeige bei der Polizei erstatten? Nicht so ohne weiteres, meinen einige Apothekerkammern, denn dazu müsste die Fälscher-Person die Apotheke bzw. die Mitarbeiter(innen) von der Schweigepflicht entbinden. Allerdings teilen diese Ansicht nicht alle Juristen. So halten es einige zum Schutz der Allgemeinheit für sinnvoll, bei begründetem Verdacht des Vorliegens einer Fälschung entsprechende Maßnahmen einzuleiten, wie es juristisch heißt. Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht wäre somit durch eine Notstandshandlung gerechtfertigt. Mein liebes Tagebuch, Juristen schlagen vor, Kontakt mit dem Impfarzt aufzunehmen. Falls dieser nicht erreichbar ist, könne man einen Kollegen um dessen Einschätzung bitten, ob das Dokument echt ist oder nicht. Und ja, es wäre natürlich am besten, wenn die Person mit dem mutmaßlich gefälschten Impfpass eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben würde – was wohl unrealistisch ist. Und so bleibt letztlich das Risiko wieder an der Apotheke hängen, mein liebes Tagebuch, eine pauschale Empfehlung gibt es hier nicht. Anders in Niedersachsen: Dort sieht die zuständige Staatsanwaltschaft die Schweigepflicht nicht verletzt, wenn die Apotheke die Polizei einschaltet – dazu verpflichtet ist sie allerdings auch nicht. Aber was passiert nach der Anzeige – wo es doch nicht strafbar ist, der Apotheke einen gefälschten Impfpass vorzulegen? Also, letztlich würde nur eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber helfen. Mein liebes Tagebuch, so ist das reale Leben. Und wir Apothekers müssen damit leben. 

 

Was bei Rabattverträgen der gesetzlichen Krankenkassen abläuft, war bisher so gut wie nicht öffentlich geworden. Dass die Pharmahersteller den Kassen mitunter erhebliche Preisnachlässe anbieten, um den Zuschlag und damit einen Rabattvertrag zu bekommen, konnte man sich vorstellen. Aber was heißt hier „erheblich“? Der Branchendienst „Arznei-Telegramm“ (AT) berichtet nun von Rabattverträgen zwischen einer AOK-Kasse und einem Hersteller, die versehentlich öffentlich geworden sind: So soll der Indien-basierte Generika-Anbieter Glenmark für Präparate mit dem Opioidanalgetikum Buprenorphin mehr als 99% Rabatt auf den Herstellerabgabepreis gewähren, für ein anderes Präparat sogar 99,96%, wie das Arznei-Telegramm berichtet. Laut ProGenerika-Verband sollen solche „brutalen“ Rabatte Realität sein. Mein liebes Tagebuch, können Hersteller Generika verschenken? Natürlich nicht, man geht davon aus, dass man sich von solchen Rabatten wohl Begleit- und Nebeneffekte erwartet. Man kann sich z. B. vorstellen, dass die Anwenderinnen von Kontrazeptiva, deren Kosten von den Kassen bis zu einem Alter von 22 Jahren übernommen werden, auch später bei diesen Präparaten bleiben und den regulären Preis aus eigener Tasche bezahlen. Aber auch andere, weniger durchschaubare Mechanismen seien denkbar, so das Arznei-Telegramm. Mein liebes Tagebuch, welche Folgen hat das eigentlich? Auch die Kassen werden sich vorstellen können, dass solche Rabatte nicht kostendeckend sind und wettbewerbsverdrängend, wie es im AT-Bericht heißt. Welche Folgen das hat? Klar, die Abhängigkeit von Lohnherstellern aus Ländern wie Indien und China bleibt. Und von wegen Rückführung der Arzneimittelproduktion nach Europa, wie es sich auch einige Gesundheitspolitiker großspurig wünschen – bei Rabatten von fast 100 Prozent ist daran doch nicht zu denken. Mein liebes Tagebuch, wo führen uns die Rabattverträge hin?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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