Phase-1-Studie gestartet

Moderna testet mRNA-basierte HIV-Impfung

Rosenheim - 31.01.2022, 16:29 Uhr

Seit vierzig Jahren ist es nicht gelungen, einen Impfstoff gegen HIV herzustellen. Die hohe Mutationsrate der HI-Viren ist nur eine der Herausforderungen. (Foto: artegorov3@gmail / AdobeStock)

Seit vierzig Jahren ist es nicht gelungen, einen Impfstoff gegen HIV herzustellen. Die hohe Mutationsrate der HI-Viren ist nur eine der Herausforderungen. (Foto: artegorov3@gmail / AdobeStock)


Nach dem Erfolg der mRNA-basierten Corona-Impfung läuft die Entwicklung weiterer mRNA-basierter Vakzine gegen Problempathogene wie  zum Beispiel das Eppstein-Barr-Virus auf Hochtouren. Nun meldet Moderna, dass die erste klinische Studie mit Impfantigenen gegen das humane Immundefizienz-Virus (HIV) auf Basis von Boten-RNA angelaufen ist. Das könnte der erste Schritt für die Entwicklung eines mehrstufigen Impfschemas sein.

Am 27. Januar wurden im Rahmen einer Phase-1-Studie die ersten Dosen eines mRNA-basierten HIV-Vakzins gesunden Freiwilligen appliziert. Das meldete Moderna in einer Pressemitteilung. Mittels der Studie möchte man herausfinden, ob es durch die sequenzielle Verabreichung von zunächst sogenannten Priming-Immunogenen und anschließend Booster-Immunogenen (siehe Kasten) gelingt, eine spezifische Immunantwort der B-Zellen dahingehend zu lenken, dass sogenannte breit-neutralisierende Antikörper (= broadly neutralizing antibody, bnAB) entstehen.

„Die Induktion von bnAB wird allgemein als Ziel bei HIV-Vakzinen erachtet, und das ist der erste Schritt in diesem Prozess“, so das Biotechnologie-Unternehmen Moderna in der Pressemitteilung. Diese speziellen Antikörper können viele verschiedenen Stämme des rasch mutierenden HI-Virus neutralisieren, indem sie wichtige Regionen der Oberfläche binden. Für eine erfolgreiche HIV-Impfung kann es jedoch nötig sein, eine Sequenz-Immunisierung mit verschiedenen Immunogenen durchzuführen. Die jetzt getesteten Immunogene könnten als initiales Priming in einem mehrstufigen Impfschema („germline-targeting vaccine design“, siehe Kasten) dienen.

Breit-neutralisierende Antikörper und „germline-targeting vaccine design“

Nur eine Minderheit der Patienten mit HIV-Infektion bilden breit-neutralisierende Antikörper (bnABs) aus. Diese besonderen Antikörper entstehen durch eine hohe Anzahl somatischer Hypermutationen, also zufällige Veränderungen der Antikörpergene während der B-Zell-Reifung. Dadurch können sie effektiv an konservierte Epitope des HIV Envelope-Spikeprotein (Env) binden. Durch Gen- und Strukturanalysen identifizierten Forscher Eigenschaften, die für ihre potente und breite Neutralisationsfähigkeit nötig sind. Eine wesentliche Rolle spielen dabei B-Zell-Rezeptoren (BCRs). Doch nur wenige der beim Menschen vorkommenden B-Zellen besitzen die passenden BCRs, um potenziell bnABs bilden zu können. Die gewünschten Vorläufer-Zellen müssen also durch geschickte Impfstoffentwicklung direkt adressiert werden. Allerdings verfügen viele Vorläufer von potenten HIV-bnABs nur über eine geringe Affinität gegenüber dem Wildtyp HIV Env – und Wildtyp-Env-Immunogene konnten keine ausreichenden bnAb-Antworten hervorrufen.

Ein theoretischer Weg, um die Bildung von potenten bnAB durch eine Impfung zu erreichen, besteht im ersten Schritt aus der primären Immunisierung 

  • („Priming“) mit einem Immunogen mit außergewöhnlich hoher Affinität zu bnAB-Vorläufern. Im nächsten Schritt
  • („Booster“) kann dann durch sequenzielle Immunisierung mit Antigenen, die eine zunehmende Ähnlichkeit zum nativen Env haben, an der Affninität gefeilt werden.

Diese Strategie wird auch als „germline-targeting vaccine design“ bezeichnet.

Die Vakzin-Antigene der aktuellen Studie wurden in jahrelanger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Nonprofit-Organisation IAVI und Sccripps Research entwickelt. 2021 veröffentlichten sie vielversprechende Ergebnisse einer klinischen Studie mit einer Protein-basierten Version des Immunogen eOD-GT8 60mer. Dabei entwickelten 97 Prozent der Teilnehmer die erforderliche B-Zell-Antwort. Das Immunogen wird nun für die Grundimmunisierung (Priming) auf Basis von Modernas mRNA-Technologie verwendet. 

Neue Richtung im HIV-Impstoff-Design

„Wir sind ungemein aufgeregt, dass wir diese neue Richtung im HIV-Impstoff-Design mit Modernas mRNA-Plattform voranbringen. Die Suche nach HIV-Vakzinen war lang und herausfordernd, und die neuen Werkzeuge in Bezug auf Immunogene und Plattformen könnten der Schlüssel dafür sein, um rasch einen deutlichen Fortschritt hin zu den dringend benötigten, effektiven HIV-Impfstoffen zu machen“, sagt Mark Feinberg, M.D., Präsident und CEO von IAVI in der Pressemitteilung von Moderna.

Die Entwickler untersuchen in der nun gestarteten Studie nicht nur die Immunantwort auf die neu eingesetzte mRNA-Technologie, die eOD-GT8 60mer kodiert. Zusätzlich möchten sie abschätzen, wie gut Booster-Immunogene eine weitere Reifung der B-Zellen induzieren. Dafür erhalten von 56 Teilnehmern

  • 48 eine oder zwei Dosen des eOD-GT8 60mer mRNA-Vakzins. 
  • 32 von ihnen erhalten als Booster das Core-g28v2 60mer mRNA-Vakzin, ein weiteres Immunogen. 
  • Acht weitere Teilnehmer bekommen nur das Booster-Immunogen. 

Alle Studienteilnehmer werden bis sechs Monate nach der letzten Impfung beobachtet.

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Die Firma Moderna ist 2016 einer Rahmenvereinbarung mit der Bill & Melinda Gates Foundation beigetreten, um mRNA-basierte Entwicklungsprojekte gegen verschiedene Infektionskrankheiten voranzubringen. Erst kürzlich gab Moderna den Beginn einer klinischen Studie mit einem mRNA-basierten Vakzin gegen Epstein-Barr-Virus bekannt. Auch Biontech und Pfizer nutzen die neue mRNA-Technologie und arbeiten an einem Impfstoff gegen Gürtelrose

Der Virus HIV-1 wurde erstmals 1983 aus einem Patienten isoliert. Üblicherweise dauert die Impfstoffentwicklung von präklinischer Entwicklung bis zur Zulassung durchschnittlich 12 Jahre. Seit vierzig Jahren ist es nicht gelungen, einen Impfstoff gegen HIV herzustellen. Die hohe Mutationsrate der HI-Viren ist nur eine der Herausforderungen, mit denen Forscher in der Impfstoffentwicklung konfrontiert sind. Heutzutage können jedoch eine Reihe von antiviralen Arzneistoffen die Vermehrung des Virus hemmen und damit die Entstehung eines klinisch relevanten Immundefektes hinauszögern. 



Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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