Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen waren verfassungsgemäß

Bundesnotbremse besteht vor dem Bundesverfassungsgericht

Berlin - 30.11.2021, 12:30 Uhr

Karlsruhe hat entschieden: Die Bundesnotbremse ist mit dem Grundgesetz vereinbar. (Foto: IMAGO / U. J. Alexander)

Karlsruhe hat entschieden: Die Bundesnotbremse ist mit dem Grundgesetz vereinbar. (Foto: IMAGO / U. J. Alexander)


Lebens- und Gesundheitsschutz und ein funktionsfähiges Gesundheitssystem sind legitime Gesetzeszwecke

Doch nun hat das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Hauptsacheverfahren höchstrichterlich entschieden. Kurz gefasst kam der 1. Senat bei den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zu dem Schluss: Die angegriffenen Maßnahmen des Gesetzgebers waren Bestandteile eines Schutzkonzepts und dienten dem „Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems“ – dies seien „überragend wichtige Gemeinwohlbelange“. Selbst wenn die Maßnahmen in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen haben: Nachdem der Senat die verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft hat, ist er überzeugt, „dass die hier zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar“ waren. Insbesondere seien sie auch verhältnismäßig gewesen.

Gefahrenlage hat bestanden

Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems seien schon verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke, konstatiert so das Bundesverfassungsgericht. Zusätzlich könnte aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, der den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner Gesundheit umfasst, eine Schutzpflicht des Staats folgen, die eine Vorsorge gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen umfasst. Auch mit der Beurteilung der Gefahrenlage durch den Gesetzgeber hat der Senat kein Problem. Die Einschätzung habe auf tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen beruht, heißt es. 

Verfassungswidrig wären beispielsweise die Kontaktbeschränkungen gewesen, wenn andere, gleich wirksame, aber die betroffenen Grundrechte weniger stark einschränkende Mittel zur Verfügung gestanden hätten – doch die kann auch der Senat nicht erkennen. Richtig war es aus Sicht der Richter:innen auch, dass die schweren Eingriffe zeitlich befristet wurden: „Freiheitsbeeinträchtigungen wiegen aber grundsätzlich umso weniger schwer, je kürzer sie gelten.“ Bei den Ausgangsbeschränkungen würdigte der Senat die vorgesehenen Ausnahmeregelungen – auch sie milderten das Gewicht der Eingriffe in einzelne Grundrechte ab. Gerade bei „umfassenden“ Ausgangsbeschränkungen betont der Senat nochmals, dass diese „nur in einer äußersten Gefahrenlage in Betracht“ kommen. Vorliegend sei eine solche „tragfähig begründet“ gewesen.

Recht auf schulische Bildung

In einem zweiten Beschluss zu Schulschließungen hat das Bundesverfassungsgericht erstmals ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt. In dieses Recht hätten die seit Beginn der Pandemie in Deutschland erfolgten Schulschließungen in schwerwiegender Weise eingegriffen – dies zeigten sachkundige Stellungnahmen zu den tatsächlichen Folgen dieser Maßnahmen deutlich. Allerdings standen auch diesem Eingriff die bereits genannten überragenden Gemeinwohlbelange gegenüber. Und diesen habe der Gesetzgeber „nach der seinerzeit vertretbaren Einschätzung“ auch durch Schulschließungen begegnen können.

Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2021 1 BvR 781/21, 1 BvR 889/21, 1 BvR 860/21, 1 BvR 854/21, 1 BvR 820/21, 1 BvR 805/21, 1 BvR 798/21 (Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen) und
1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 (Schulschließungen)



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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