Vorsorge Gebärmutterhalskrebs

Kann ein Vaginalgel den Pap-Test verbessern?

Berlin - 04.03.2022, 17:50 Uhr

Seit Februar 2020 steht in Deutschland mit dem Vaginalgel DeflaGyn eine Option zur Verfügung, die Remission und Regression bei unklaren Zervixabstrichen fördern soll. (Grafik: Naeblys / AdobeStock)

Seit Februar 2020 steht in Deutschland mit dem Vaginalgel DeflaGyn eine Option zur Verfügung, die Remission und Regression bei unklaren Zervixabstrichen fördern soll. (Grafik: Naeblys / AdobeStock)


Humane Papillomviren (HPV) zeichnen für 90 Prozent aller Gebärmutterhalskrebsfälle verantwortlich, auffällige Befunde können verunsichern: Das Vaginalgel DeflaGyn soll die Remission fördern – doch die Krankenkassen erstatten das Medizinprodukt nicht. Zu Recht? Die DAZ hat sich am heutigen HPV-Awareness-Day die Datenlage angeschaut.

Der deutsche Mediziner Harald zur Hausen erbrachte 1982 erstmals den Nachweis, dass humane Papillomviren (HPV) Auslöser von Gebärmutterhalskrebs sind. Dafür erhielt er 2008 den Nobelpreis. Heute werden mehr als 200 unterschiedliche HPV-Genotypen unterschieden, wobei etwa 40 davon den Genitalbereich infizieren können. Einige von ihnen, etwa Typ 16 und 18, wurden aufgrund ihrer Kanzerogenität als „Hochrisiko-Typ“ identifiziert. Sie stehen im Fokus der verfügbaren Impfstoffe. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung für Mädchen und Jungen gleichermaßen, bestenfalls vor dem ersten Sexualkontakt in einem Alter von neun bis 14 Jahren.

Infektion meist unbemerkt

HPV-Infektionen gehören weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Das Ansteckungsrisiko ist bis zu einem Alter von etwa 30 Jahren am größten. Für eine Weitergabe reichen bereits kleine Mengen virushaltiger Körperflüssigkeiten oder winzige Hautschüppchen, wenn sie auf verletzte Haut oder auf Schleimhäute gelangen. Die Infektion verläuft in der Regel unbemerkt und heilt innerhalb von zwei Jahren von selbst aus. Nur selten führt eine chronische Infektion Jahre später zu einer Krebserkrankung. Das dauert im Durchschnitt zehn bis 15 Jahre – Zeit genug, um Vorstufen und frühe Formen rechtzeitig zu erkennen und mit entsprechend guten Heilungsaussichten zu behandeln, weshalb Vorsorgeuntersuchungen eine unverzichtbare Rolle spielen.

Pap-Test allein oder plus HPV-Test?

Beim Pap-Test werden Zellen des äußeren Muttermunds entnommen und in einem Labor nach Papanicolaou gefärbt. Unter dem Mikroskop können auf diese Weise zytopathologische Veränderungen wie Dysplasien sichtbar gemacht werden. Bis zu einem Alter von 34 Jahren haben Frauen einmal jährlich den Anspruch auf einen Pap-Abstrich und eine klinische Untersuchung. Bei auffälligem Pap-Befund kommt ein HPV-Test dazu. Ab 35 Jahren wird der Pap-Test nur noch alle drei Jahre von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, dafür grundsätzlich in Kombination mit einem HPV-Test. Der Hintergrund: Bei älteren Frauen sind HPV-Infektionen insgesamt seltener und ein positiver HPV-Test weist zuverlässiger ein erhöhtes Risiko für Zellveränderungen am Gebärmutterhals nach. Das Co-­Testing bietet damit mehr Sicherheit als ein Pap­-Abstrich allein. Mehr über die Interpretation und Konsequenzen des Pap-Tests lesen Sie in der DAZ 2022, Nr. 8, S. 46.

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Positiver HPV-Test – was tun?

