Stiftung Warentest

Welche Mittel helfen bei Reizdarm?

Stuttgart - 28.12.2021, 17:50 Uhr

Leitlinie und Stiftung Warentest sind sich einig, dass manche Probiotika und Pfefferminzöl Reizdarmbeschwerden lindern können. (Foto: Aldeca Productions / AdobeStock)

Leitlinie und Stiftung Warentest sind sich einig, dass manche Probiotika und Pfefferminzöl Reizdarmbeschwerden lindern können. (Foto: Aldeca Productions / AdobeStock)


Setzt man besser auf Heilerde, Pfefferminze oder auf Probiotika? Stiftung Warentest hat 19 Präparate gegen Reizdarm-Beschwerden wie Durchfall, Blähungen und Krämpfe geprüft. Sechs hält Stiftung Warentest für geeignet, wenn auch mit Einschränkung.

Problemen mit dem Darm, wie Durchfall, Verstopfung, Krämpfe oder Blähungen, können verschiedene Ursachen zugrunde liegen – zum Beispiel chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, eine symptomatische Lactose- oder Frutose-Malabsorption, eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms oder eine Gallensäuren-Malabsorption, eine Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität oder auch maligne Erkrankungen wie Darmkrebs oder ein Ovarialkarzinom. Die Diagnose „Reizdarm-Syndrom“ (RDS) oder „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS) ist folglich eine Ausschlussdiagnose, wenn sich für die Darmbeschwerden keine organische Ursache finden lässt. 

Nun ist es eine Sache, den Beschwerden (meist nach ärztlicher Odyssee) einen Namen geben zu können, eine ganz andere und mindestens genauso wichtige, diese auch zu lindern. Was also hilft bei Reizdarm? Erst vor wenigen Wochen haben die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Neurogastro­enterologie und Motilität (DGNM) die bestehende S3-Leitlinie „Reizdarmsyndrom“ überarbeitet. Neben Ernährung und psychotherapeutischen Strategien halten die Leitlinienautor:innen manche Probiotika und Pfefferminzöl für geeignet, Reizdarmbeschwerden zu lindern.

Nun hat auch Stiftung Warentest 19 Mittel (Arzneimittel und Medizinprodukte), die für Reizdarm ausgelobt sind, unter die Lupe genommen. Nur sechs davon bewertet sie als „mit Einschränkung geeignet“, über die restlichen urteilt Stiftung Warentest mit „wenig geeignet“. Doch woran macht die gemeinnützige Verbraucherorganisation die Eignung fest? Eigenen Angaben zufolge orientiert sich Stiftung Warentest an der evidenzbasierten Medizin und hat für die Bewertung die verfügbare Literatur zur Wirksamkeit und Sicherheit der Präparate sowie die Leitlinien geprüft.

Pfefferminz, Buscopan und Bifidobakterien

Vier Präparate mit Pfefferminzöl, unter anderem Klosterfrau Reizdarm und Buscomint®, hält Stiftung Warentest für „mit Einschränkung geeignet“: Pfefferminze wirke krampflösend, dennoch sollten die langfristigen Effekte noch besser untersucht werden, findet die Verbraucherorganisation. Auch Buscopan® eignet sich mit den gleichen Einschränkungen zur Behandlung von Reizdarmbeschwerden, es wirke zwar krampflösend, schreibt Stiftung Warentest, doch auch hier vermisst das Verbrauchermagazin Daten zu Langzeiteffekten.

Als einziges Probiotikum erachtet Stiftung Warentest Kijimea® Reizdarm Pro für eine der besseren Option bei Reizdarm. Die enthaltenen Bifidobakterien wirkten „vermutlich“, indem sie sich an geschädigte Stellen der Darmwand hefteten. In der Tat konnte Synformulas, der Hersteller hinter Kijimea Reizdarm Pro, in einer im April 2020 in einer im „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ veröffentlichten Studie, die der Hersteller selbst formuliert hat, zeigen, dass das Produkt die Reizdarmsymptome bessert.

Ziel der Studie war: Die Patienten mussten in mindestens vier der acht Einnahmewochen eine 30-prozentige Verbesserung ihrer Bauchschmerzen (bezogen auf den Ausgangswert) und eine „gewisse Besserung“ (adequate relief) ihrer Reizdarmsymptome verspüren. Bestimmt werden die Veränderungen anhand von Skalen. Dieses gemeinsame Ziel wurde durchaus erreicht, und zwar von 34 Prozent der Proband:innen, die die Bifidobakterien eingenommen hatten, und von 19 Prozent der Teilnehmer:innen in der Placebogruppe – ein signifikanter Vorteil für die Bakteriengruppe.

Kijimea Reizdarm Pro: zu vollmundige Werbung

Synformulas wirbt vollmundig (allabendlich vor der „Tagesschau“), dass Reizdarmbeschwerden mit Kijimea Reizdarm Pro „wie weg“ sind – das findet Stiftung Warentest etwas zu optimistisch: „Der Effekt ist nicht so groß, wie die Werbung verheißt.“ Auch das „Arznei-Telegramm“ hatte sich bereits 2020 an den Werbeaussagen von Synformulas gestört: „Im Mittel sind die Beschwerden zudem nicht ‚wie weg‘, sondern – sowohl unter Verum als auch unter Placebo – nur ‚etwas gebessert'“, begründete das AT, warum es seine Analyse zu Kijimea Reizdarm Pro damals in der Rubrik „Vorsicht Desinformation“ veröffentlichte.

Keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege für Heilerde und Iberogast

Für die in den Augen von Stiftung Warentest wenig geeigneten Mittel, könne man sich das Geld sparen, so der Rat des Verbrauchermagazins. Der Nutzen sei für beispielsweise Heilerde-Präparate nicht ausreichend belegt, für Kombipräparate, wie Iberogast® Advance, sei nicht ausreichend nachgewiesen, dass diese „sinnvoll zusammengesetzt“ seien. Die Leitlinie zum Reizdarmsyndrom hingegen rät: „Mehrere weitere phytotherapeutische Präparate haben sich als wirksam zur Symptomlinderung erwiesen und sollten individuell ins Behandlungskonzept integriert werden“. So konnten mit den zugelassenen Arzneimitteln Iberogast® Classic und Iberogast® Advance „positive Effekte auf IBS-SS generell und abdominelle Schmerzen im speziellen“ gezeigt werden.

Für die Präparate mit lebenden Bakterien, wie Symbioflor® 2 und Kijimea®, fehlten zwar ausreichende Wirksamkeitsbelege beim Reizdarmsyndrom, doch könnten sie einen Versuch wert sein. Auch hier ist die Leitlinie anderer Meinung, sie empfiehlt als Probiotika gleich mehrere Stämme, unter anderem auch denjenigen, der in Symbioflor® 2 enthalten ist.

Wann liegt ein Reizdarm-Syndrom vor?

  • Chronische, länger als drei Monate anhaltende oder rezidivierende Beschwerden, die von Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
  • Die Beschwerden führen dazu, dass der Patient Hilfe sucht, sich sorgt bzw. die Lebensqualität stark beeinträchtigt wird.
  • Voraussetzung ist, dass keine Veränderungen vorliegen, die für andere Krankheitsbilder charakteristisch sind.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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