Der Pap-Abstrich lässt nur eine Beurteilung darüber zu, ob und wie stark Zellen krankhaft verändert sind. Ein auffälliger Befund zieht weitere gynäkologische Untersuchungen nach sich. Im Rahmen einer Kolposkopie (Scheidenspiegelung) wird die Schleimhaut mit einer Art Lupe untersucht. Eine Biopsie gibt schließlich Aufschluss darüber, wie weit und tief sich die Zellveränderungen bereits ausgebreitet haben. Dazu werden mit einer kleinen Zange Gewebeproben aus den verdächtigen Bereichen entnommen.

Wem das Warten zu lang wird

Zellveränderungen bedeuten aber in den seltensten Fällen Krebs. Meist sind sie Folge von Entzündungen oder Infektionen und bilden sich spontan zurück. Bei auffälligen Befunden der Kategorie Pap II und III wird deshalb zunächst abgewartet. Seit Februar 2020 steht in Deutschland eine Option zur Verfügung, mit der die Zeit zum nächsten Kontrolltermin überbrückt werden kann: das verschreibungspflichtige Medizinprodukt DeflaGyn®. Das Vaginalgel soll zur Förderung der Remission und Regression bei unklaren Zervixabstrichen (Pap II-P, Pap III-p, Pap IIID1, Pap IIID2 oder Pap III, Pap IIID) und zur Behandlung HPV-induzierter zervikaler Läsionen, p16/Ki-67-positiver zervikaler Läsionen oder zervikaler Erosionen eingesetzt werden. Inhaltsstoffe sind neben hochdispersem Siliziumdioxid, Zitronensäure und Natriumselenit. Diese Kombination soll Krankheitserreger binden, deren Ausbreitung hemmen und den antioxidativen Schutz fördern. Empfohlen wird eine einmal tägliche Anwendung von 5 ml Vaginalgel, bevorzugt am Abend vor dem Schlafengehen, über einen Zeitraum von drei Monaten. Die Therapiekosten belaufen sich auf etwa 100 Euro, werden aber nicht regelhaft von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

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Der Hersteller wirbt damit, dass DeflaGyn® Testergebnisse von Hochrisiko-Typen des humanen Papillomvirus (hr-HPV) deutlich verbessern kann und führt mehrere Studien als Beweis ins Feld, darunter beispielsweise eine rückblickende Kohortenstudie von Mueller et al. und eine prospektive, kontrollierte, offene Studie von Major et al.

Frauenärzte reagieren noch verhalten

In der deutschen S3-Leitlinie „Prävention des Zervixkarzinoms“ findet das Vaginalgel keine Erwähnung. Wir baten die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) um Einordnung der bisher verfügbaren Erkenntnisse und ein Fazit für die Praxis. Grundsätzlich begrüßt man Forschungsbemühen in dieser Richtung, da es bei Frauen mit niedriggradigen zytologischen Befunden und/oder einem positiven HPV-Test bislang keine therapeutischen Möglichkeiten gab. Allerdings ist man von der bisher verfügbaren Evidenz noch nicht vollends überzeugt. „Die vorliegenden Arbeiten geben einen Hinweis darauf, dass das Vaginalgel zu Regressionen und Remission führen kann. Allerdings ist das Studiendesign nicht dazu geeignet, dass man auch von einem Beleg sprechen könnte. Es ist daher in unser aller Interesse, dieser Innovation gezielt nachzugehen. Hierzu bedarf es jedoch einer weiteren Studie mit adäquatem Studiendesign, welches auch kolposkopische und bioptische Untersuchungsmethoden miteinbeziehen muss. Hierdurch würden die bislang vorliegenden Ergebnisse dann auch wirklich belastbar. Dies gebietet sich sowohl aufgrund der Verantwortung, welche wir übernehmen, wenn wir den Frauen das Medikament empfehlen, andererseits besteht natürlich auch ein großes wissenschaftliches Interesse an der Klärung der Zusammenhänge.“

Dies sei auch von Bedeutung vor dem Hintergrund, dass offenbar weitere Firmen analoge Präparate auf den Markt bringen wollen. Als das erste seiner Art wird das Produkt Papilocare Vaginalgel beworben, das in Österreich auf dem Markt ist. Hier sollen natürliche Inhaltsstoffe wie Hyaluronsäure, Aloe Vera und der Pilz Coriolus Versicolor sowohl unterstützend als auch vorbeugend zur Behandlung HPV-bedingter zervikaler Läsionen wirksam sein.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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